Review: DAS ERSTAUNLICHE LEBEN DES WALTER MITTY – Träume werden zur Wirklichkeit



Fakten:
Das erstaunliche Leben des Walter Mitty (The Secret Life Of Walter Mitty)
USA. 2013. Regie: Ben Stiller. Buch: Steve Conrad. Mit: Ben Stiller, Kristen Wiig, Shirley MacLaine, Adam Scott, Kathryn Hahn, Sean Penn, Patton Oswalt, Adrian Hernandez u.a. Länge: 114 Minuten. FSK: Ab 6 Jahren freigegeben.Ab 2. Mai 2014 auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Walter Mitty (Ben Stiller) lebt ein unscheinbares Leben. Er führt gewissenhaft sein Haushaltsbuch und versucht, über eine Internet-Datingseite an seine Arbeitskollegin und heimlichen Schwarm Cheryl (Kristen Wiig) heranzukommen. Doch er traut sich einfach nicht, sie anzusprechen. Stattdessen flüchtet er sich in Tagträume. Doch als das so wichtige Negativ 25 von Fotografenlegende Sean O’Connell (Sean Penn), das als Titelbild für die letzte Titelseite des LIFE-Magazins herhalten soll, nicht gefunden werden kann, da muss Walter seine Träumereien beenden und nun endlich selbst aktiv werden.





Meinung:
Ben Stiller ist vor allem bekannt aus zahlreichen (mal mehr, mal weniger) romantischen Komödien. Auch „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“ ist im Grunde nichts anderes. Der Film erzählt eine Liebesgeschichte. Die Liebesgeschichte eben jenes titelgebenden Walter Mitty zu seiner Arbeitskollegin Cheryl. Und lustig ist er auch. Also wieder eine Stiller-RomCom, von denen man nun wirklich viele gesehen hat.


Mit Aktenkoffer im grauen Alltag: Walter Mitty
Aber halt, irgendwas ist anders. Es ist nicht der übliche unterhaltsame, sympathische und flache Humor, den man sonst aus Stiller-Filmen kennt, sondern hier weht eine starke Brise Melancholie und Ernsthaftigkeit mit. Dieser Film hat nämlich zwei sehr wichtige Aussagen. Einerseits, dass man durch die Macht der Fantasie und seiner Träume den vielleicht grauen Alltag erträglicher gestalten kann. Fantasie als ein sehr hohes Gut des Menschen. Und als zweite Aussage, dass man es nicht nur bei den Träumen belassen soll, sondern auch selbst aufstehen und vor die Tür gehen, ja, selbst etwas erleben soll. Dass die Träume zur Wirklichkeit werden. Zwar sind diese Thesen wirklich wichtig, doch begeht der Film den Fehler, dass er die Fantasie irgendwann weitestgehend verdrängt. Lediglich das wahrhaftig Erlebte zählt noch. Natürlich ist die eigene Aktivität sehr wichtig und diese Aussage auch zu begrüßen, aber die Tagträume komplett aus den Leben zu verbannen, das halte ich dann ebenfalls für übertrieben. Denn Träume und Fantasie sind wichtig, um Ziele erreichen zu können. Und das geht Walter Mitty am Ende zu stark verloren, da nur noch das Hier und Jetzt, der Augenblick zählt.


Die hübsche Cheryl hat es ihm angetan
Die Hauptrolle als Walter Mitty spielt Regisseur Ben Stiller selbst und er wird mit großem Lob überschüttet. Er spiele vollkommen anders als in seinen bisherigen Filmen. Nun, tut er das wirklich? Ich glaube nein. Wie beinahe immer spielt er einen relativ schüchternen, zurückgezogenen Mann, der sich nicht viel in seinem Leben traut. Irgendwann fasst er dann einen Entschluss, der sein Leben verändert, der ihn vor harte Proben stellt, der ihn verändert. Tja, und am Ende ist er dann immer wieder der Gewinner. Oder ein veränderter Charakter. Er spielt seinen Walter Mitty nicht besser als einen Gaylord Focker oder einen Larry Daley („Nachts im Museum“). Auch nicht schlechter, klar. Aber diesen Rollentyp konnte er schon immer und das machte er auch schon immer sehr gut, sehr sympathisch. Vielleicht etwas besser, weil er auf diesem Selbstfindungstrip extremere Situationen überstehen muss. Aber deswegen gleich in riesengroße Jubelstürme auszubrechen, weil der Film mal ein bisschen ernsthafter und melancholischer ist, das muss dann auch nicht sein.


