Fakten:
Antichrist
D,
DK, FR, IT, PL, SE, 2009. Regie und Buch: Lars von Trier. Mit: Willem
Dafoe, Charlotte Gainsbourg. Länge: 104 Minuten. FSK: ab 18 Jahren
freigegeben. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:
Nach
dem Tod ihres kleinen Sohnes zieht sich ein trauerndes Paar in eine
einsame Hütte in den Wäldern zurück. Er ist Psychiater und will sie dort
therapieren. Doch er muss bald feststellen, dass viel mehr hinter dem
Verhalten seiner Frau steckt, und beide stürzen in der Abgeschiedenheit der Hütte in eine Spirale aus Sex und Gewalt.
Meinung:
Gainsbourg und Dafoe mit vollem Körpereinsatz. |
Hätte
"Antichrist" von einem anderen Regisseur als Lars von Trier gedreht
werden können? Nein, hätte wohl auch keiner vorgehabt. Ein provokanter
Albtraum, in dem von Trier seinen Gemütszustand und sein (offenkundig)
gestörtes Frauenbild reflektiert, eigentlich schon exhibitioniert. Sich
als Zuschauer damit zu identifizieren scheint fast unmöglich, was
letztendlich auch gut so ist. Es geht nicht darum mitzufühlen,
Verständnis aufzubringen, sondern zu beobachten, fast zu gaffen. In
einer handwerklichen Perfektion, anders kann ich das kaum beschreiben,
nimmt von Trier den Zuschauer nicht wie andere Regisseure an die Hand um
sie in den dunklen Wald zu führen, er fesselt sie auf den Rücken, hält
ihm das Messer an die Kehle und zwingt ihn, sich mit ihm in den Garten
Eden zu begeben.
Im Wald regiert nicht nur die Natur... |
Was als noch nachvollziehbares Psychodrama beginnt
(mit einer unglaublich aufspielenden Charlotte Gainsbourg) wird zu Lars
von Triers "Evil Dead". Die grauenvolle Atmosphäre, eingefangen in
erschreckend meisterlichen Bildern, verschluckt die Protagonisten wie
den hilflos gefesselten Zuschauer. Sie frisst sich durchs Geäst, kriecht
durchs Unterholz, die Unendlichkeit der Wälder wird zur Ausweglosigkeit
aus der Hölle, zum Spielplatz für den Antichrist. Von Trier offenbart
eine nihilistische Weltanschauung, läutet die Selbstzerfleischung eines
Paares ein, die nach dem Verlust des einzigen Bindegliedes schon in der
Zivilisation beginnt und in der Natur ihren Höhepunkt findet.
Analytischer, distanzierter Nüchternheit steht krankhafter Wahnsinn
gegenüber. Was am Ende dominieren wird, liegt in der Natur des Menschen.
...sondern das Chaos. |
Von
Trier geizt nicht mit Symbolik, im Gegenteil, daran könnten andere
Projekte ersaufen. Zu "Antichrist" passt dieser interpretativer Overkill
wie zu kaum einem anderen Werk. Der Film lädt zum mehrmaligen Ansehen
ein und stößt gleichzeitig ab, denn freiwillig will ich mich in nächster
Zeit nicht wieder in den Vorhof zur Hölle begeben. Doch irgendwann
werde ich kaum anders können. Das von Trier das bei mir gelingt (ich bin
nicht gerade ein Fan des schwierigen Zeitgenossen) spricht für sein
Werk. Wie der Fuchs schon faucht: "Chaos reigns!" Dem ist nichts
hinzuzufügen.
Verständlich, wenn "Antichrist" einige Zuschauer abstößt, alles andere wäre auch total unmöglich.
8 von 10
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen