Review: DIE LETZTE FRONT-DEFENDERS OF RIGA – Lettisches Pearl Harbor auf TV-Niveau



Fakten:
Die letzte Front – Defenders of Riga (Rigas sargi)
Lettland. 2007. Regie: Aigars Grauba. Nuch: Andris Kolbergs, Lisa Eichhorn.  Mit: Janis Reinars, Elita Klavina, Girts Krumins, Romualds Ancans, Girts Kesteris, Andris Keiss u.a. Länge: 118 Minuten. FSK: Ab 16 Jahren freigegeben. Ab 25. März auf DVD und Blu-Ray erhältlich.


Story:
Lettland, 1. Weltkrieg. Martin meldet sich kurz vor seiner Hochzeit mit Elza wie viele andere Männer freiwillig zur Armee, um die lettische Unabhängigkeit zu erkämpfen. Dies gelingt, doch nach seiner  Rückkehr ist Elza abweisend und die Beziehung bröckelt, also muss er sie wieder kitten. Doch das scheint leichter gesagt als getan, zumal die Eiserne Division unter General von der Goltz trotz der Kapitulation der Deutschen anscheinend nichts davon hält und Marsch auf Riga nimmt. Martin muss abermals in den Kampf, um sein neu gegründetes Heimatland zu beschützen.





Meinung:
Es beginnt mit dem Aufruf zum Widerstand. Die Bevölkerung Lettlands will im 1. Weltkrieg die Chance nutzen und endlich die Unabhängigkeit gegen die Deutschen erringen. Das scheint auch zu funktionieren – Deutschland wurde besiegt, Lettland gründete eine eigene Nation. Aber in Europa scheint das niemanden zu kümmern und das neue Lettland muss sich gegen weitere militärische Gefahren wehren. Eine historisch hierzulande weitestgehend unbekannte Episode aus den Nachwehen des ersten Weltkrieges. In der Schule erfährt man sicher nicht davon, selbst im Geschichtsstudium wird dies, wenn überhaupt, nur in einem Nebensatz abgehandelt. Insofern bietet „Die letzte Front – Defenders of Riga“ einen interessanten Einblick in einen unbekannten Abschnitt dieses ersten großen Krieges der Weltgeschichte. Soweit ich das beurteilen kann, ist der historische Ablauf zwar nur in groben Zügen und oberflächlich, aber doch richtig dargestellt. Allerdings wird in den Details zu oft auf die Tränendrüse gedrückt, während der Pathos an jeder Sekunde der Filmrolle hängt.


Wird die Liebe zwischen Elza und Martin weiterbestehen?
Dazu steht eine Liebesgeschichte zwischen Martin und Elza im Mittelpunkt. Liebe, die vergeht, Heimkehr nach dem Krieg, Entfremdung – und schließlich kann diese erkaltete Beziehung auch nur durch übertriebene Ehre und Patriotismus neu entflammt werden. Leider lässt dies den historischen Hintergrund nur noch zu einem beinahe belanglosen Randthema werden. Dazu wird eben sehr viel mit Pathos gearbeitet. Große, schwülstige Worte werden den oft einfachen Menschen in den Mund gelegt, die so einfach nicht authentisch wirken. Es wird von Ehre und Opfer für die Heimat und die Freiheit gesprochen, ohne dass für einen Außenstehenden, also einen Nicht-Letten, je wirklich deutlich wird, warum die Letten überhaupt ihre Unabhängigkeit erreichen wollen. Aufgesetzte Gefühle, Tränen, Ehre Patriotismus und Schwulst ziehen sich wie ein roter Faden durch jede Szene. Manchmal passt dies durchaus, aber leider nicht allzu oft.


Die komplette Darstellerriege zeichnet sich in erster Linie durch übertriebenes und doch gekünsteltes Spiel aus. Manchmal scheint es zwar zu wirken, doch die meiste Zeit wirkt es fehl am Platze. Hauptdarsteller Janis Reinis, optisch eine Mischung aus Harvey Keitel und Liam Neeson der frühen Neunziger, kann den Film nicht tragen. Unterstützung durch seine  Filmfrau Elita Klavina oder durch einen der anderen Darsteller wird ihm aber auch nicht zu Teil. Die deutschen Soldaten der „Eisernen Division“, die unter der Führung von General von der Goltz das Ende des Krieges nicht akzeptieren können und auf eigene Faust auf das ehemals deutsche Riga marschieren, sind zu sehr eine Karikatur auf einen Soldaten, als dass man sie ernst nehmen könnte. Die Russen übrigens genauso wenig.