Kristen Wiig als gutaussehende Kollegin Cheryl spielt zwar ebenfalls sehr sympathisch, aber es wirkt alles sehr abgebrüht und solide. Viel mehr macht hier Shirley MacLaine als Walter Mittys Mutter Spaß. Eine alte Dame mit so viel Charme, Aufgeschlossenheit und Lebensfreude wie sie, das ist einfach wunderbar, für mich das schauspielerische Glanzlicht des Films. Sehr schön waren auch die beiden kurzen Auftritte von Sean Penn (sehr charismatisch) und Patton Oswalt (sehr witzig).


Und irgendwann erlebt er auch Abenteuer
Eindrucksvoll erscheinen die teilweise gigantischen Bilder aus der Natur. Ein Vulkanausbruch, der Blick auf die Schönheit Islands, der Himalaya mit seinen endlos in den Himmel ragenden Bergen, das Meer, Wasserfälle und vieles mehr. Selbst ein Naturmuffel wie ich bekommt hier große Augen. Diese Bilder, unterlegt mit toller Musik von Theodore Shapiro, sind ein fantastisches visuelles Erlebnis. Ebenfalls hervorragend inszeniert sind die Tagträume, die mit actiongeladenen Verfolgungsjagden oder sketchartigen Szenen aufwarten können. Auch die Farben des Films sind sehr auffällig. Extrem intensive, satte Farben lassen den Film besonders strahlen. Und immer scheint ein kleiner blau-Schimmer durch, der, besonders auf Walters Reise nach Grön- und Island, die Atmosphäre unterstreicht. Stiller inszeniert also den Film durchaus gekonnt.


Leider verwässern zu viel Product-Placement und das tatsächlich in einigen Szenen nervige Handy von Walter, mögen die Gespräche teilweise auch noch so lustig sein, den positiven Gesamteindruck. Auch die letzten geschätzt 25 Minuten hätten etwas mehr durchdacht, etwas ausgereifter sein können. Stattdessen werden sie zu überhastet abgespult und besonders über das endgültige Ende sollten wir vielleicht besser den Mantel des Schweigens legen. Auch, dass die Fantasie Walters am Ende vielleicht zu sehr verdrängt wird und diese „Abenteuerlust“ klar dominiert, ist dann auch nicht unbedingt nach meinem Geschmack. Aber dennoch ist „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“ ein sehenswerter Film, mit tollen Bildern, schöner Musik und guten Schauspielern, von denen für mich Shirley MacLaine die beste Figur abgibt. Die Geschichte ist hoffnungsvoll, verrennt sich aber am Ende zu sehr, wenn sie das Aktivsein zu Ungunsten der Fantasie und der Träume in den Vordergrund rückt.


7 von 10 Mandarinenkuchenstücke

2 Kommentare:

  1. Eine tolle und sehr ausführliche Filmkritik! Mich persönlich hat der Film sehr berührt (mehr dazu hier: http://www.leselink.de/filme/komoedie/das-erstaunliche-leben-des-walter-mitty.html ) und am Product Placement habe ich doch glatt vorbeigeguckt :). Ich fand sogar das Ende passend - insgesamt hat mich der Film sehr an ein Märchen erinnert, und da war es dann einfach "rund".

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    1. Vielen Dank :)
      Und ja, er hatte auf alle Fälle viele märchenhafte Elemente, die sehr schön waren ;)

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