Review: DAS BOURNE VERMÄCHTNIS - Die Jagd geht weiter, diesmal sogar mit Kamerastativ


Fakten:
Das Bourne Vermächtnis (The Bourne Legacy)
USA. 2012. Regie: Tony Gilroy. Buch: Tony Gilroy, Dan Gilroy. Mit: Jeremy Renner, Rachel Weisz, Edward Norton, Stacy Keach, Dennis Boutikaris, Oscar Isaac, Donna Murphy, Louis Ozawa, , Željko Ivanek, Corey Stoll, Joan Allen, David Strathairn, Albert Finney, Scott Glenn, Paddy Considine, David Asmar, John Arcilla, Lou Veloso, Elizabeth Marvel u.a. Länge: 135 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Elite-Soldat Aaron Cross nimmt bei der geheimen Operation Outcome der CIA teil. Hier wird die physische wie psychische Leistungsfähigkeit der Probanden mittels neuartiger pharmazeutischer Mittel extrem erhöht. Während Cross in Alaska trainiert bekommt der CIA durch den scheinbar außer Kontrolle geratenen Agenten Jason Bourne Probleme. Durch seine auffälligen Aktivitäten stellt das FBI unangenehme Fragen, was die geheimen Operationen der CIA stark gefährdet. Geheimdienst-Chef Kramer beschließt deswegen alle Personen, die irgendwie mit Outcome zu tun haben zu liquidieren. Darunter zählt auch Cross, doch der erweist sich als schweres Ziel.




Meinung:
Regisseur Paul Greengrass hatte keine Lust mehr und weil Superstar Matt Damon ohne ihn kein viertes Mal in die Rolle des Superagenten Jason Bourne schlüpfen wollte, musste Universal einen anderen Weg finden, um die äußerst lukrative „Bourne“-Reihe fortzuführen. Zum Glück gab es ja Tony Gilroy, der Mann der die Romanreihe von Robert Ludlum äußerst frei fürs Kino adaptierte. Es war kein Geheimnis, dass er mit Greengrass‘ Umsetzung seiner Scripts nicht sonderlich zufrieden war und da Gilroy bereits recht erfolgreich Regieerfahrung sammeln konnte (u.a. der meisterhafte „Michael Clayton“), durfte er nun zeigen, was sich im Bourne-Kosmos ereignete, während Titelheld Jason in „Das Bourne Ultimatum“ aktiv war. „Das Bourne Vermächtis“ ist also ein Spin-Off, welches ohne Matt Damon auskommen muss und die Aktivitäten rund um CIA, Superagenten und der ominösen Geheimoperation Treadstone weiterspinnt.


Die vorherigen drei Teile waren vor allem durch den visuellen Stil von Paul Greengrass, der den zweiten und dritten Kinoeinsatz von Bourne inszenierte, geprägt. Speziell sein Hang zu einer ruhelos-hektischen Shaky-Cam-Optik brachte ihm so viel Lob wie auch Kritik ein. Für die einen war es ein akkurates Stilmittel um die Quintessenz des Actiongenre einzufangen, nämlich die Bewegung, für andere war es eine kopfschmerzenauslösende, verwirrende wie orientierungslose Prahlerei, die Bournes Abenteuer zu einem Zittern ohne Überblick machten. Tony Gilroy scheint diese Meinung zu vertreten. Sein Bourne-Film spart auch nicht mit schnellen Schnitten und Perspektivenwechseln, diese wirken aber allesamt weitaus weniger konfus Der Zuschauer behält auch in hypernervösen Szenerien den Überblick. Das hilft nicht nur bei den Actionpassagen, sondern auch bei der eigentlichen Handlung, die typisch für solch eine Couleur von Filmen, sich nicht nur auf einen Handlungsort beruht, sondern die Figuren, sowie das Publikum, einmal rund um die Welt schickt. Dieser Weltreise fehlt es hier allerdings an Charakteristik. Während es den Bond-Machern oftmals gelingt etwas Lokalorit einzufangen, wirken alle Settings in „Das Bourne Vermächtnis“ fast lieblos, gleich und austauschbar. Nur zu Beginn wenn Aaron Cross (Jeremy Renner) in Alaska unterwegs ist, weht der eisige Wind der Abwechslung.


