Review: EDWARD MIT DEN SCHERENHÄNDEN - Morbid-modernes Märchen


Fakten:
Edward mit den Scherenhänden (Edward Scissorhands)
USA. 1990. Regie: Tim Burton. Buch: Caroline Thompson, Tim Burton. Mit: Johnny Depp, Winona Ryder, Dianne Wiest, Anthony Michael Hall, Alan Arkin, Robert Oliveri, Conchata Ferrell, Vincent Price, Kathy Baker, Steven Brill, Nick Carter, Caroline Aaron, Dick Anthony Williams u.a. Länge: 101 Minuten. FSK: ab 6 Jahren freigegeben.


Story:
Kosmetikberaterin Peg staunt nicht schlecht, als sie das alte Schloss betritt. In den baufälligen Gemäuern findet sie Edward, ein künstlich erschaffener Mensch, der statt Händen Scheren hat. Peg hat Mitleid mit dem schüchternen Edward und nimmt ihn mit nach Hause.




Meinung:
Tim Burtons "Edward mit den Scherenhänden" ist zwar ein Märchen, aber nicht im herkömmlichen Sinne. Es gibt kein "Es war einmal…" und Zwerge oder Hexen gibt es auch nicht. Kim erzählt im hohen Alter ihrer Enkelin die einzigartige Geschichte von Edward. Ein Außenseiter, ein einmaliges Wesen, der ganz allein und verlassen hoch oben im einsamen und düsteren Schloss sein trauriges Leben verbringt. Die Büsche des Schlossgartens schneidet er zu Kunstwerken, doch sein Gesicht kann er nicht kratzen wenn es ihn mal juckt, was die unzähligen Narben verdeutlichen. Edward ist blass, sein Schultern hängen und er wirkt völlig verängstigt und vergessen. Peg, die Mutter von Kim, entdeckt ihn und empfindet Mitleid mit dem armen Burschen und nimmt ihn mit in die Kleinstadt, wo Edward es zum ersten Mal mit mehreren Menschen zu tun bekommt. Hier hat alles seinen geregelten Lauf.


Die Männer fahren zur gleichen Uhrzeit zur Arbeit, die Frauen tratschen über alles und jeden und ein Gartenzaun reiht sich an den anderen. Jetzt taucht Edward auf. Eine Sensation für die Kleinstadt, denn er ist völlig anders, in jedem Punkt, und die Bewohner zerreißen sich in Windeseile das Maul über ihn. Edward ist plötzlich gefragt, nicht weil man seinen Charakter mag, sondern weil er die Büsche und Frisuren akkurat bis zur äußersten Schönheit schneiden kann. Alle wollen ihn sehen, den Mann mit den Scherenhänden, aber niemand behandelt ihn wie einen Menschen. Einzig Peg steht ihm zur Seite gibt ihm einen Platz in ihrem Herzen.


Noch ist Edward sehr beliebt
Eigentlich ist "Edward mit den Scherenhänden" in erster Linie ein Außenseiter-Drama, über ein „Wesen“, welches in die Gesellschaft eingebunden werden soll, es aber nie schaffen wird. Doch das liegt nicht an ihm, sondern an den anderen Menschen. An denen, die in ihm ein „Monster“ sehen und ihn auf sein angsteinflößendes Äußeres reduzieren. Angereichert wird das natürlich mit dem typischen skurrilen Burton-Humor. Die zerbrechliche Unschuld, die zarte Schüchternheit, die Traurigkeit und Unwissenheit in Edwards Augen, machen ihn ab der ersten Sekunde unheimlich sympathisch. Szenen, wie der gemeinsame Drink mit Vater von Kim, oder als er von Peg geschminkt wird, lassen ihn so herrlich menschlich erscheinen, dass man ihn einfach sofort in sein Herz schließen muss. Aber Edward ist noch nicht in unserer Welt angekommen und wird es auch nie. Er sucht seinen Platz, irgendwo zwischen Freak und Familienmitglied. Durch die ätzenden Weiber aus der Nachbarschaft wird ihm diese Suche nur noch weiter erschwert. Eine religiöse Fanatikerin sieht in ihm das pure Böse und Edward, der wegen seiner kindlichen Naivität reingelegt wurde und es mit der Polizei zu tun bekommt, wird immer mehr zum Störfaktor. Die Stimmung schlägt um, Edward ist nicht mehr der einstige Star, sondern ein Dorn im Auge. Dabei hätte er niemals für Probleme gesorgt oder jemanden etwas angetan. All das, tat er nur aus gutem Willen. Kim versteht das, wenn auch etwas zu spät, und nimmt ihn endlich in Schutz. Bis es zum unausweichlichen Finale gegen Kims widerwärtigen Freund kommt, der Edward ebenfalls nie ernstgenommen hat und nur verspottet.


"Edward mit den Scherenhänden" lässt sich so nun in mehrere Genres einteilen. Ob Fantasy/-Märchen oder Außenseiter-Drama. Alles stimmt. Auch die komödiantischen und dramatischen Aspekte wurden nicht außen vor gelassen, aber Burtons Inszenierung verliert nie den Boden unter den Füßen und mutet sich zu viel zu. Ganz im Gegenteil. "Edward mit den Scherenhänden" ist ein herzerwärmender Film über einen Einzelgänger, der liebevoller und herzlicher gar nicht sein könnte und immer wieder völlig missverstanden und ausgenutzt wurde. Tim Burton projiziert seine eigene Lebensgeschichte in die Welt von Edward und macht aus dem Gesamten einfach etwas ganz Besonderes. Mit viel Liebe, Fantasie, Sensibilität, Verspieltheit, Leichtigkeit, Humor, dem ernsten Kernthema, einem fantastischen Johnny Depp, den wunderbaren Bildern und nicht zuletzt dem einmaligen Score von Elfman wird "Edward mit den Scherenhänden" zu einem modernen Märchen, welches man immer wieder sehen kann und genauso immer wieder neu lieben lernt.

9 von 10

von souli

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen