Review: FEUERWERK AM HELLLICHTEN TAGE – China zwischen Noir-Gebrochenheit und moderner Depression


Fakten:
Feuerwerk am helllichten Tage (Bai Ri Yan Huo)
CN, 2014. Regie & Buch: Diao Yinan. Mit: Liao Fan, Kwai Lun-Mei, Wang Xuebing, Wang Jingchun, Yu Ailei, Ni Jingyang u.a. Länge: 109 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Im Jahr 1999 werden in verschiedenen Kohleanlagen Chinas abgetrennte Körperteile gefunden. Der Polizist Zhang Zili nimmt sich dem Fall an und macht bald konkrete Verdächtige aus. Die Festnahme eskaliert allerdings, zwei Polizisten werden getötet, Zhang schwer verletzt. Fünf Jahre später tauchen erneut Leichenteile auf, der Täter scheint derselbe zu sein. Zhang, der mittlerweile dem Alkohol verfallen ist und als Sicherheitsbeamter arbeitet, beginnt privat zu ermitteln.





Meinung:
Zunächst ist kaum erkennbar, was sich da überhaupt für ein Objekt in dem großen Kohlehaufen verbirgt, welches man die ersten Minuten dieses Films auf seiner Reise in die Kohleanlage begleitet. Als schließlich klar wird, dass es sich um einen abgetrennten Arm handelt, lässt sich bereits das erste Muster erahnen, das Regisseur Diao Yinan in seinem Werk "Feuerwerk am helllichten Tage" verfolgt.


Das ist schnell eskaliert...
Eben dieser Arm ist der Aufhänger eines Kriminalfalls, in dem der frisch geschiedene Polizist Zhang Zili ermittelt. Zu einer endgültigen Auflösung kommt es vorerst allerdings nicht, denn die Festnahme des Verdächtigten eskaliert, der Polizist verliert nicht nur zwei Kollegen, sondern fast auch das eigene Leben. Dieser kurzfristige Paukenschlag, den Yinan unvermittelt und sehr früh inszeniert, ist wieder so ein herber Einschlag im ansonsten so ruhigen Erzählfluss. "Feuerwerk am helllichten Tage" enthält eine Reihe solcher Szenen und Momente, in denen der Regisseur Stille mit hässlicher Gewalt aufbricht, das Schöne dem Verlorenen gegenüberstellt und vor allem stilistisch einen schmalen Grat entlang wandert. Yinan bedient sich für seine Geschichte und Figurenzeichnung ebenso bei zerrissenen Neo-Noir-Charakteren, meist gebrochene Existenzen, wie er im Gegenzug das desolate Gesellschaftsbild des gegenwärtigen Chinas aufgreift. Die Kamera führt den Betrachter immer wieder durch heruntergekommene Wohngegenden, trostlose Gassen oder vereinsamte Schauplätze, in denen Schmutz, Resignation und Hoffnungslosigkeit regieren. Im harten Kontrast hierzu sind viele Szenen oftmals von markanten Neonlichtern durchflutet, die dem jeweiligen Moment Wärme, Energie oder so etwas wie einen Puls verleihen.


Wirkt liebevoll, ist aber eigentlich eine sexuelle Belästigung
Zili erhält fünf Jahre nach seinem schockierenden Zwischenfall auch wieder so etwas wie einen Puls. Zwischenzeitlich ist er dem Alkohol verfallen, zum Wrack geworden und hält sich als Sicherheitsbeamter irgendwie am Leben. Dann tauchen sie erneut auf, die Leichenteile, die quer durch die Stadt verteilt wurden. Nach dem gleichen Schema abgetrennt, wieder exakt genauso entsorgt. Der zutiefst makabere Fall spornt Zili zu privaten Ermittlungen an, bei denen der Regisseur seine Hauptfigur mit einem ganz entscheidenden Zielkonflikt konfrontiert. Eine Frau, die mit allen bisherigen Mordopfern in Verbindung stand, wird zum Objekt der Begierde des Ex-Polizisten. Yinan erzählt fortan auf zwiegespaltene Weise von einem Menschen, der nur durch eine neue Frau in seinem Leben, also durch Liebe, neue Lebenskraft schöpfen kann, während in ihm der Drang nach Vollendung brennt, wonach er den ungelösten Fall, die Laster seiner Vergangenheit, die ihn bis heute verfolgen, ein für alle mal bezwingen möchte. Die verzwickte Situation, stilistisch zwischen zärtlicher Arthouse-Poesie und lupenreinem Genre-Film umgesetzt, verdichtet sich immer wieder in großartig inszenierten Spannungssequenzen, die durch lange Einstellungen glänzen und die Intensität kontinuierlich steigern.


Den Sinn für tragikomische Einschübe sowie skurrile Details legt der Regisseur dabei aber nie beiseite. Ein Pferd auf dem Flur inmitten eines Polizeireviers, eine ekstatische Tanzeinlage nach dem dramatischen Höhepunkt oder das titelgebende Feuerwerk am helllichten Tage sind nur einige Randnotizen, durch die Yinan seinen souverän erzählten wie stilvoll inszenierten Film auflockert, ohne den bitteren, harten Kern der tragischen Geschichte jemals zu verschleiern.


7,5 von 10 Mäntel in der Reinigung



von Pat

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