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Review: EWIGE JUGEND – Vom Schwelgen in Erinnerungen und der Vergänglichkeit des Lebens

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Fakten:
Ewige Jugend (La Giovinezza)
CH/FR/GB/IT, 2015. Regie & Buch: Paolo Sorrentino. Mit: Michael Caine, Harvey Keitel, Rachel Weisz, Paul Dano, Jane Fonda, Paloma Faith, Ashley Bryant, Alex MacQueen, Ed Stoppard, Robert Seethaler, Tom Lipinski, Alex Beckett u.a. Länge: 123 Minuten. FSK: Freigegeben ab 6 Jahren. Ab 1. April 2016 auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Fred Ballinger und Mick Boyle sind seit Jahrzehnten befreundet und verbringen einmal im Jahr einen gemeinsamen Urlaub in einem Schweizer Edelhotel. Ballinger, früher Komponist, will seinen Beruf im hohen Alter hinter sich lassen. Boyle, ein Regisseur, will nochmal ein großes Alterswerk als eine Art Testament drehen. Beide hadern mit ihren Leben, in denen sie immer wieder in der Vergangenheit schwelgen.




Meinung:
Welch Ironie, wenn mitten im Film und beim Einsetzen des Abspanns "Just (After Song of Songs)" von David Lang erklingt. Selbigen Song verwendete Paolo Sorrentino bereits 2013 in seinem einzigartigen Meisterwerk "La Grande Bellezza". "La Giovinezza" enthält nicht nur auf diese Weise eine Parallele zum vorigen Werk, sondern auch hinsichtlich der beiden Hauptfiguren, die dem charismatischen Zyniker Jep Gambardella aus "La Grande Bellezza" immer wieder sehr ähnlich sind. Fred Ballinger und Mick Boyle, beide absolut herausragend gespielt von Michael Caine und Harvey Keitel, sind alt gewordene Künstler. Der eine ein Dirigent, der andere Regisseur und beide mehr oder weniger im Ruhestand. In einem luxuriösen Wellness-Hotel in den Schweizer Alpen, in dem sie gemeinsam seit Jahrzehnten jährlich residieren, resümieren sie über vergangene Zeiten und über den Stellenwert ihres aktuellen Lebens im hohen Alter.


Es gibt Dinge, die ändern sich selbst im Alter nicht
Sorrentino formt aus dieser Handlung einen beinahe episodenhaft wirkenden Film, der tonal ständig zwischen wehmütiger Melancholie, zynischem Witz und sehr skurrilen Nebenfiguren und Situationen wechselt. Ganz gemäß dem höheren Alter seiner beiden Hauptfiguren verschrieben ist auch "La Giovinezza" immer wieder von einer gewissen Lethargie durchzogen, in der der Regisseur dazu einlädt, in den wieder einmal meisterhaft inszenierten Szenen viele kleine Momente zu entdecken, die entweder zum Nachdenken anregen, berühren oder äußerst witzig ausgefallen sind. Das ein oder andere Mal suhlt sich der Film dabei etwas zu arg in seiner eigenen Kunstfertigkeit und neigt zu prätentiösem Style-over-Substance. Auch die hohe Emotionalität und die extrem tiefgründigen Untertöne, für die Sorrentino sich sonst rühmen konnte, fallen etwas geringer aus. Nichtsdestotrotz sind sie auch hier vorzufinden, die typisch magischen Momente, für die man diesen Regisseur lieben darf.


Wenn Michael Caine´s Figur beispielsweise resigniert auf einem Baumstumpf sitzt und mitten in der malerischen Alpen-Landschaft eine Kuh-Herde zu imaginären Klängen und Geräuschen dirigiert, ist das ebenso albern wie berührend und nur einer von vielen Momenten, in denen eigentlich gegensätzliche Stimmungen harmonisch zueinander finden. Auch bei den Nebencharakteren gibt es einiges zu erleben. Rachel Weisz glänzt mit einer herzzerreißenden Performance, während Paul Danos Figur des meist auf eine Rolle reduzierten Schauspielers einen äußerst makabren Höhepunkt spendiert bekommt. "La Giovinezza" ist als Gesamtwerk wie von Paolo Sorrentino nicht anders gewohnt erneut brillant in Szene gesetzt. Jede Einstellung sitzt perfekt und der musikalisch vielfältige Soundtrack passt zu jeder Szene. Die Geschichte wartet mit einigen Facetten zu Themen wie Alterswehmut, Liebe und Kunst an sich auf und hat viel skurrilen Witz sowie berührende Pointen zu bieten. Lediglich ein Überhang zu kunstvoll ausgestellter Stagnation und nicht immer emotional gänzlich mitreißenden Momenten trennen den großartigen Film von einem Meisterwerk.


