Review: BLUE VELVET - Der Abgrund hinter blauem Samt

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Fakten:
Blue Velvet
USA, 1986. Regie & Buch: David Lynch. Mit: Kyle MacLachlan, Isabella Rosselini, Dennis Hopper, Laura Dern, Hope Lange, Dean Stockwell, George Dickerson, Priscilla Pointer, Brad Dourif u.a. Länge: 116 Minuten. FSK: ab 16 Jahren freigegeben. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Lumberton, eine verschlaffene Bilderbuchkleinstadt im Herzen der USA. Hier wird der amerikanische Traum gelebt. Behütet, sauber, ein Ort ohne Fehl und Tadel. Mitten in diesem Traum lebt Jeffrey...bis er ein abgetrenntes Ohr findet. Seine Neugier treibt ihn zu Nachforschungen, die ihn in einen perversen Strudel aus Gewalt und sexueller Abgründe befördern. In eine Welt, die wie ein Paralleluniversum von Lumberton erscheinen. Hinter der blauen Vorhang...


Meinung:
"She wore blueeee velvet...". 

Der Film hat es geschafft, dass ich bei dem Song sofort an Dennis Hopper denken muss, wie er einen tiefen Zug Sauerstoff (oder was auch immer) nimmt und einen "Dialog" mit der Vagina von Isabella Rosselini hält. 

 
Jeffrey hält die Ohren steif.
Lumberton, eine saubere Bilderbuchkleinstadt, in der rote Rosen vor strahlend weißen Gartenzäunen blühen, die Rotkehlchen ihr freudiges Lied zwitschern und der Feuerwehrmann freundlich winkt. Ein idyllisches Gemälde des braven Spießbürgertums. Beschaulich, anständig, langweilig...wenn man nicht zu neugierig ist. 

"Bist du einfach neugierig oder pervers?"
 
Inmitten dieses Abziehbildchen des amerikanischen Traums findet Jeffrey ein Ohr. Ein menschliches Ohr, mit einer Schere abgetrennt, mitten auf einer grünen Wiese. Dieser Fund wird sein Weltbild für immer verändern. Jeffrey belässt es nicht dabei, die örtliche Polizei zu informieren, er will mehr erfahren. Mehr über etwas, was er so wohl nie für möglich gehalten hätte. Was steckt dahinter? Wie kommt ein abgetrenntes Ohr in sein sauberes Lumberton, mitten auf diese schöne, grüne Wiese? Er begibt sich von Neugier und Abenteuergeist getrieben auf eine Reise jenseits seines Heimatviertels und stößt auf eine versteckte Hölle, die in der Lincoln Street beginnt. 

 
In der Nacht erwacht das Böse in Lumberton.
David Lynch kreiert einen Albtraum, der im Vergleich zu einigen seiner anderen Werke (z.B. "Lost Highway") nicht so abstrakt, verkopft und interpretativ ist. "Blue Velvet" erzählt eine Film Noir Story, die komplett schlüssig und in sich geschlossen ist. Keine wilder Bilderrausch, kein großes Fragezeichen am Ende, kein Nährstoff für unendliche Diskussionen, was er uns sagen will. Aber es ist ein echter Lynch, niemand anderes hätte diesen Film so machen können. Er entführt den naiven und unschuldigen Jeffrey wie den Zuschauer in eine Parallelwelt hinter die Fassade des Normalen, des Alltags, der so selbstverständlich und unantastbar scheint. Es öffnet sich ein Welt voller Perversion und Gewalt, die genauso abschreckend, verstörend wie auch faszinierend ist. Jeffrey könnte diese Welt hinter sich lassen, nachdem er sie entdeckt hat. Der Reiz ist aber größer, er kann es einfach nicht und riskiert damit mehr, als ihm zunächst bewusst ist. 

 
Jeffreys Fahrt ins Ungewisse.
"Blue Velvet" ist ein brilliant inszenierter Psychothriller um den Reiz des Verborgenen, den Reiz vor dem Unbekannten, der Flucht vor der Langeweile, der Faszination für das Grauen hinter dem Vorhang. Es gibt die harmlose Welt voller roter Rosen, weißer Zäune und winkender Feuerwehrmänner, es gibt aber auch die Welt mit devoter Unterwerfung und abgeschnittenen Ohren. Lynch erzeugt einen unglaublichen Sog, der Jeffrey und den Zuschauer immer weiter in diese Welt abtauchen lässt und schafft zudem einen der erinnerungswürdigsten Psychopathen der Filmgeschichte. Dennis Hopper liefert die darstellerisch wohl beste Leistung seiner Karriere. Wahnsinn steht ihm ins Gesicht geschrieben, er müsste nicht mal das F-Wort so inflationär benutzen, dass es seines Gleichen sucht. Auf seine Screentime hochgerechnet, kommt da nicht mal Al Pacino in "Scarface" mit.  Ein Film, der so was wie die Basis für Lynchs Serienmeisterwerk "Twin Peaks" bildet. Vieles scheint eine Art Blaupause zu sein. Allein der jazzige Score ließ mich öfter an meine Lieblingsserie denken. 


Ein Film, der nie langweilig wird und sogar immer mehr bei jeder Sichtung gewinnt. 

Ein Film, der jedesmal fasziniert und ein ganz großes Ausrufezeichen setzte. 

Ein Film, der mich jedesmal an Dennis Hopper denken lässt, wenn.... aber so weit war ich ja schon.     


9 von 10 

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