Fakten:
The Gift
US. 2015. Buch und Regie: Joel
Edgerton. Mit: Joel Edgerton, Jason Bateman, Rebecca Hall, Tim Griffin, Allison
Tolman, Beau Knapp, David Denman, Busy Philipps, ua. Länge: 109 Minuten. FSK:
freigegeben ab 12 Jahren. Ab 13. Oktober auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:
Nach dem Umzug treffen Simon und
seine Frau Robyn zufällig auf Simons alten Schulkameraden Gordon. Er möchte
ihnen helfen, sich einzuleben. Schnell fühlen Simon und Robyn sich bedrängt und
schon bald nicht mehr sicher in den eigenen vier Wänden.
Meinung:
Joel Edgerton, den man wohl am
ehesten als Schauspieler aus „Warrior“ kennen mag, hat heimlich still und leise
immer wieder selbst mal ein Drehbuch auf die Beine gestellt. Schon ganze vier
Mal war er damit so erfolgreich, dass der Film produziert wurde. Nicht ohne
Überraschung las der Verfasser dieser Zeilen, dass Edgerton auch das Drehbuch
zum nicht unbekannten Film „The Rover“ mit Guy Pearce und Robert Pattinson
schrieb. Das bloße Tippen schien dem Herrn mit den Knopfaugen aber nicht genug
zu sein, denn mit „The Gift“ (Alternativtitel: „Weirdo“, auch ganz schön)
liefert The Edge zudem sein Regie-Debüt ab. Drehbuch, Regie, Schauspiel - das
heilige Triptychon, an dessen Ausführung schon viele scheitern sollten. Nicht
so Mr. Joel Edgerton.
Was ein netter Kerl...oder? |
Es wird hier wohl vielen so gehen,
dass sie Opfer falscher Erwartungen werden. Die Marketing-Kampagne war sehr
darauf ausgerichtet, ein leicht übertriebenes Bild von diesem Film zu zeichnen.
Das Ziel von „The Gift“ ist mitnichten das, ein
Home-Invasion-Terror-Stalker-Film zu werden, der es sich - wie andere Filme des
Produzenten Jason Blum wohlgemerkt („The Purge“) - zur Aufgabe macht, eine
Bedrohung in die teuren vier Wände eines Ehepaares zu bringen. Die Bedrohung
existiert auch hier, keine Frage, jedoch kommt nimmt sie weniger Zeit im Haus
ein und frisst sich stattdessen immer weiter in das Gewissen und das Wohlgefühl
des Ehepaares Simon und Robyn (Jason Bateman und Rebecca Hall) . Anstatt mit
einem lauten Knall hinter geöffneten der Kühlschranktür aufzutauchen (was Edgerton
nicht ohne Genugtuung unterlässt), kommt der Weirdo Gordon durch die Haustür.
Weil er geklopft hat, die Pforte geöffnet und er hineingebeten wurde. Gordon
tritt ein, ist (etwas zu) freundlich, (etwas zu) zuvorkommend und einfach - der
Titel verrät’s - etwas zu komisch, um Entspannung mit sich zu bringen.
Stattdessen bringt er die Menschen um sich (die Kinozuschauer dürfen sich gerne
dazu zählen) in eine verunsicherte Anspannung, die man erst bemerkt, wenn man
seine Muskeln wieder entspannt.
Nicht jedes Geschenk löst gleich Begeisterung aus. |
Die Vergangenheit spielt eine sehr
wichtige Rolle in diesem Film. Sie ist es, die Simon ein- und überholt, die
seine Zukunft zerstört, wie er Zukünfte zerstört hat und die ihn in die Knie
zwingt, wie er andere in die Knie gezwungen hat, um vor ihm den Boden zu lecken.
Er und seine Frau Robyn sind sich sicher - sie werden von Gordon belästigt, sie
fühlen sich nicht mehr wohl in ihrem eigenen Heim. Es vergehen keine fünf
Minuten, bis der alte Schulkollege von Simon als Einbrecher und Störenfried,
als kranker Stalker stigmatisiert wird - vom Zuschauer, nicht vom Film selber.
Dabei vergeht nicht ein einziges Mal, dass Simon oder Robyn in einem anderen
Haus sind und nicht umherschnüffelten. Jedes einzige Mal durchsuchen sie
Schränke, durchwühlen Schubladen, öffnen geschlossene Türen, um zu erfahren,
was sich hinter ihnen verbirgt. Es ist möglich, dass das vom Zuschauer gar
nicht als Solches erkannt und eingeordnet wird, einfach, weil es zu
offensichtlich ist. Oder weil die beiden ebenso (ver-)urteilen wie wir. Sie
erwarten, gestalkt zu werden. Ein Knacken im Haus wird da zur tödlichen
Bedrohung. Auch damit spielt der Film - mit Stigmata, mit den Vorurteilen, die
wir uns aussuchen zu glauben. Die Geschwindigkeit, mit der Menschen sich ein
Urteil auf Basis von Nichtigkeiten bilden, ist unglaublich schnell. Diese
Urteilsfällung funktioniert hier auch in der Zeitspanne eines Fingerschnippes -
Gordon muss dazu keine drei Sätze von sich geben.
Joel Edgerton hat mit „The Gift“
ein beachtliches Regie-Debüt abgeliefert. Gekonnt wiegt er den Zuschauer
zunächst in den Händen, um ihn dann desinteressiert fallen zu lassen; hier geht
es um was anderes. Hier geht es nicht darum, dem Zuschauer den Weg durch die
Dunkelheit zu weisen. Seinen Weg muss man hier selbst finden, was nicht immer einfach
ist, bei den vielen interessanten Wendungen, die der Film teils einschlägt oder
zumindest angibt, einzuschlagen. Die große Stärke des Films ist die Tatsache,
dass er um die Urteilssucht des Zuschauers weiß, während dieser sich dessen
nicht bewusst ist und gar nicht mitbekommt, wie der Film ihm davonläuft, bis er
am Ende ans Ziel zu kommen glaubt - und schon lange erwartet wird.
7 von 10 falschen Entschuldigungen
von Smooli
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