Review: FAHRRADDIEBE - Jagd der Abhängigkeit



Fakten:
Fahrraddiebe (Ladri di biciclette)
Italien. 1948. Regie: Vittorio de Sica. Buch: Cesare Zavattini, Adolfo Franci, Geraldo Guerrieri, Suso Cecchi D’Amico, Vittorio de Sica, Luigi Bartolini (Vorlage). Mit: Lamberto Maggiorano, Enzo Staiola, Lianella Carell, Gino Saltamerenda, Giulio Chiari u.a.. Länge: 90 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-Ray (Import) erhältlich.


Story:
Im Rom der Nachkriegszeit sucht Antonio Ricci, ein Mann aus ärmsten Verhältnissen und Vater von zwei Kindern, verzweifelt nach Arbeit. Mit einer neuen Anstellung als Plakatankleber könnte er seine Familie ernähren. Sie gerät jedoch gleich am ersten Arbeitstag in Gefahr, als ihm sein Fahrrad gestohlen wird, das er für diese Arbeit unbedingt braucht. Von der Polizei erfährt er keine Unterstützung. Mit seinem kleinen Sohn Bruno macht er sich auf die Suche nach dem Fahrraddieb.





Meinung:
Ein Film, in dem jedoch fernab gängiger Filmrealität gegen alle Widerstände im Leben konsequent verloren wird - wie es nun mal meist eher der Fall ist. Diese Pionierleistung des Neorealismus zeigt aber auch, dass man Im Leiden zumindest nicht alleine bleibt, selbst wenn man die vertrautesten Mitmenschen im Drang zum rettenden Glück hetzt, Hoffnungen sowie Ideale des Überlebens willen enttäuscht und als Illusion offenbart. Wie soll man aber auch als Einzelner kleine wie große Schwierigkeiten überleben, wenn schon Kleinigkeiten alles aufs Spiel setzen und die Voraussetzungen fürs komplexe Ganze von oben sabotieren? Wo dann auch das gesamte Umfeld mit derselben Erfahrung vertraut ist und sich ebenso geballt als verschlissene Menschlichkeit abgefunden hat? Hilfsbereitschaft weicht da dem Eigennutz oder dem gängigen "Da kann man leider nichts machen." - nicht gerade aus gleichgültigem Egoismus, sondern aufgrund von mehr oder weniger abgeklärten Stadien der Angst und Abgebrühtheit innerhalb der gesellschaftlichen Erfahrung.


Vater und Sohn sind verzweifelt
Das braucht sich als Strom an urbanen Bürgern nicht weiter erklären, selbst wenn der herzensgute und etwas naive Plakatierer Antonio (Lamberto Maggiorani) so leidenschaftlich sein Fahrrad sucht, mit dem sich erst Beruf und Lebensunterhalt für die Familie bewerkstelligen lassen. Der eventuelle Klau, den man im erdrückend stilisierten Nachkriegs-Rom ohnehin mit Anspannung erwarten muss, führt sodann zu einer Reise des Frusts, bei dem auch Sohn Bruno (Enzo Staiola) mit ansehen muss, wie sein Vater in der Verzweiflung durchgehend abgewiesen wird. Kollegen und Polizei versuchen da noch die Unterstützung, sehen aber auch schnell die Aussichtslosigkeit des Unternehmens ein, weil das Verschwinden als eines von vielen schnell im Strom der Gesamtmisere "Leben" untergeht. Aufgeben ist dennoch keine Option, wohl aber eher, weil man keine andere Wahl hat. Es ist ja nicht so, dass Vater und Sohn keine Lebhaftigkeit mehr vorweisen können - immerhin versuchen sie, zu vergessen und den Tag noch so gut es geht angenehm zu verleben, auch wenn dieser mehr von der Sehnsucht des Findens getrieben wird als von der Unbedarftheit, die man sich im Ansatz ausgedacht hatte, bis alles wieder niedergeschmettert wurde.


Regisseur Vittorio De Sica unterstreicht dies anfangs vielleicht etwas zu eindeutig emotionalisierend, weist mit festem Schwarzweiß und melodramatischer Musikpräsenz das soziale Mitleid aus. Später findet er darin dennoch eine ehrlich beobachtende Leichtigkeit und auch Euphorie, die mit Spannung die Entspannung erwarten möchten und in der Erkundung vieler Wege beinahe Abenteuerlust erzeugen; Hoffnung sowieso. Letztendlich stellt sich die Gestaltung aber der letzten Konsequenz, die im Alltag für Außenstehende als trivial empfunden werden müsste, hier aber als Verinnerlichung eines persönliches Schicksals herzzerbrechende Empathie erzeugt. Deshalb ist die eher pessimistische Ausgangslage des Films auch kein nüchternes oder gar zynisches Urteil über den Zustand der Welt geworden, sondern ein Hilferuf, der die Einsicht humanistischer Gemeinsamkeit illustriert und nachfühlen lässt - selbst wenn diese auch in antagonistischer Funktion bei verschiedenen Gesellschaftsgruppen wirken muss. Jeder für sich und Gott gegen alle.


7,5 von 10 verpassten Arbeitsplätzen


vom Witte

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