Fakten:
Alexandre Ajas Maniac
USA, Frankreich, 2012. Regie: Franck Khalfoun. Buch: Alexandre Aja, Grégory Levasseur. Mit: Elijah Wood, Nora Arnezeder, America Olivo, Sammi Rotibi, Liane Balaban, Megan Duffy, Morgane Slemp, Jan Broberg u.a. Länge: 93 Minuten. FSK: keine Freigabe (beschlagnahmt). Kinostart: 27. Dezember 2012. Auf DVD- und Blu-ray-erhältlich.
Story:
Frank, ein Restaurator für Schaufensterpuppen, tötet Frauen. Er tötet sie nicht nur, er skalpiert sie. Mit seiner Beute schmückt er seine Puppen, mit denen er seine schmucklose Behausung hinter den Räumen seines Geschäftes teilt. Frank tötet nicht aus Freude, er empfindet keine Lust bei seinen grauenhaften Taten. Er muss töten, er kann nicht anders, seine inneren Dämonen treiben ihn dazu. Dann lernt er Fotografin Sarah kennen. Es entwickelt sich eine Freundschaft, näher ist Frank einer Frau noch nie gekommen. Er wird besessen von ihr, doch kann er seinen Dämonen widerstehen?
Meinung:
Just married. |
Mit "High Tension" betrat Alexandre Aja 2003 die internationale Bühne und hat sich seitdem einen Namen im Horrorgenre gemacht. Sein blutiger Psychothriller öffnete die Tür für andere Filmemacher, die in der Folgezeit den französischen Genrefilm zu einer Marke machten. Besondere Merkmale: Ein schonungsloser Härtegrad, kaum bis gar kein Platz für Humor, Ironie und Trash, was vorher im Slasherbereich fast unumgänglich war, dazu mit dem Anspruch, dies in einer ansprechenden Optik zu servieren. Keine schludrigen Schundfilmchen, Ästhetik war angesagt. Kritische Stimmen stuften das als Torture-Porns ein, Fans waren begeistert. Darüber lässt sich nach wie vor streiten, doch eines dürfte unbestritten sein: Aja ist dafür mitverantwortlich, dass der Horrorfilm (zum Teil) sein Billig-Image abgelegt hat. Auch wenn er hier nicht selber auf dem Regiestuhl sitzt, seine Handschrift, dieser Anspruch, prägt auch die Neuauflage von William Lustigs, in Deutschland immer noch indizierten, 80er Slasher "Maniac". Aja, hier Produzent und Autor, überlässt das Zepter einmal mehr Franck Khalfoun. Diese Kombination gab es schon bei "P2 - Schreie im Parkhaus" von 2007, einer eher kleineren Produktion. Aja's Musterschüler scheint sich seitdem deutlich weiter entwickelt zu haben.
Frank macht die Haare schön. |
"Maniac" ist handwerklich mehr als nur beachtlich, allein seine Umsetzung katapultiert ihn deutlich über den gewohnten Einheitsbrei des Slashergenres. Was die reine Präsentation angeht, wird stark aufgetischt. Der gekonnte Clou liegt eindeutig in der gewählten Perspektive, ohne die der Film nicht ansatzweise so viel wert wäre. Fast ausschließlich erlebt der Zuschauer die Ereignisse aus der Ego-Perspektive von Killer Frank. Hauptdarsteller Elijah Wood ist somit nur dann zu sehen, wenn sich Frank irgendwo spiegelt oder reflektiert wird. Nur in drei, vier kurzen Momenten wird aus diesem selbst auferlegten Dogma ausgebrochen, ist Frank auch aus der gewohnten Beobachtersicht zu sehen. Sonst wird der Zuschauer in die Rolle des Täters gedrängt, voll und ganz. Es ist nicht neu, dass ein Film ausschließlich dem Killer folgt, alles über seine Schulter sieht. Es gibt keine Szene ohne ihn, nie liegt der Fokus auf anderen Personen. Es ist auch nicht neu, die Ego-Perspektive einzusetzen, auch nicht bei den blutrünstigen Morden, in einem Giallo war das Standard. Doch einen Film fast konsequent aus dieser Sicht zu erzählen, das ist schon besonders. Viel intensiver schlüpft der Zuschauer in die unangenehme Rolle, dem Szenario nicht entspannt aus der Distanz folgen zu dürfen, er wird involviert, schwingt praktisch selber das Messer, ohne eingreifen oder die Situation beeinflussen zu können. Genau das ist die große Stärke von "Maniac": Unvermeidlich verschmelzen Zuschauer und Täter. Es lässt durch die Augen eines Psychopathen blicken...nur leider kaum dahinter. Das ist die Schwäche von "Maniac".
Bevor ich darauf eingehe, kurz noch zu einem weiteren Pluspunkt: Die Musik. Während Frank wie ein Raubtier auf Beutezug durch die Straßen fährt, ertönt ein eindringlicher 80er Jahre Synthesizer-Soundtrack, eine Art Mischung aus dem von "Drive" und abstrakten Klängen, die abermals, grob, an einen Giallo erinnern. Diese Szenen sind unglaublich wirkungsvoll und ein beeindruckender Beweis, wie sehr die richtige Musikauswahl die gesamte Stimmung entscheidend beeinflussen können. Bärenstark.
Nun zur Kritik: Wie schon erwähnt, dem Zuschauer wird ein intensiver Blick durch die Augen von Frank gewährt, praktisch aufgezwungen, aber nicht dahinter. Frank's Motivation und Seelenqualen werden zwar angerissen und oberflächlich beleuchtet, das geht leider kaum tiefer als in die Waschküche der Hausfrauenpsychologie. Verstörte Kindheit, ausgeprägter Mutterkomplex, mit leicht ödipalen Anleihen. Grob scheint das zu reichen, doch wenn der Zuschauer schon aus seinem komfortablen Wohlfühlbereich gerissen wird, wäre da doch mehr wünschenswert gewesen. Da kratzt "Maniac" nur sehr unbefriedigend an der Oberfläche, offenbart dort Schwächen, die die fulminante Inszenierung zwar kaschieren, aber nie voll überdecken kann. Das ärgert schon, denn um einfach nur als schicker Slasher funktionieren und voll befriedigen zu können, lehnt sich der Film etwas zu weit aus dem Fenster.
Zünftig, bis unter die Haarspitzen. |
Das ist kein Fun-Splatter-Film, der will nicht den unbeschwerten Kick erzeugen, der ist befreit von Humor und Selbstironie. Er ist bitterböse, drastisch, knüppelhart (so hart und explizit, schon verwunderlich, dass die FSK da die 18er-Freigabe ungeschnitten auf die Lichtspielhäuser loslässt), aber genau dadurch eben so ernst, dass er auch so beurteilt werden muss. "Maniac" soll und will nicht belächelt werden, nur dann muss er sein Potenzial auch ausspielen. Würde er das tun, vielleicht ein Meisterwerk. Diese Inszenierung, diese Herangehensweise, gepaart mit einer gleichwertigen Geschichte und dem dazu benötigten Tiefgang...das wäre der pure Wahnsinn. So ist "Maniac" ein reiner Genrefilm, mit höheren Ansprüchen, leider bleibt es dabei. Dennoch: Genrefreunde sollten den unbedingt sehen, alle Interessierten auch, denn 08/15 ist ganz was anderes. Brillant auf halber Strecke, das ist mehr, als grundsätzlich dem Standard entspricht.
7 von 10 Skalps
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