Fakten:
Dracula jagt Mini-Mädchen (Dracula
A.D. 1972)
GB, 1972. Regie: Alan Gibson. Buch:
Don Houghton. Mit: Christopher Lee, Peter Cushing, Stephanie Beachman,
Christopher Neame, Michael Coles, Marsha A. Hunt, Caroline Munro, Janet Key,
William Ellis, Philip Miller, Michael Kitchen u.a. Länge: 93 Minuten. FSK:
Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD erhältlich.
Story:
Mal wieder hat Dr. Van Helsing
seinem alten Widersacher Graf Dracula den Garaus gemacht, diesmal soll für 100
Jahre Ruhe sein. Im London des Jahres 1972 erweckt eine Gruppe Twens im
Drogenrausch den Fürst der Finsternis wieder zum Leben. Ein Mitglied der
Clique: Jessica Van Helsing. Ihr Großvater ahnt nach den ersten Todesfällen
schnell, wer da wieder aufgetaucht ist. Und auf wen er es abgesehen hat…
Meinung:
„Großvater, ich will dir ein
Geständnis machen, wenn es dich beruhigt: LSD habe ich noch nie geschluckt. Ich
habe auch noch nie gespritzt und ich schlafe auch noch nicht mit jedem bis
jetzt.“
Das „bis jetzt“ ist doch mal ein
Brüller…
Ganz neue Alltagsproblematiken im
Hause HAMMER, was ist denn da los? Nun, das Studio sah sich gezwungen
alternative Wege zu gehen. Die Zuschauer blieben weg, das Geld wurde (noch)
knapp(er) und wenn einer das sinkende Schiff noch retten konnte, dann natürlich
Dracula. Christopher Lee wurde gegen seinen Willen erneut vor den Karren
gespannt (er war einfach zu gutmütig: Die Studiobosse argumentierten mit
bereits verkauften Rechten und wie viele Arbeitsplätze daran hängen würden, Lee
gab nach) und erstmals seit dem Original von 1958 gab es einen gemeinsamen
Dracula mit Peter Cushing, der nur 1960 in „Dracula und seine Bräute“ wieder
als Van Helsing zu sehen war, dem einzigen Film der Reihe ohne Lee. Nur eine
berechtigte Frage stellte sich: Quo vadis, Dracula?
Es ist angerichtet... |
Da müssen wir mal eine Blutprobe nehmen... |
Hier hängt der Hammer an fremder
Stelle. Schon vorher spielten Filme des Studios zwar in der Gegenwart, jedoch
nie so, weit entfernt von klassischen Modellen, mitten drin im Swinging-London.
Das ist ungewohnt und von Dracula lange keine Spur. Selbst als sich Christopher
Lee endlich aus seinem Ruhestand erhebt (natürlich: Durch ein Ritual) wirkt er
trotz seiner gewohnt erhabenen Gestalt total deplatziert. Doch gerade dieser
merkwürdige Kontrast zu der eingeschlafenen HAMMER-Methodik hat einen skurrilen
Reiz. Das „Dracula jagt Mini-Mädchen“ eine aus der Not geborene
Verzweiflungstat ist, lässt sich kaum schön reden und ist überdeutlich zu
erkennen. Offensichtlich war sich keiner sicher, was man aus der neuartigen
Prämisse überhaupt machen sollte. Nüchtern ist der Film niemals konsequent,
weder in seiner Inszenierung, noch in seiner kaum zu definierende Intention.
Der Clash von Klassik und Moderne wird dadurch erstaunlich gut präsentiert, ob
das immer freiwillig ist, bleibt zu bezweifeln. Mal total unverkrampft,
locker-lässig planlos aus der Hüfte geschossen, teilweise sogar gezielt
ironisch, dann aber sich wieder im Ansatz auf den Geist der alten Filme berufen
wollen, was eher von einer Unsicherheit im Umgang mit der Materie zeugt,
trotzdem einen ungemeinen Charme hat. Ungewollt – oder eher in der Form
unabsichtlich - ist „Dracula jagt Mini-Mädchen“ dadurch die beste Fortsetzung
seit dem hervorragenden „Blut für Dracula“ (1966) geworden. Selbst der Score
hat keine klare Linie, wechselt von Swing und Funk stellenweise urplötzlich zu
Orgel-Grusel-Musik, das passt gar nicht und gerade dadurch doch.
Christopher Lee hat zudem die
kürzeste Screentime aller bisherigen Dracula-Filme (das toppte nur noch der
letzte, folgende Teil „Dracula braucht frisches Blut“, bei dem sowieso alles in
die Hose ging), dafür darf Peter Cushing das Feld größtenteils beackern. Kein
Problem, auch wenn es dadurch relativ wenig Vampir-Action gibt, zumindest in
der ersten Hälfte. Da macht „Dracula jagt Mini-Mädchen“ auch lange nicht so
viel Spaß wie später, richtig zieht der eh erst in der letzten halben Stunde
an. Vorher ist sehr deutlich, wie schwach das Skript eigentlich ist, das spielt
hinterher gar keine Geige mehr. Durchgehend super ist Christopher Neame in der
Rolle des Johnny Alucard (!), der als (zunächst) menschlicher Antagonist von
Optik und Auftreten leicht an Malcolm McDowell alias Alex in „Uhrwerk Orange“
erinnert. Der macht nicht nur eine gute Figur, er liefert auch noch eine
Duschszene ab, die Janet Leigh Konkurrenz macht. Also, zumindest fast. Fast ist
das Stichwort: Fast ist „Dracula jagt Mini-Mädchen“ eine Parodie, fast ist er
eine Hommage und fast ist er ein ernstgemeinter Gruselfilm, die Grenzen
verschwimmen. Nach dem etwas zu behäbigen Start in einer schrulligen, sehr
herzlichen Konstellation. Ob Draculas Augen im Finale nun diabolisch-blutrot
sind oder ob zu viel Hasch in der Luft lag, es bleibt diskussionswürdig. Hier
lief bestimmt nicht alles wie mal angedacht (oder es wurde nicht viel
nachgedacht), aber es funktioniert. Das negative, schauderhafte Gegenbeispiel
erschien im folgenden Jahr und beerdigte den HAMMER-Lee-Dracula endgültig.
Fatal, dies hier wäre ein würdiger Abschluss gewesen. Ein Exot in seinem
Universum, der dadurch nicht alles, aber einiges richtig macht. Definitiv zu
diesem Zeitpunkt.
6,5 von 10 Spatenstichen
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