8 von 10 fette Maradona-Doubles


von Pat

Review: WO GANGSTER UM DIE ECKE KNALLEN & WISE GUYS - Zwei Mafiaklamotten für die Altkleidersammlung

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Fakten:
Wo Gangster um die Ecke knallen (The Gang That Couldn’t Shoot Straight)
USA, 1971. Regie: James Goldstone. Buch: Waldo Salt, Jimmy Breslin (Vorlage). Mit: Jerry Orbach, Leigh Taylor-Young, Jo Van Fleet, Lionel Stander, Robert De Niro, Irving Selbst, Hervé Villechaize, Joe Santos, Frank Campanella u.a. Länge: 92 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD (Imort) erhältlich.


Story:
Kleinganove Kid Sally beherrscht mit seiner Bande den Schutzgeldmarkt von Süd-Brooklyn, viel gibt es dort jedoch nicht zu holen. Das große Stück vom Kuchen gehört Mafioso Baccala. Kid legt sich mit dem Don an und versucht, ihn aus dem Weg zu räumen. Gar nicht so einfach, denn seine Leute bringen sich bei ihren stümperhaften Mordversuchen eher selbst um die Ecke.

                                                                                 

Meinung:
Manche Filme verschwinden im Laufe der Zeit ganz sang- und klanglos von der Bildfläche…oder waren auch vorher schon nicht der Rede wert. „Wo Gangster um die Ecke knallen“ (der deutsche Titel trägt daran weniger Schuld als man vermuten mag) ist und war niemals ein brauchbarer Film, aber er war eine der ersten Bühnen von Robert De Niro, kurz bevor ihm sein Mentor Martin Scorsese mit „Hexenkessel“ zum großen Durchbruch verhalf. Der Rest ist Geschichte. Wahrscheinlich war diese belanglose Räuberpistole sogar der Türöffner dieser wundervollen Langzeitehe, Marty-Stammproduzent und Gelegenheitsregisseur Irwin Winkler stemmte auch dieses Projekt. Warum auch immer…


Jeder fängt mal klein an...
Total chancenlos ist die Idee ja nicht mal und nach einem chaotischen Start schleichen sich zumindest ansatzweise so was wie potenziell brauchbare Momente ein. Zum Glück nicht ganz so nervtötend wie zunächst befürchtet gelingt es dem Gangsterknallkopf nur nicht, aus seinen vorhandenen Möglichkeiten ein vernünftiges Ganzes zu basteln. Mehr als ganz heimlich hinter vorgehaltener Hand über ein bis zwei zu einem Drittel gelungen Gags in über 90 Minuten zu schmunzeln ist bei aller Liebe kaum drin. Ohne Robert De Niro ginge hier wahrscheinlich gar nichts. Der hat zwar nur eine Nebenrolle mit leicht rassistischen Tendenzen (obwohl es eine Zeit lang sogar ganz witzig ist, dass er als kleptomanischer Spaghetti-Gauner alles einsteckt was nicht niet- und nagelfest ist), war jung und brauchte das Geld, sticht dennoch schon aus diesem mausgrauen Staubfänger sichtlich heraus. Spielfreudig, agil, selbst für Blinde hochtalentiert, als Sprungbrett hat dieses Filmchen durchaus seinen (einzigen) Zweck erfüllt. Außerdem ein wahres Tummelbecken für später noch bekannte Gesichter im Mafiafilm-Milieu wie Michael V. Gazzo („Der Pate II“) oder Burt Young („Es war einmal in Amerika“). Das macht dieses Kuddelmuddel nicht besser, nur grob auffälliger. Und es geht noch wesentlich schlimmer, wie es gleich zu lesen gibt (passend, dass einer der wenigen dort lustigen Ideen schon hier verwendet wurde: Das alltägliche Autostarten mit Kanonenfutter).

4 von 10 Löwen im Keller



Fakten:
Wise Guys – Zwei ausgeschlafene Jungs (Wise Guys)
USA, 1986. Regie: Brian De Palma. Buch: George Gallo, Norman Steinberg. Mit: Danny DeVito, Joe Piscopo, Harvey Keitel, Dan Hedaya, Lou Albano, Ray Sharkey, Julie Bovasso, Patti LuPone, Frank Vincent u.a. Länge: 100 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD (Import) erhältlich.


Story:
Harry und Moe sind arme Handlanger von Mafiaboss Castelo. Als sie für ihn eine Wette bei einem Pferderennen platzieren sollen, setzen sie eigenverantwortlich buchstäblich auf’s falsche Pferd und schulden ihrem Boss nun 10.000 $. Statt sie einfach gleich selbst umzulegen, schlägt er jedem geheim einen Deal vor: Töte deinen Freund, und wir sind quitt. Ohne sich gegenseitig von dem Angebot zu erzählen, ergreifen sie erstmal die Flucht und versuchen, das Geld anderweitig aufzutreiben.