Dieser Cross, der mit Angreifern ähnlich kurzen Prozess macht, wie seine Kollege Jason Bourne, hat im Gegensatz zu seinem Vorgänger das große Glück, dass seine Geschichte im Film eine zentrale Rolle spielt. Ja, bei Bourne war dies genauso, nur wurde sein Leben, der Hintergrund warum er zu einem Killer auf Abruf wurde, gestreckt und auf drei Teile verteilt. Cross ist gewiss keine Figur, die einem im Gedächtnis bleibt, aber sein Background wird dem Zuschauer innerhalb von knapp 130 Minuten offenbart, ohne dass pseudo-spannende Schattenbereiche seiner Historie angerissen und geteasert werden, um weitere Sequels zu rechtfertigen. Dies bedeutet selbstverständlich nicht, dass Cross ein endgültiges Ende (ob nun gut oder schlecht) spendiert bekommt.  „Das Bourne Vermächtnis“ gehört eben zu einer Filmreihe und soll fortgeführt werden, zumindest wenn das Einspielergebnis stimmt.


Gilroys Film ist abseits seiner Zugehörigkeit zum Bourne-Universum ein lupenreiner Action-Thriller über den Gejagten und seine Jäger. Nach einem stimmungsvollen Start misslingt es aber der Geschichte und vor allem einzelnen Figuren etwas Kontur zu verleihen. Eric Byers, der die „Abschaltung“ von Operation Outcome überwacht und von Edward Norton gespielt wird, bleibt unnatürlich blass und austauschbar. Er ist ein, für den Helden, stiller Antagonist, der als Patriot zwar ohne zögern Menschen töten lässt, aber dennoch nie wirklich eine akkurate Bedrohung ausstrahlt. Er repräsentiert sie nur und dies besitzt hier leider kein sonderliches Gewicht. Dies aber bei den „Bourne“-Filmen ja schon Tradition. Die wahren Bad Guys sind wohlsituierte Strippenzieher im Anzug und sitzen hinter ihren Schreibtischen, dennoch eine vertane Chance. Ebenfalls ohne überzeugendes Profil bleibt die Rolle von Rachel Weisz. Weisz, die gewiss eine großartige Schauspielerin ist, ist hier nicht mehr als ein notwendiges Anhängsel, während sich Hauptdarsteller Jeremy Renner hier nach „Marvel’s The Avengers“ erneut als Hollywoods Next Actionhero empfiehlt. Er besitzt für solch eine Rolle, wie die des Aaron Cross, genau die richtige, weil unterkühlte Ausstrahlung und seine physische Präsenz, die in den Actionszenen zu bestaunen ist, haftet eine faszinierende Grausam- und Zielstrebigkeit an und genau so inszeniert Gilroy auch die adrenalinhaltigen Momente seines Films. Klares Highlight: die finale Verfolgungsjagd per Motorrad, bei der es sich wirklich auszahlt, dass hier im Gegensatz zu den Vorgängern auch mal ein Kamerastativ im Einsatz war.


„Das Bourne Vermächtnis“ gliedert sich ohne große Mühe in die Reihe ein. Die Story wird nicht sonderlich originell fortgeführt - wer hat das schon erwartet? - und der Bourne-Ersatz Aaron Cross ist eine gelungene Kopie des Originals mit positiven Verbesserungen. Der große Wurf ist Tony Gilroys dritte Regiearbeit aber dennoch bei weitem nicht, denn eine Kopie ist eben nur eine Kopie und auch wenn Fans sich freuen dürfen, dass sie alte Bekannte aus den vorherigen Filmen in kurzen Auftritten wiedersehen können, so bleibt doch ein abgeschmacktes Gefühl zurück. „Das Bourne Vermächtnis“ gelingt es nicht sich vollends und alleinstehend zu beweisen. Ein unnötiges Spin-Off eben, welches nicht über den Status einer Notlösung hinaus kommt, weil Paul Greengrass und Matt Damon keine Lust mehr auf Geheimagenten hatten. Andererseits ist die Inszenierung beim neusten Teil greifbarer, was „Das Bourne Vermächtnis“ trotz allem zu einem soliden Entertainer im Action-Bereich macht. Das Erbe von Jason Bourne hätte durchaus enttäuschender angetreten werden.

6 von 10

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen