Fakten: USA. 2015. Regie: Joe Lynch. Buch: Yale Hannon. Mit: Salma Hayek, Akie Kotabe, Laura Cepeda, Jennifer Blanc, Togo Igawa,
Gabriella Wright, Masashi Fujimoto u.a. Länge: 90 Minuten. FSK: freigegeben ab
18 Jahren. Ab dem 29. Mai 2015 auf DVD und Blu-Ray erhältlich.
Story:
Everly ist eine Prostituierte und hat ihren Ex-Mann,
einen japanischen Gangsterboss, verärgert, weshalb dieser nun einen Killer nach
dem anderen in ihre Wohnung schickt. Der Rest ist Geballer und Rauch.
Meinung:
Es war vor zwanzig Jahren, dass Salma Hayek durch ihre
Rollen in den beiden Filmen „Desperado“ und „From Dusk Till Dawn“ von Robert
Rodriguez einem breiteren Publikum bekannt wurde und mit ihren Kurven Eindruck
schinden konnte. In den letzten Jahren hat sie dagegen vermehrt in Komödien und
leichterer Kost mitgewirkt. Nun ist sie also zurück und mimt eine
Prostituierte, die von ihrem Ex einen Killer nach dem nächsten auf den Hals
gejagt bekommt. Und in den ersten Minuten kommt man nicht umhin, um das
zustimmende Nicken. Ja, irgendwie war das mal wieder nötig, die Hayek mit
Wummen durch das Bild zu jagen.
Zielsicher: Everly
Diesen Gedanken wird auch Regisseur Joe Lynch gehabt zu haben, weshalb er das
Budget und die Zeit mit Salma Hayek mit einem breiten Grinsen bin zum Äußersten
ausnutzt. Aber zunächst zeigt Lynch etwas nicht. Nämlich die Vergewaltigung von
Everly. Der Ton lässt den Zuschauer wissen, was sich hinter den schwarzen
Bildern verbirgt und eben diese Entscheidung, die Tat ungezeigt zu lassen,
zeugt davon, dass Lynch sich durchaus einige Gedanken über den Film gemacht
hat. Dass Vergewaltigungen keine Schauwerte besitzen ist jedem bewusst. Sie zu
zeigen, würde die restlichen Minuten in ein komplett anderes Licht rücken - und
die folgenden Gewalttaten erbärmlich deplatziert wirken lassen. Gut gemacht,
Herr Regisseur, weiter so. Die nächsten zwanzig Minuten des Filmes sind
atemloses, lustiges Geballer. Ist einer/ eine tot, kommt schon Nachschub,
bereit, Everlys Bestie anzustacheln und auf die Probe zu stellen. Eine Frau im Selbstverteidigungsmodus,
die von ihrem Ex-Mann kleingehalten und unterdrückt wird. Salma Hayek setzt
sich seit Jahren aktiv für Feminismus und härtere Strafen bei Gewalt im
Haushalt ein. Dennoch wäre es wohl vermessen, dem Film wirklich einen tieferen
Sinn anzudichten, dafür ist der gesamte Film bei Weitem zu absurd. Frauenpower
gibt es aber und das nicht zu knapp.
Everly bei der Arbeit
Und wenn Salma Hayek in einem Negligee gekleidet in ihrer Bude über zahlreiche
Leichen von weiteren Huren und japanischen Gangstern stolpert und im
Sekundentakt vom „badass“-Modus zur „Iiiih-Blut“-Einstellung schwankt, dann
haben nicht nur die Beteiligten, sondern auch der Zuschauer Spaß. Selbst wenn
der Film in Momenten viel zu sehr auf „kultig“ gebürstet ist und sich ganz
krampfhaft cool präsentiert. Die Referenzen an das Kino des Quentin Tarantino
sind alles andere als rar gesät und gehen manchmal über die bloße Hommage
hinaus und verkommen zur Abkupferung jeglicher Filme, die der Herr seit 1994
veröffentlicht hat. „Kill Bill“ wird am deutlichsten kopiert, aber es gibt auch
Elemente aus „Pulp Fiction, „Inglourious Basterds“ und „Django Unchained“.
