Review: MICHAEL - Die lebenden Leichen im Keller



Fakten:
Michael
AT, 2011. Regie & Buch: Markus Schleinzer. Mit: Michael Fuith, David Rauchenberger, Christine Klein, Ursula Strauss, Victor Tremmel, Isolde Wagner, Markus Hochholdinger, Susanne Rachler, David Oberkogler, u.a. Länger: 92 Minuten. FSK: ab 16 Jahren freigegeben. Auf DVD erhältlich.


Story:
Der unscheinbare Versicherungsangestellte Michael fährt jeden Abend seinen Wagen in die Garage, lässt die Jalousien runter und begibt sich dann in den Keller. Dort hält er einen kleinen Jungen gefangen. Wie lange, ist nich bekannt, doch es muss schon einige Zeit verstrichen sein, denn der Knabe hat sich an das tägliche Ritual gewöhnt. 




                                                                    

Meinung:

- "Das ist mein Messer. Und das ist mein Schwanz. Was soll ich dir reinstecken?"
- "Das Messer!"


Markus Schleinzer erinnert stark an seinen Landsmann Michael Haneke, zumindest in der Art, wie er seinen Film erzählt. Das mag Zufall sein, bewusst so gewollt oder er nimmt es einfach in Kauf, sich hinterher den Vorwurf gefallen lassen zu müssen, vom Meister abzukupfern, da der Film nur so wirklich funktionieren kann. Was auch immer der Fall ist, letzteres ist eindeutig Tatsache. "Michael" ist so reduziert wie nur möglich. Ein bedächtiges Tempo, keine (künstliche) Musik, keine durch inszenatorische Mittel erziehlten Emotionen. Das ist alles so echt und real, Kino allein auf seine Geschichte fokusiert. 


Michael geht spazieren...
Das heikle Thema, gerade in Anbetracht der Umstände, dass der Fall Natascha Kampusch um die Welt ging und nun so ein Film aus Österreich kommt, wird erstaunlich unspektakulär und unreißerisch präsentiert, was ihn nur intensiver macht. Wichtig für diese befremdliche Ruhe ist der Punkt, dass die Story nicht den Anfang vom Martyrium des kleinen Jungen erzählt, sondern irgendwann in der Mitte einsetzt. Wir wissen nicht, wann und wie er in den Keller gekommen ist, nur es kann nicht erst letzte Woche gewesen sein. Viel zu konditioniert und routiniert sind die Abläufe. Wir sehen kein kleines Kind, das heult, zitttert oder nach seiner Mutter schreit, sondern eins, das sich den Regeln und Abläufen motorisch und emotional angepasst hat. Wir sehen auch keine körperliche Gewalt, den gesamten Film über bleibt uns das erspart. Was wir sehen und spüren, ist absolute Hoffnungslosigkeit, psychische Brutalität, die aber so leise und nuanciert auftritt, dass sie sogar übersehen werden kann. Der einleitende Dialog ist (fast) der einzige Ausreißer aus diesem erschreckend stillen Szenario. Da gibt es diese vielen, kleinen Momente.


Das fast bizarre Weihnachtsfest, die kurzen Momente, in denen das Kind Anzeichen von Hospitalismus zeigt, die Sequenz, als Michael nach einem (ungeplanten) Krankenhausaufenthalt wieder in den Keller geht, er den Jungen schon verzweifelt gegen die Tür klopfen hört und sich dann entscheidet, erstmal wieder rauf zugehen. Das ist so bitter, nur so dezent angedeutet, dass das wahre Grauen erkannt werden muss. In dieser extremen Zurückhaltenheit droht sich "Michael" zwischenzeitlich sogar zu verlieren, nur gibt es dann immer diese Punktlandungen, die den Zuschauer schonungslos wieder zurückholt. Ein grandioser Moment ist das Aufstellen des Hochbetts und was darauf folgen soll (die Reaktion von Michael, nachdem sein eigentliches Vorhaben scheitert, ist sensationell und super eingefangen). 


Trotz einiger Längen schockiert "Michael" besonders in seinem Finale. Warum, darf ich einfach nicht erläutern, obwohl ich es so gerne würde. Nur soviel: Wie quälend ausgedehnt das inszeniert wird, mit dem Wissen des Zuschauers gespielt wird, ist sehr schmerzhaft. Ein leiser, versteckt brutaler Film mit der Liebe zum Detail. Schont nicht, nur schmiert es auch nicht auf's Brot.

8 von 10 unnötigen Hochbetten


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