Review: ANTICHRIST - In den Wald mit Lars von Trier

                                                      
http://medienjournal-blog.de/wp-content/uploads/2011/09/antichrist.jpg
Fakten:
Antichrist
D, DK, FR, IT, PL, SE, 2009. Regie und Buch: Lars von Trier. Mit: Willem Dafoe, Charlotte Gainsbourg. Länge: 104 Minuten. FSK: ab 18 Jahren freigegeben. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Nach dem Tod ihres kleinen Sohnes zieht sich ein trauerndes Paar in eine einsame Hütte in den Wäldern zurück. Er ist Psychiater und will sie dort therapieren. Doch er muss bald feststellen, dass viel mehr hinter dem Verhalten seiner Frau steckt, und beide stürzen in der Abgeschiedenheit der Hütte in eine Spirale aus Sex und Gewalt.




Meinung:
Gainsbourg und Dafoe mit vollem Körpereinsatz.
Hätte "Antichrist" von einem anderen Regisseur als Lars von Trier gedreht werden können? Nein, hätte wohl auch keiner vorgehabt. Ein provokanter Albtraum, in dem von Trier seinen Gemütszustand und sein (offenkundig) gestörtes Frauenbild reflektiert, eigentlich schon exhibitioniert. Sich als Zuschauer damit zu identifizieren scheint fast unmöglich, was letztendlich auch gut so ist. Es geht nicht darum mitzufühlen, Verständnis aufzubringen, sondern zu beobachten, fast zu gaffen. In einer handwerklichen Perfektion, anders kann ich das kaum beschreiben, nimmt von Trier den Zuschauer nicht wie andere Regisseure an die Hand um sie in den dunklen Wald zu führen, er fesselt sie auf den Rücken, hält ihm das Messer an die Kehle und zwingt ihn, sich mit ihm in den Garten Eden zu begeben.

 
Im Wald regiert nicht nur die Natur...
Was als noch nachvollziehbares Psychodrama beginnt (mit einer unglaublich aufspielenden Charlotte Gainsbourg) wird zu Lars von Triers "Evil Dead". Die grauenvolle Atmosphäre, eingefangen in erschreckend meisterlichen Bildern, verschluckt die Protagonisten wie den hilflos gefesselten Zuschauer. Sie frisst sich durchs Geäst, kriecht durchs Unterholz, die Unendlichkeit der Wälder wird zur Ausweglosigkeit aus der Hölle, zum Spielplatz für den Antichrist. Von Trier offenbart eine nihilistische Weltanschauung, läutet die Selbstzerfleischung eines Paares ein, die nach dem Verlust des einzigen Bindegliedes schon in der Zivilisation beginnt und in der Natur ihren Höhepunkt findet. Analytischer, distanzierter Nüchternheit steht krankhafter Wahnsinn gegenüber. Was am Ende dominieren wird, liegt in der Natur des Menschen.

 
...sondern das Chaos.
Von Trier geizt nicht mit Symbolik, im Gegenteil, daran könnten andere Projekte ersaufen. Zu "Antichrist" passt dieser interpretativer Overkill wie zu kaum einem anderen Werk. Der Film lädt zum mehrmaligen Ansehen ein und stößt gleichzeitig ab, denn freiwillig will ich mich in nächster Zeit nicht wieder in den Vorhof zur Hölle begeben. Doch irgendwann werde ich kaum anders können. Das von Trier das bei mir gelingt (ich bin nicht gerade ein Fan des schwierigen Zeitgenossen) spricht für sein Werk. Wie der Fuchs schon faucht: "Chaos reigns!" Dem ist nichts hinzuzufügen.

 
Verständlich, wenn "Antichrist" einige Zuschauer abstößt, alles andere wäre auch total unmöglich. 

8 von 10 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen