Review: IN GUTEN HÄNDEN - Von Ärzten, Emanzen und Vibratoren


Fakten:
In guten Händen (Hysteria)
Groß Britannien, BRD, Frankreich, Luxemburg. 2011. Regie: Tanya Wexler. Buch: Stephen Dyer. Mit: Hugh Dancy, Maggie Gyllenhaal, Rupert Everett, Jonathan Pryce, Felicity Jones, Ashley Jensen, Gemma Jones, Anna Chancellor, David Ryall, Georgie Glen, Tobias Menzies, Teresa Mahoney, Cathrine Meunier, Kim Criswell, Kate Linder, Leila Anaïs Schaus u.a. Länge: 99 Minuten. FSK: Ab 12 Jahren freigegeben. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
London, im Jahre 1880: Der junge Arzt Mortimer Granville hat schon viele Anstellungen verloren, weil er im Gegensatz zu seinen Kollegen an die neue, medizinische Lehre glaubt, die u.a. vor Keimen warnt und die aktuelle Schulmedizin kritisiert. Zu seinem Glück findet er eine Stelle bei dem stadtbekannten Arzt Dr. Dalrymple, der sich darauf spezialisiert hat Frauen von der Krankheit Hysterie, mittels intimer Massagen, zu befreien. Viele Frauen nutzen diese medizinische Behandlung, was gutes Geld bringt, aber Mortimers Handgelenk zunehmend in Mitleidenschaft zieht, aber vielleicht gibt es ja eine mechanische Alternative zur Handarbeit?




Meinung:

Ja, es geht um die Erfindung des Vibrators und wer dachte, dieser käme aus den verschmierten Untergründen einer pornographischen Subkultur, der irrt sich gewaltig. „In guten Händen“ erzählt die wahre Geschichte über die Erfindung des Sexspielzeugs Nr. 1, die Regisseurin Wexler bestimmt hier und da etwas entschlackt, dramatisiert und zuschauerfreundlich gemacht hat. Aber egal wie nah ihre Komödie an der Wahrheit ist (die im Film gezeigte Behandlungsmethode gegen Hysterie wurde so übrigens wirklich vollzogen), „In guten Händen“ ist im Kern ein recht klassisches Stück Unterhaltung, ohne die Absicht irgendwelche Schamgrenzen zu durchstoßen, auch wenn der Inhalt durchaus die Möglichkeiten hätte.



Die Hysterie-Behandlung erfordert vor allem warme Hände
„In guten Händen“ macht von Beginn an klar, wo die Gewichtung liegt. Es geht um die Durchsetzung, um den Vorstoß neuer Ideen. Während Dr. Granville unermüdlich versucht die moderne Medizin durchzusetzen, kämpft Charlotte, die rebellische Tochter seines Vorgesetzten, verbissen, leidenschaftlich und ohne Unterlass für Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit. Das klingt auf dem Papier ganz ausgezeichnet, auf Film gebannt wirkt es dann allerdings zu holzschnittartig. Dr. Granville und Charlotte sind klar die charakterlichen Fixpunkte des Films, doch richtig sympathisch wirken sie selten, kommen sie doch nie wirklich aus ihrer kämpferischen Mentalität heraus. Vor allem Charlotte wirkt wie das blanke, gute Gewissen, wie eine Kämpferin, die jedoch fern von jeglichen Ecken und Kanten ist und so recht schnell langweilt. Zu viel Gutmenschentun konzentriert in einem einzigen Charakter? Das ist einfach viel zu überladen, auch wenn Darstellerin Maggie Gyllenhaal sichtlich in ihre Rolle aufzugehen scheint. Regisseurin Tanya Wexler gelingt es dafür alle Klippen, die die Thematik mit sich bringt, elegant zu umschiffen. Manchmal stürmt sie aber auch voran und zeigt ihrem Publikum sogar die ein oder andere Behandlung gegen Hysterie. Dies verkommt aber weder zu sexuellen Getöse, noch verklärt sie das Gezeigte, sondern würzt es mit gelungenem, meist wunderbar trockenem, britischen Humor. Das macht durchaus Laune, verpufft aber meistens schnell wieder, denn die Charaktere sind dem Film heilig, aber genau die sind die größten Schwachpunkte, weil sie durch ihr unstillbares Streben nach Verbesserung, nach Emanzipation ohne selbst wirkliche Makel zu besitzen, zu artifiziell und vor allem zu aufdringlich wirken. Sie sind trotz aller aufgesetzten Romantik nicht menschlich, sondern scheinen aus dem Material zu sein, aus dem heutzutage Vibratoren und Dildos gemacht sind.


Durch die wenigen, aber dadurch signifikanten Schwächen, kann „In gute Händen“ leider nicht wirklich überzeugen. Ein paar amüsante Nebensächlichkeiten, britisches, feudales Understatement und spielfreudige Darsteller verhindern aber spielend, das Tanya Wexlers Komödie untergeht. Trotz allem lässt sie einen recht unbefriedigt zurück und dagegen hilft wohl auch keine intime Massage. Obwohl… einfach einmal ausprobieren.


5 von 10

4 Kommentare:

  1. Der Film ist absolut klasse und gibt Einblicke in die Entwicklung der ersten Sexspielzeuge. Wirklich zu empfehlen und gut umgesetzt ;-)

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  2. Toller Film der mir mal gezeigt hat wie Sexspielzeuge eigentlich entstanden sind!

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  3. Der Film ist einfach kult und spiegelt optimal die Entstehung der Sexspielzeuge wieder. Ein absolutes Muss

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