Review: MAN OF TAI CHI – Manche Träume sollten unerfüllt bleiben



Fakten:
Man of Tai Chi
CN/HK/USA. 2013. Regie: Keanu Reeves. Buch: Michael G. Cooney. Mit: Tiger Hu Chen, Keanu Reeves, Iko Uwais, Karen Mok, Hai Yu, Simon Yam, Jeremy Marinas, Brahim Achabbakhe u.a. Länge: 105 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Ab 17. Juli 2014 auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Chen ist ein Meister der Kampfkunst und doch immer noch Schüler seines Meisters. Als dieser jedoch in Geldnot gerät nimmt er das Angebot des zwielichtigen Donaka Mark an und wird Teilnehmer in einem geheimnisvollen Kampfturnier.





Meinung:
Zuletzt war es der chinesische Sonnenbrillenfetischst Kar Wai Wong, der sich mit seiner Huldigung des Wing Chun-Großmeisters Yip Man „The Grandmaster“ nicht nur ein langjähriges Wunschprojekt verwirklichte, er gewährte dem Zuschauer auch einen Blick in die intime Lebensphilosophie seiner selbst. Das Resümee fiel dann zwar nicht unbedingt vernichtend aus, die Enttäuschung über Wongs ästhetisierten Flickenteppich war dennoch enorm. Gleiches gilt auch für RZA's ultrabrutale Eastern-Hommage „The Man with the Iron Fists“, die mit pumpender Wu-Tang-Musik im Schlepptau zwar für einen interessanten Kontrast sorgte, als Gesamtwerk auch mit einer sympathischen Grundmotivation daherkommt, letzten Endes aber an der Unerfahrenheit RZA's zerschellte und durch die dilettantische Narration und der überladenden Inszenierung schnell jeden Reiz verspielte. Aber nicht nur Kar Wai Wong und RZA träumten schon seit frühster Kindheit davon, irgendwann mal einen ganz eigenen Film auf die Beine zu stellen, der dem traditionellen Stil fernöstlicher Kampfsportfilme huldigt. Auch Anti-Mime Keanu Reeves („Matrix“) hat sich nun mit „Man of Tai Chi“ diesen Traum erfüllen dürfen.


Kille,kille, kille
„Man of Tai Chi“ wäre aus technischer Sicht wohl ein interessanter Film gewesen, hätte das Budget für die geplanten Bodykameras ausgereicht, die wie Exoskelette um die drahtigen Leibe der Fighter geschnallt worden wären und so das Bestmögliche in Sachen kinetischer Energie aus den nach wie vor vorzüglich choreografierten und fotografierten Kampfszenen herausgeholt hätten. Und genau dort liegen auch wenig überraschend die Stärken von „Man of Tai Chi“ begraben: Wenn es zum Schlagabtausch im Ring (oder auch mal außerhalb) kommt, weiß Keanu Reeves genau, wie er diese inszenieren und in Szene setzen muss. Martial-Arts-Fans kommen fraglos auf ihre Kosten, wie auch Reeves seine Begeisterung für das Taijiquan erkennbar zum Ausdruck bringen kann und adäquat in Form gießt. Mit dem Stuntman Tiger Hu Chen in der tragenden Hauptrolle, den Keanu Reeves während der Dreharbeit zum Cyberpunk-Klassiker „Matrix“ kennenlernte, hat der in Beirut geborene Star tatsächlich eine – betrachtet man das Ganze aus dem physisch-athletischen Blickwinkel – sehr gute Wahl getroffen. Doch „Man of Tai Chi“ möchte mehr erreichen.


Kampftechnik Nr. 442: romantischer Blickkontakt
Immer wieder lässt das Drehbuch die Schauspieler in salbungsvollen Dia- und Monologen darüber sinnieren, welch ungemein philosophische und spirituelle Impulsivität die Essenz des Tai-Chi doch atmet: Kraft, als körperlicher Attribut, kann nur dann von echtem Nutzen sein, wenn man sie durch ein sortiertes Chi kontrolliert und entfaltet wird; durch die Verneinung von Körper und Geist, von Ying und Yang. Und der Weg dorthin führt unentwegt über die Meditation, über die Suche nach der eigenen Mitte. „Man of Tai Chi“ frönt damit das Altmodische, das Tradierte, um es durch die Person des nihilistischen Donaka Mark (Keanu Reeves) und seinem illegalen Fight Club mit dem modernen Zeitwesen geradewegs zu konfrontieren, dem es nicht um die Kunst des Kampfes, der Bewegung geht, sondern rein um das bestialische Töten. Durch diesen Fight Club versucht das Drehbuch eine Meta-Ebene in den Film einzubauen, in dem sich Protagonist Hu Chen unwissend und ohne eigennützigen Hintergedanken auf Donaka einlässt und das Opfer der sensationslüsternen Zeitrechnung wird: Sein Leben wird von nun an auf Schritt und Tritt von versteckten Kameras verfolgt, und macht sich zum Ziel zu zeigen, wie diese unschuldige Seele, dieser Mann reinen Herzens zur Bestie wird.


Diese psychologische und medien- wie konsumkritische Komponenten aber bleiben bloße Behauptungen und dienen als nutzloser Selbstzweck ohne jedes reflexive Profil. Genau wie die lustlos eingeschobene Lovestory, die nur dabei ist, weil dergleichen wohl immer dabei sein muss. In Wahrheit ist „Man of Tai Chi“ nur darauf aus, sich von einer Kampfszene schnellst möglichst zur nächsten Kampfszene zu hangeln, während sich das eigentliche Handlungsgerüst als dröger Trugschluss identifizieren lässt. Etwas überheblich, oder? Am Ende, wenn Keanu Reeves dann auch noch grimassierend die Fäuste tanzen lassen darf, kommt „Man of Tai Chi“ irgendwann zu dem Entschluss, dass das Moderne neben dem Traditionellen eigentlich doch existieren kann, natürlich in einer rein legalen und den Spirit der Kampfkunst preisenden Art und Weise. Aha.


4 von 10 unfairen Tiefschlägen


von souli

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