Review: DAS SCHWEIGEN DER LÄMMER - Seelenstriptease vor dem Monster

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Fakten:
Das Schweigen der Lämmer (The Silence of the Lambs)
USA, 1991. Regie: Jonathan Demme. Buch: Ted Tally. Mit: Jodie Foster, Anthony Hopkins, Scott Glenn, Ted Levine, Anthony Heald, Brooke Smith, Charles Napier, Frankie Faison, Kasi Lemmons, Roger Corman u.a. Länge: 114 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Die junge FBI-Auszubildende Clarice Starling ist auf der Jagd nach dem Serienkiller Buffalo Bill. Die Ermittlungen stecken in einer Sackgasse. Deshalb soll Starling, wie einst Will Graham, den inhaftierten Dr. Hannibal Lecter zu Rate ziehen. Ein genialer Psychiater, der selbst wegen mehrerer Morde und Kannibalismus in Haft sitzt. Lecter verfügt über die Gabe, sich in die Seele und Gedankengänge anderer Menschen zu versetzen. Er willigt einer Zusammenarbeit ein, fordert dafür aber auch etwas von Starling ein. Die hat kaum eine Wahl und öffnet sich dem Monster mehr, als ihr klar ist.






Meinung:
"Die Lämmer haben geschriehen."

Der Erfolg von "Das Schweigen der Lämmer" ist durchaus erstaunlich. Nicht auf die Qualität der Verfilmung des Romans von Thomas Harris gemünzt, sondern auf seine Thematik an sich. Fünf Oscars kassierte der Film von Jonathan Demme und schaffte damit, die breite Masse für einen Film zu begeistern, der sonst wohl eher als Genre-Happen geendet wäre. Muss nichts schlechtes sein, nur schön zu sehen, dass es auch anders geht.


Vorsicht, bissig.
Demme, der danach noch den hochgelobten "Philadelphia" nachschob und anschliessend keine übergroße Rolle mehr spielte, gelang mit der Umsetzung des zweiten Romans des Hannibal-Lecter-Zyklus der ganz große Wurf. Die Verfilmung vom literarischen Vorgänger "Roter Drache" ("Manhunter") durch Michael Mann war 5 Jahre vorher kommerziell durchgefallen und somit hätte wohl kaum jemand im Vorfeld auf diesen Erfolg Wetten abgeschlossen. Demmes Film war sicherlich zur richtigen Zeit am richtigen Ort, geht aber auch auf Nummer sicher und ist weit weniger experimenteller inszeniert als "Manhunter". Vergleicht man hier die reine Regieleistung von Demme und Mann, ist Mann der klare Punktsieger. Insgesamt. Doch was Demme perfekt gelingt, ist die Fokussierung auf die Momente, die langfristig im Gedächtnis bleiben und der Vorlage geschuldet sind. Denn nun rückt Dr. Lecter mehr in den Vordergrund und die Szenen mit ihm und dem ehrgeizigen, gleichzeitig von inneren Dämonen zerfressenen FBI-Küken Clarice Starling sind das Prunkstück von "Das Schweigen der Lämmer".


Dem genialen Tier in Menschengestalt wird ein junges Lamm zur seelischen Schlachtbank geführt, leichte Beute für das manipulative Monster, das hinter Plexiglas nur auf seine Chance lauert, endlich wieder in den Genuss von frischer Leber mit Faberbohnen und einem ausgezeichneten Glas Chianti zu kommen. Was dann passiert, wird nur in wenigen Momenten erfasst, wird die Handlung der Fortsetzung "Hannibal" maßgeblich prägen und ist tatsächlich interessanter, als die eigentliche Killerjagd. Zwischen dem eloquenten Gentleman mit dezent soziopathischen Zügen und der verbissenen Ermittlerin entsteht eine Beziehung, die von einer Seite rein zweckdienlich ist, von der anderen Seite zur Obsession wird. 


Im Gespräch mit der Bestie.
Jetzt kommen die Darsteller ins Spiel, ohne die "Das Schweigen der Lämmer" wohl nie so weit gekommen wäre: Jodie Foster und dem wohl kleinsten (bezogen auf die eigentliche Screentime) Hauptdarsteller aller Zeiten, Anthony Hopkins. Idealbesetzungen in allen Belangen. Foster verkörpert ihre Figur mit der harten Schale und dem verletzten Kern bis in jede Nuance perfekt. Und was Hopkins da veranstaltet, ist im wahrsten Sinne des Wortes unheimlich. Sein stechender, gieriger Blick geht von der ersten Sekunde an unter die Haut und direkt in die Seele. Er verschmilzt mit der Rolle. Jeder würde ihm sofort abnehmen, dass er seine Gedanken lesen kann, sich von seinen Ängsten ernährt und sie gnadenlos durch den Fleischwolf dreht. Einfach, weil er es kann und daran Spaß hat. Selten wurde so ein bedrohliches Ungeheuer mit so einer Perfektion verkörpert. Das ist gerade das Kunststück von Hopkins: Obwohl er nur wenige Szenen hat, ist er dauerpräsent und niemand würde im ersten Moment realisieren, wie klein seine Rolle (rein physisch) doch eigentlich ist. Wie ein böser Geist ist er allgegenwärtig und in den Momenten so wichtig und eindringlich, dass die Realität kurz Pause hat. Genau dann ist die Inszenierung von Demme auch perfekt, ohne auf große Spielerein zurückzugreifen (was er einfach auch nicht muss). Er überlässt Foster und Hopkins die Bühne, nur darum bemüht, Gestiken und Mimiken gezielt einzufangen und das Wortduell für sich sprechen zu lassen. Immer wieder beeindruckend.


Wer würde ihm nicht über den Weg trauen?
Dagegen fällt die Handlung drumherum fast etwas runter. Da ist "Das Schweigen der Lämmer" auch nicht überragend, aber immer auf sehr gutem Niveau. Etwas unfair, das so abzuwerten, aber der Vergleich lässt kaum etwas anderes zu. Dennoch im Ganzen ein starkes Stück. Die Story ist böse, spannend und in vielen Details auch ohne Hopkins und Foster einprägsam ("Es muss sich mit der Lotion einreiben") und besonders das Finale besticht durch eine dichte Inszenierung. Für Mainstream-Thriller-Kino ist das mehr als außergewöhnlich, von der Handlung wie den wenigen, dafür ziemlich garstigen Momenten. Wenn alles das Niveau von den Sahnestücken hätte, wäre alles andere als die Höchstwertung indiskutabel. Da dem nicht so ist und mit einer individuelleren Regie (beispielsweise eines Michael Mann) hier noch mehr machbar gewesen wäre, leichter Abzug. "Das Schweigen der Lämmer" ist zum Teil zeitlos brillant und mal einfach nur sehr gut. Aber wer kann das schon von sich behaupten?

8,5 von 10 Faberbohnen

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