Review: THE WRESTLER - Ruhm ist vergänglich, Stolz unsterblich


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Fakten:
The Wrestler
USA, 2008. Regie: Darren Aronofsky. Buch: Robert D. Siegel. Mit: Mickey Rourke, Marisa Tomie, Evan Rachel Wood, Mark Magolis, Todd Barry, Wass Stevens, Judah Friedlander, Ernest Miller, Dylan Summers u.a. Länge: 105 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
In den 80ern war Randy „The Ram“ Robinson einer der größten Stars im Pro-Wrestling, füllte Hallen und lockte Millionen Zuschauer vor die Fernseher. Zwanzig Jahre später steigt er immer noch in den Ring, doch die Zeiten haben sich geändert. Heute kämpft er in Turnhallen vor einer Hand voll Leuten, lebt in einem Trailerpark und muss unter der Woche einem schlecht bezahlten Job nachgehen. Als er nach einer Show einen Herzinfarkt erleidet, muss er seine Passion endgültig aufgeben. Er versucht sich an einem normalen Leben, sich wieder seiner entfremdeten Tochter anzunähren und eine Beziehung zu der Stripperin Cassidy aufzubauen. Doch die Welt abseits der Ringseile war nie seine, ist sie immer noch nicht und wird sie niemals sein.





Meinung:
Regisseur Darren Aronofsky und Autor Robert D. Siegel haben einen außergewöhnlichen Film auf die Beine gestellt, in vielerlei Hinsicht. „The Wrestler“ wirft nicht nur einen ernüchternden und traurigen Blick hinter die Fassade der nach außen immer so schillernden Welt des Wrestling-Zirkus, zeigt den tiefen Fall eines ihrer Gladiatoren, der so stellvertretend ist für viele reale Vorbilder (der Film orientiert sich grob am Leben der Wrestling-Legende „Macho Man“ Randy Savage, könnte jedoch ebenso auf mindestens zwei Dutzend andere ehemalige Ring-Helden übertragen werden), darüberhinaus aber einen noch viel tieferen Blick in die Seele eines Menschen. Die von Randy „The Ram“, unfassbar dargestellt von Mickey Rourke. „Dargestellt“ ist eigentlich der vollkommen falsche Begriff, selbst „verkörpert“ wäre zu wenig. Rourke lebt und lässt diese Rolle erleben, die eine Menge von ihm selbst beinhaltet. Es hätte auch ein Film über sein Leben sein können, so unglaublich viel steckt aus Rourkes ähnlich verlaufener Karriere in der Handlung, in seiner Figur, und genau das spürt man in jeder Sekunde.


Nur im Ring hebt Randy ab.
Die Kamera folgt bis auf eine einzige, kurze Szene ausschließlich Randy, lässt uns in vielen Momenten sogar direkt über seine Schulter blicken und somit mitten in die Überreste seiner Existenz. Einst ein gefeierter Held, nun ein gebrochener Mann. Körperlich am Ende, mit Narben übersät, auf einem Ohr taub. Trotzdem steigt er jedes Wochenende wieder in den Ring, schindet sich für ein paar lumpige Dollar in einer winzigen Sporthalle, lässt sich in blutigen Fights mit Stacheldraht und Tackern verunstalten, nur für diese kurzen Momente des Ruhms, die ihm das Leben da draußen nicht bieten kann. Dort ist er ein Niemand, der belächelt wird, in einem Trailer haust und alles verloren hat, was er jemals hatte. Dieses Szenario wird ungeschminkt reale aufgezeigt, ohne künstliches Tam-Tam und bewusst sehr nüchtern, manchmal extrem langsam und ruhig vorgetragen, um dann wieder in physisch grandios choreographierten Ring-Schlachten und emotionalen Momente zu explodieren, die – und gerade das ist so wunderbar – nicht pathetisch, kitschig oder aufdringlich ausgeschlachtet werden, sondern in ihrer perfekten Inszenierung, empathischen und darstellerischen Wucht so einschlagen wie ein Power-Slam. Es kommt nicht zu aufgeblasenen Gefühls-Duselein, dafür zu ergreifenden, klug beobachteten und punktgenau eingefangenen wie geschriebenen Momenten, die eine Gänsehaut erzeugen. Von der schauderhaften „Autogrammstunde der Legenden“, die einer Bettelstunde eines Veteranen-Lazaretts gleichkommt, dem zu tiefst ergreifenden Gespräch zwischen Vater und Tochter in den Ruinen der glücklichen Zeit, dem „Einmarsch“ an die Feinkosttheke, dem letzten Blick zurück und dem perfekten Schlusspunkt, der lange nachwirkt. Das alles ist ganz großes, kleines Kino, welches nicht verschönt und nichts übertreibt und dabei so ehrlich und berührend ist, wie es die großen Hollywood-Produktionen niemals schaffen (können?).


Nur noch Blut, Schweiß und Stolz.
Das alles wird zusammengehalten von Mickey Rourke, der diese Rolle fast nicht gespielt hätte. Nicolas Cage und Sylvester Stallone waren im Gespräch, Aronofsky entschied sich für Rourke und wurde belohnt. Der Mann war lange weg vom Fenster, hatte seine Karriere schon selbst beerdigt, sein Gesicht durch katastrophale „Schönheits“-Ops und auch eine Box-Karriere zu Klump verarbeitet, um nun all diese Tiefschläge in dieser Rolle zu verarbeiten. Er weiß, was er da spielt. Das ist zum Teil seine Geschichte, sein verwittertes, (selbst)zerstörtes Gesicht passt so unglaublich und spricht Bände. Niemand hätte das so bringen können und Rourke gibt Vollgas. Wenn Randy in seinem Trailer sitzt und auf einem NES sich selbst in einem veralteten Videospiel spielt, könnte man sich auch Rourke Jahre vorher vorstellen, wie er sich auf verwaschenen VHS-Bändern seine Werke aus den 80ern ansieht. Hätte er nur dieses Comeback genutzt, die Tendenz seiner Karriere geht abermals nach unten. Nochmal bekommt er diese Chance sicher nicht.


Lieber als Held sterben oder als Niemand leben? Diese Frage beantwortet „The Wrestler“ nicht mit einem Ausrufezeichen, er zeigt nur, was seine Hauptfigur davon hält...und lässt es uns verstehen. Kraftvoll, wuchtig, still, leise, traurig, schön.

9 von 10 Narben auf Körper und Seele

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