Manchmal verliert Lynch seinen eigenen Film dabei aus den Augen - nicht
inszenatorisch, aber dramaturgisch. Dahingehend ist der Film nämlich leider enttäuschend.
Die kammerspielartige Beschränkung der Handlungsorte hat seinen Reiz, ist aber
letztendlich halbgar ausgeführt. Da wäre einiges mehr drin gewesen. Aber
dennoch vergehen die ersten 70 Minuten wie im Flug, weil immer etwas passiert
und immer irgendjemand ankommt, um sein Magazin oder irgendwelche Flakons zu
entleeren. Mal sind es namenlose Yakuza, die fahrstuhlweise angeschafft werden
(was manchmal eher schlecht als recht ausgeht), mal ist es ein Pai
Mei-Verschnitt namens The Sadist. Genau.
Frauen wissen, wie man Dispute aus dem Weg räumt
Tarantino ist jedoch nicht der einzige, von dessen Arbeit sich hier
offensichtlich bedient wird. Ohne Robert Rodriguez-Einfluss würde ja schon
irgendwie irgendwas fehlen (passend, dass der Film von Dimension vertrieben
wird) und selbst der Humor der beiden, der vor ein paar Jahren schon in „The
Cabin in the Woods“ wunderbar funktioniert hat, ist auch hier immer wieder zu
entdecken. Sei es das Verschwinden von dem zum Tode Geweihten aus dem
Bildframe, ein Hund der leider nicht sein Spielzeug zu fassen bekommt oder die
Art und Weise, wie die rote Suppe durch den Schlitz der Fahrstuhltüren
geschossen kommt. Tiefschwarz, ekelhaft, makaber, aber auch irgendwie so
überraschend frech, dass man nicht widerstehen kann. Es sind nämlich diese
Momente, in denen sich Action und Humor liebevoll die Hand reichen und alles
passend machen, was nicht passen soll. Denn dann räumt Everly ihre Bude auf
(was in diesem Fall heißt, dass sie Blut und Gedärme aufsammelt) und all das
wird mit fröhlichen Weihnachtssongs hinterlegt. Schließlich ist sie beim
Hausputz, denn Oma und Tochter sind auf dem Weg zu ihr. Das alles ist natürlich
Gewaltverherrlichung hoch 10, aber genau so konsequent wie hier die
Schießbudenfiguren umgenietet werden, zieht der Film seine Nummer bis zum
richtigen Finale durch. Das Finale jedoch ist seltsam lahm und verkrampft
geworden und verliert die „erst ballern, dann ballern“-Mentalität der
vorangegangenen Minuten.
„Everly“ ist Grindhouse B-Movie-Genrekost vom Feinsten, vereint interessant
inszenierte Bilder mit bösem Humor und schöpft Budget und Zeit voll und ganz
aus, im Gegensatz zur Dramaturgie. Wem Exploitation zusagt, der kann hier
bedenkenlos zugreifen, wer Salma Hayek mal wieder mit Waffen in engen Stoffen
durchs Bild rennen sehen wollte, ebenso. Die 90 Minuten sind weder schlau, noch
weltbewegend, könnten aber kurzweiliger nicht sein und sind in ihrer
Konsequenz, mit den technischen Spielereien und dem Humor irgendwie verdammt
sympathisch. Joe Lynch sammelt ordentlich Pluspunkte und schafft es anfangs noch
die nicht existente Handlung zu kaschieren, die nach dem Schema „erst der und
dann der und dann die und dann dasunddas“ funktioniert. Die Maxime des Filmes,
„Weil es schockt“, wird dem Zuschauer jedoch von Anfang an derart
offensichtlich auf die Stirn geknallt, dass man sich anstecken lässt von der
rohen Energie und dem Witz. Aber dennoch ist vorsichtig geboten: Für jedermann
ist der Film sicherlich nicht, dafür ist der Film von Anfang an zu brutal und
selbst nach einer Stunde wird noch einmal gehörig mit Geschmacklosigkeiten um
sich geworfen und an der Gore-Schraube gezogen. Was hat Lynch sonst noch so
gemacht? Ach, „Wrong Turn 2“. Die rote Plakette ist also mehr als
gerechtfertigt. Wen das nicht stört: Viel Spaß.
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