Review: FRANKENWEENIE - Tim Burtons Huldigung an die Freundschaft


Fakten:
Frankenweenie
USA. 2012. Regie: Tim Burton. Buch: John August, Tim Burton, Leonard Ripps. Original Stimmen von Charlie Tahan, Cathrine O’Hara, Winona Ryder, Martin Short, Martin Landau, Tom Kenney u.a. Dt. Stimmen von Niklas Münninghoff, Farina Brock, Melanie Manstein, Laura Marie, Jakob Riedl u.a. Länge: 87 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD, Blu-ray und Blu-ray 3D erhältlich.


Story:
Der kleine Viktor Frankenstein ist ein Außenseiter. Doch es gibt einen, der immer zu ihm halten wird: sein Hund Sparky. Als Sparky jedoch von einem Auto überfahren und getötet wird, zerbricht für Viktor eine Welt. Doch schon bald findet er eine Lösung für sein Problem: mittels Elektrizität und etwas Flickzeug holt Viktor seinen besten Freund zurück ins Leben. Doch damit beginnt das Abenteuer erst.




Meinung:
Das letzte große Meisterwerk des Tim Burton liegt bereits geraume Jahre in der Vergangenheit zurück. 2007 konnte der Paradiesvogel Hollywoods mit seiner Broadway-Adaption „Sweeney Todd“ zwar noch einmal durchgehend überzeugen, doch ein Film von der qualitativen Klasse wie „Ed Wood“ oder „Edward mit den Scherenhänden“ musste man kummervoll vermissen. Nicht zuletzt weil sich Tim Burton mit Werken wie „Alice im Wunderland“ und „Dark Shadows“ als fließbandtätiger Eigenschablonenfüller entpuppte und den charmanten Reiz ablegte, der ihn lange Zeit in der Filmwelt auszeichnete. Dabei waren Burtons Stärken immer unverkennbar im Bereich der morbiden Märchenerzählungen und gesellschaftskritischen Außenseitergeschichten angesiedelt, in denen der „etwas andere“ Filmemacher sein enormes Können – gerade in der idealen Verschmelzung aus Reife und Kreativität - en détail mitreißend auf den Punkt bringen konnte.


Viktor beim Versuch Sparky zurückzuholen
Den logischen Schritt, den Burton im Jahre 2012 dann tätigte, liest sich wie ein konstitutiver Aufschrei und substantieller Befreiungsschlag: „Back to the Roots“. Zurück zu den Wurzeln, zum Ursprung seines Erfolges. Genau das war die angefochtene Devise, und dabei lassen wir seinen hervorragenden Kurzfilm „Vincent“ mal für kurze Zeit aus den Augen und widmen uns „Frankenweenie“ aus dem Jahre 1984. Darin erzählt Tim Burton die Geschichte von Victor, ein Außenseiter und Einzelgänger, dessen einziger Freund ein Hund namens Sparky ist. Burton reflektiert sich, wie in vielen seiner Filme in Zukunft, von Grund auf höchstpersönlich. Sparky kommt jedoch bei einem Unfall beim Ballspielen ums Leben und der kleine Victor ist – natürlich – am Boden zerstört. Sein größter Wunsch ist es von nun an, seinen Freund auf vier Pfoten wieder zurück ins Leben zu holen. Und Victor macht das Unmögliche möglich, allerdings nicht ohne risikoreiche Folgen. 


An diesem Handlungsansatz hat Tim Burton in seiner gleichnamigen Neuauflage nichts frisiert. Die Frage, die sich zwangsweise stellen musste war, ob es nun wirklich Sinn machen würde, den 30-minütigen Kurzfilm aus den 80er Jahren als abendfüllenden Spielfilm zu verkaufen und die Lauflänge zu verdreifachen. Schließlich wurde die Story doch schon im Kurzfilm auserzählt und die tendenzielle Intention dürfte sich als aufgewärmtes Unterfangen offenbaren. Dem ersten Satzteil kann man zustimmen und die Erzählung vom (reinkarnierten) Vierbeiner und seinem Herrchen Victor ist per se genau die, die wir schon einmal serviert bekommen haben. Jedoch erweist sich „Frankenweenie“ nicht als stumpf wiederholendes Allerlei, das uns nur wieder verdeutlicht, wie ideenlos Burton inzwischen wirklich geworden ist, sondern mausert sich tatsächlich als bester Film von Tim Burton, seit einer gefühlten Ewigkeit.


Bild aus besseren Zeiten: der "ganze" Sparky und Viktor
Veränderungen zur Vorlage mussten natürlich bewerkstelligt werden, wieso sollte man eine gute halbe Stunde auf eineinhalb Stunden strecken, wenn man dem Film keine ungetragenen Facetten und kreativen Eingebungen inkludiert? Dabei lassen sich diese modifizierten Revisionen nicht nur im Bereich der Handlung finden, sondern auch im visuellen Erscheinungsbild. Nicht etwa wie das Original greift Tim Burton auf echte Schauspieler zurück – und hat so seinem Kumpel und Lieblingsdarsteller Johnny Depp die Chancen auf eine Hauptrolle widersagt – sondern lässt „Frankenweenie“ als lupenreinen Stop-Motion-Animationsfilm auftreten. Die Vorteile dieser Animationen sind nicht nur der leichtere Zugang für das jüngere Publikum, sondern auch die liebevollen Darstellungen der tierischen und humanen Charaktere. Und diese Rechnung geht voll auf. Egal um welche Figur es sich hier handelt oder in welchem Umfeld sich das Geschehen in den verschiedenen Szenen abspielt: Jede Aufnahme glänzt durch ihre Detailvielfalt, durch die Liebe für unscheinbare Kleinigkeiten, die gerade durch die symptomatische Schwarz/Weiß-Optik noch einmal exzellent akzentuiert und pointiert wird.

„Frankenweenie“ fügt die essentiellen Elemente zusammen, die wir ad infinitum mit Tim Burtons Inszenierungen in Verbindung bringen werden: Die morbide Figurierung, die lakonischen Zwischentöne, die skurrilen Individuen, die durchgehend von einem trockenen Witz abgeschliffen werden, und die grenzenlose Gothic-Romantik, die sich in ihrer ganzen Schönheit auf jeden Zuschauer übertragt und ihn nicht nur fesselnd, sondern auch zu einem fühlbaren Teil der Narration macht, in der man sich problemlos von Anfang bis Ende verlieren kann. Dabei lässt sich „Frankenweenie“ nicht nur als Hommage an das klassisch-altmodische Grusel-Kino deuten, Burton gelingt auch ein unverwechselbares Revue passieren seiner eigenen Person und dem subjektiven Charakteristikum. Wenn Burton dann noch unscheinbar ein kritisches Auge auf die Ideale des amerikanischen Traums wirft und das Grusel-Märchen mit sensibler Coming-of-Age-Thematik verknüpft, dann entsteht eine eskapistische Huldigung an die Filmwelt als auch an den wahren Wert der Freundschaft, die nicht immer ganz für die Kleinen geeignet ist, dafür aber mit einem Biss auftritt, den die Erwachsenen wohlwollend annehmen werden. „Frankenweenie“ beweist es mal wieder: Tim Burton ist ein schrullig- konzilianter Optimist mit ganz, ganz großem Herzen. „When you lose someone you love, they never really leave you. They move into a special place in your heart.”


7 von 10

von souli

Wir danken unserem ewigen Gast-Autor souli für seine Kritik. Wenn ihr mehr von souli lesen wollt, dann besucht doch unseren Blog Buddy CinemaForever.

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