Fakten:
Wenn du krepierst – lebe ich
(Autostop rosso sangue)
IT, 1977. Regie: Pasquale Festa
Campanile. Buch: Ottavio Jemma, Aldo Crudo, Pasquale Festa Campanile, Peter
Kane (Vorlage). Mit: Franco Nero, Corinne Cléry, David A. Hess, John Lofredo,
Carlo Puri, Leonardo Scavino, Ignazio Spalla u.a. Länge: 104 Minuten. FSK: Freigegeben
ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:
Das Ehepaar Walter und Eve Mancini gabelt
bei ihrer Reise durch Kalifornien einen Anhalter auf, dessen Wagen den Geist
aufgegeben hat. Schnell entpuppt sich der Hilfebedürftige als Bankräuber, der nicht
nur 2 Millionen Dollar mit sich herumträgt, sondern dafür auch schon über
Leichen gegangen ist. Das zerstrittene Paar soll sein Passierschein über die
mexikanische Grenze sein.
Meinung:
„Keine fickt so gut wie du, kleine
Eva. Das ist der einzige Grund, warum du jetzt nicht dahinten liegst.“
Die Ehe von Walter (Blauauge Franco
Nero) und Eve (Moonraker-Bond-Girl Corinne Cléry) könnte disharmonischer kaum sein,
was Pasquale Festa Campanile bereits mit seiner ersten Szene belegt, noch bevor
sich das Traumpaar gegenseitig die verbalen Zärtlichkeiten um die Ohren
schleudert. Eine angedeutete Gefahrensituation, in der eine Frau sich im
Fadenkreuz eines Mannes befindet, ehe sich das Ganze als harmlose Hirschjagd
herausstellt. Aber wie Charmebolzen Walter schon so frei von der
Whiskey-getränkten Leber weg äußert, die Beziehung der beiden ist inzwischen
eher fleischlicher Natur. Oder wie es Eve an anderer Stelle treffend feststellt:
„Du irrst dich, Liebling. DIE lieben sich, WIR haben nur gebumst.“
Auf dem Highway ist (noch) nicht die Hölle los... |
...aber jetzt dafür richtig. |
In jedem anderen Film wäre das wohl
auch der Fall, doch was Campanile hier mit Wenn du krepierst – lebe ich an lange
aufgestauter und final hemmungslos entladener Energie raushaut, ist an Zynismus
kaum zu überbieten. Treffend vertont von Ennio Morricone, dessen Main-Theme das
Ganze schon früh akustisch einläutet. Europäisches Grindhouse-Kino, das die
Sub-Genregrenzen experimentierfreudig auslotet. Highway-Horror, moderner Italo-Western,
Geiselnahme-Psycho-Thriller und Rape & Revenge, das zwischen vulgärem Umgangston
und roher Gewalt immer mal wieder das Tempo rausnimmt, aber nie die wahnsinnig
angespannte Situation auch nur annährend entschärft. Eher noch durch
vorwurfsvolle Blicke, griffige und wohl überlegte Nebensätze sowie einen immer
latent vorhandenen, sexuellen Kontext stetig steigert, bis sich alles in
radikaler Konsequenz entlädt. Der Film spielt unter seiner wüsten
Exploitation-Schale bissig mit plakativen Gender-Klischees, lässt primitive
Gockel um das Kapitänsamt auf dem sinkenden Schiff kämpfen, während die ganze
Zeit eigentlich nur - nicht nur faktisch
– die einzige Frau an Bord das Steuer in der Hand und die Rettung an noch ganz
anderen Stellen bereithält. Frauen sind klüger, opferbereiter, aber zu
gutherzig. Wie die „Schwuchteln“, die letztlich auch über ihre weibische Empathie
stolpern.
Wenn man glaubt, das Ende von Wenn
du krepierst – lebe ich bereits durschaut zu haben, abwarten. Dieser offenbar grobe
aber wahnsinnig clevere Road-Thriller mit leichten Anleihen bei Spielbergs
Duell, Peckinpahs Wer Gewalt sät und einer dicken Schippe Inspiration für
Hitcher, der Highwaykiller dreht den bitterbösen Spieß mehrfach um und läuft
auf genau diesen Moment heraus, den man vielleicht schon riechen, aber bei
aller Abgebrühtheit nicht wahrhaben wollte. Wer macht so was schon? Dieser
Film! Weil er so abgekocht ist, da bleibt einem das perfide Lachen im Halse
stecken. Der Kreis schließt sich. Ingmar Bergman machte künstlerisch wertvolle
Beziehungsdramen an der Schmerzgrenze, Pasquale Festa Campanile machte diesen
räudigen Straßenköter. So viel trennt die beiden eigentlich nicht…
7,5 von 10 gescheiterten
Paartherapien
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