KR, JP. 2016. Regie: Park
Chan-wook. Buch: Chung
Seo-kyung, Park Chan-wook, Sarah Waters (Romanvorlage). Mit: Kim
Min-hee, Kim Tae-ri, Ha Jung-woo, Cho Jin-woong, Kim Hae-sook, Moon So-ri u.a.
Länge: 145 Minuten. FSK: nicht geprüft. Ab 05. Januar 2017 im Kino.
Story:
Die Taschendiebin spielt in
den 1930er Jahren in einem von Japan kontrollierten Korea. Hier verliebt sich
eine reiche Erbin in eine Diebin, was in der Folge zu zahlreichen
Komplikationen und einigen sehr überraschenden Enthüllungen führt, die keine
der beiden Frauen unberührt lassen.
Meinung:
Der südkoreanische Regisseur und
Autor Park Chan-wook, der uns Werke
wie Oldboy oder Durst geschenkt hat, kehrt nach seinem Ausflug in die amerikanische
Filmbrache glücklicherweise (obgleich Stoker
kein kompletter Reinfall war) in seine Heimat zurück und inszeniert mit Die Taschendiebin (der im weiteren
Verlauf The Handmaiden genannt wird –
aus offensichtlichen Gründen) eine visuell betörend eingefangene und unheimlich
stimmig erzählte Thriller-Romanze, die man durch ihre ruhige Erzählstruktur und
dem feinfühligen Umgang mit der Mise en Scène guten Gewissens als sein
erwachsenstes Werk beschreiben könnte.
Strenge Sitten
Schon auf den ersten Blick
offenbart The Handmaiden eine
Vielzahl an optischen Reizen, sei es seine düstere Atmosphäre, die stilsicher
durchgetakteten Bilder oder die ungewohnt zurückhaltende Schauspielführung, aus
der nur gelegentlich das für asiatische Filme typisch Übertriebene und Skurrile
heraussticht. Doch nicht nur Freunde des visuellen Kinos werden an Parks neuestem Film Gefallen finden,
denn vor allem erzählerisch beweist der südkoreanische Filmemacher sein ganzes
Talent. Ähnlich wie sich die beiden Protagonistinnen Schicht für Schicht
entkleiden, tut es ihnen der in drei Akte unterteilte Film gleich – und unter
jeder Schicht offenbaren sich neue Blickwinkel, Wendungen und Sichtweisen. Die
zunächst simpel anmutende Geschichte wird dadurch zusehends interessanter und
offenbart erst spät ihre komplette Tragweite. Dabei ist vor allem Parks Blick für Kleinigkeiten von
Belang. Oftmals wird der Fokus nur für Sekunden auf ein Objekt gelegt oder eine
scheinbar nebensächliche Aktion verläuft im Hintergrund der Szenerie. Die wahre
Bedeutung des Gezeigten erschließt sich erst in einem späteren Kapitel und
ermöglicht neue Blickwinkel auf vorangegangene Ereignisse. Vor allem der
konsequent eingesetzte Perspektivwechsel trägt zu dieser behutsamen Erzählweise
bei.
Eine ungewohnte Umgebung
Wenn es gegen Ende des zweiten
Aktes dann zur emotionalen Befreiung der beiden Frauen kommt, dann gehört
dieser Moment zu den kraftvollsten der jüngeren Filmgeschichte. Von einem
wunderbaren Soundtrack untermalt treibt die Kamera unaufhaltsam vorwärts,
vermittelt spürbar die Euphorie und Kraft der Protagonistinnen und setzt damit
klar ein emanzipatorisches Ausrufezeichnen. Denn neben seiner äußerst fein und
behutsam konstruierten Thrillerstruktur ist The Handmaiden natürlich auch ein sehr emotionales Werk, welches
sich mit der untergeordneten Rolle der Frau im Japan und Korea der 1930er
beschäftigt. Dabei kontrastiert Park
gut den äußeren Widerspruch, der damalige Situation umspannt hat. Während sie
einerseits mit Samthandschuhen gepflegt, behütet und behandelt werden, bis sie
in Ausstrahlung, Aussehen und Verhalten von dermaßen nobler und vornehmer
Erscheinung sind, dass man fürchtet, sie würden bei jeder Berührung wie
Porzellan zerbrechen, werden sie hinter geschlossener Tür geschlagen,
eingesperrt, gedemütigt und zu lüsternen Zwecken vorgeführt. Den beiden
Hauptfiguren gibt Park jedoch eine
weitere Facette, indem er sie letztlich über ihre männliche Dominanz obsiegen
lässt und damit den Stellenwert der Frau unterstreicht. Ihre lesbische
Beziehung ist letztlich nicht mehr als die komplette Losgelöstheit von männlichen
Vormundschaft in ihrer eindringlichsten Form.
Einen Vorwurf, den sich The Handmaiden vor allem auf den
diesjährigen Filmfestspielen von Cannes immer wieder gefallen lassen musste,
war die Darstellung von lesbischen Sexszenen. Zugegebenermaßen erscheint die
allerletzte Szene des Werkes unnötig, doch in den gut zwei Stunden zuvor kommt
es wenn überhaupt zwei Mal zu Momenten, in denen eine intimere Beziehung
porträtiert wird. Und diese sind, dem stilisierten Grundton des Films
angepasst, zwar durchaus ästhetisiert, verkommen aber nie zu einem
voyeuristischen Zweck. Vielmehr bringen sie die Bewunderung, Leidenschaft und
auch Liebe der Frauen zueinander zum Ausdruck – und sind damit in letzter
Konsequenz gewiss nicht überflüssig.
Ich habe so das Gefühl, dass der heute bei uns in der Sneak laufen wird und werde mich morgen gehörig ärgern, nicht hingegangen zu sein.
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