Die jungen Männer Lettlands melden sich zum Krieg
Technisch scheint der ganze Film mit einer Art Milchglas vor der Kamera gedreht worden zu sein. Merkwürdig dumpf und dadurch mit eine großen Unnatürlichkeit ist dies aber nicht sein einziges Problem. Die Bewegungen im Film sehen nämlich ebenfalls sehr unecht aus, sehr künstlich, ähnlich, wie in den Hobbit-Filmen oder in einer billigen Soap in unserer Fernsehlandschaft. Die Musik ist ebenfalls nicht berauschend. Immerhin sind die leider zu wenig gezeigten kriegerischen Angriffe ganz gut gefilmt. Und glücklicherweise werden gegen Ende des Filmes die Szenen zwischen dem Paar Martin und Elza weniger und die Verteidigung Rigas etwas wichtiger genommen. Dennoch bleibt die Spannung gänzlich auf der Strecke.


Dass der Film in Lettland gut angekommen ist und sogar zum erfolgreichsten lettischen Kinofilm aller Zeiten aufgestiegen ist, das verwundert nicht und ist verständlich. Immerhin geht es um eines der wichtigsten, wahrscheinlich das wichtigste Kapitel in der lettischen Geschichte. Der Kampf um die eigene Unabhängigkeit, die eigene Freiheit. Ein Film von Letten für Letten über Letten und Lettland. Viel Patriotismus, viel (berechtigter) Nationalstolz. Außerhalb Lettlands wird dieser Film aber kaum eine Menschenseele interessieren. Die Geschichte ist zu unbekannt und vor allem ist „Defenders of Riga“ einfach zu sehr wie ein schlechter Fernsehfilm gemacht, zu spannungslos, zu langweilig, optisch schwach und extrem konstruiert. Ohne den persönlichen, nationalen Bezug eines Letten plätschert der Film einfach nur uninteressant und anstrengend vor sich hin. Ein Film, der ein interessantes Ereignis verdammt schlecht thematisiert.


  2,5 von 10 geopferte Leben für das Vaterland

1 Kommentar:

  1. Der Film ist insofern nicht ganz uninteressant, da er eine Thematik beleuchtet, die den meisten Westeuropäern völlig unbekannt sein dürfte, nämlich die Kämpfe im Baltikum 1919 und die Entstehungsgeschichte der Unabhängigkeit der baltischen Staaten, vormehmlich Lettlands, denn hier fanden die Kämpfe fast auschließlich statt.
    Daher verwundert es nicht, daß er in Lettland recht erfolgreich war oder ist, aber historsich gesehen ist es nicht so ganz korrekt dargestellt.
    Die Verteidigung von Riga war keine Verteidigung durch eine selbstorganisierte Bürgermiliz, wie es sich so darstellt, denn die hätte gegen die Freikorpstruppen kaum eine Chance gehabt, sondern es war die Verteidigung von durch England ausgerüstete, ausgebildete und bewaffnete lettischen und estnische Truppenteilen, die hinsichtlich Anzahl und Bewaffnung den Freikorpstruppen überlegen waren, da die deutsche Reichsregierung Anwerbung von Freiwilligen für das Baltikumabenteuer und auch Nachschub für die Freikorps auf Druck der Entente unterbunden hatte und sogar mit Entzug der deutschen Staatsangehörigkeite drohte, falls die Soldaten nicht nach Deutschland zurückkehren sollten, was auch einige taten, denn sie waren für den Kampf gegen den Bolschewismus angeworben worden und nicht für die Aufrechterhaltung der Privilegien der baltischen Barone, die im Baltikum die Oberschicht repräsentierten.
    Von der Goltz kommt ganz gut rüber, denn er war zuletzt eher ein Kriegsunternehmer und Landsknechtsführer wie im 30zigjährigen Krieg, der zuletzt mehr oder weniger eine Art Privatkrieg im Baltikum führte und sich von der deutschen Obersten Heeresleitung kaum noch etwas sagen ließ.
    Der Film ist etwas Hollywood rührseelig, man hätte es sicher auch anders machen können, aber die Frage ist natürlich immer, für welches Publikum der Film sein soll, zumal lettische Filme auch im Ausland völlig unbekannt sind.
    Allerdings sollte man sich, wenn man sich den Film anschauen will, etwas über die historischen Gegebenheiten informieren.

    AntwortenLöschen