                                                                                            
Meinung:
Was ist denn hier bloß in Brian De Palma gefahren? Bis zu diesem desaströsen Kasperletheater hatte sich der Regisseur von Filmen wie „Carrie – Des Satans jüngste Tochter“, „Dressed to Kill“, „Blow Out – Der Tod löscht alles Spuren“ oder „Scarface“ keinen echten Fehlgriff geleistet, ganz im Gegenteil. Sich mal anderweitig ausprobieren ist völlig legitim und gestattet, aber doch bitte nicht so trampelig und infantil-albern.


Peinlich berührt, mit Recht.
De Palma gelingt das Kunststück mit seiner überdrehten und rein auf puren Blödsinn ausgelegten Regie, selbst einen fähigen Komiker wie Danny DeVito mit seinem Talent im Regen stehen zu lassen, sich hilflos an schauderhaft-platten Gags die Birne wundzustoßen. Neben DeVito werden auch noch Harvey Keitel („Reservoir Dogs“) und Dan Hedaya („Die üblichen Verdächtigen“) gleich mitverheizt, die können da gar nichts mehr retten. Der größte Besetzungsflop ist noch nicht mal Wrestling-Manager „Captain“ Lou Albano als fettleibiger Mobster-Killer „The Fix“ (was schon gruselig ist), den Vogel schießt DeVito’s Co-Star, Anti-Schauspieler Joe Piscopo („Dead Heat“…das war’s dann eigentlich schon…) ab, dessen scheußliche Gesichtsentgleisungen sind waffenscheinpflichtig. Wenn denn mal ein Witzchen beinah droht zu zünden (kommt nicht oft vor), folgt postwendend irgendein unzumutbarer Quatsch, der alles wieder zunichtemacht. Das Timing ist entsetzlich, Piscopo und Albano chargieren wie von einer tollwütigen Tarantel gestochen und mitten drin der arme Danny DeVito, der wahrscheinlich selbst nicht geglaubt hat, dass er unter Brian De Palma eine seiner schlechtesten Komödien überhaupt drehen würde.


Sagenhaft, wie so (teilweise) brauchbare Menschen zu so einem Scheiß zusammenkommen können. Humor ist und bleibt natürlich irgendwo immer Ansichts- und Geschmackssache, aber es gibt echt Grenzen. Besonders wenn man sieht, wer sich hier unter wem zum Voll-Horst macht. Das muss doch nicht sein.

3 von 10 gestohlenen Kreditkarten

Review: ROTER DRACHE - Altes neu aufgetischt

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Fakten:
Roter Drache (Red Dragon)
USA, 2002. Regie: Brett Ratner. Buch: Ted Sally, Thomas Harris (Vorlage). Mit: Edward Norton, Anthony Hopkins, Ralph Fiennes, Harvey Keitel, Emily Watson, Mary-Louise Parker, Philip Seymour Hoffman, Anthony Heald, Ken Leung, Frankie Faison, Tyler Patrick Jones u.a. Länge: 120 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
FBI-Profiler Will Graham hat sich eigentlich zur Ruhe gesetzt, als ihn sein Vorgesetzter Crawford um die Mithilfe bei einem Fall bittet. Der Serienkiller „Die Zahnfee“ tötet bei Vollmond ganze Familien, die Ermittler haben keine heiße Spur. Widerwillig nimmt Graham an, steht aber bald selbst auf dem Schlauch. Da der nächste Vollmond naht, muss er einen Pakt mit dem Teufel eingehen: Er sucht die Unterstützung von Dr. Hannibal Lecter, dem kannibalischen Psychiater, den er zu Letzt hinter Gitter brachte und dabei fast sein Leben verlor.



Meinung:
Nach der von der Kritik zwar umstrittenen, kommerziell dafür sehr erfolgreichen Wiederbelebung des ikonischen, kultivierten Kannibalen Dr. Hannibal Lecter in „Hannibal“ wollte man sich die Chance auf einen weiteren Hit nicht entgehen lassen. Da ein Jahr später natürlich noch keine neue Geschichte von Autor Thomas Harris vorlag, ging man eben den Weg der Neuverwertung. Harris‘ erster Lecter-Roman wurde einfach nochmal verfilmt. Bereits 1986 entstand unter der Regie von Michael Mann mit „Manhunter“ eine filmische Adaption des Stoffs, ging seiner Zeit allerdings an den Kinokassen gnadenlos unter. Vielen Menschen war der Film gar kein Begriff, als 1991 mit der Umsetzung des Folgeromans „Das Schweigen der Lämmer“ ein Welthit geschaffen wurde, der fünf Oscars abräumte und Anthony Hopkins für seine unfassbare Interpretation des gebildeten, hochintelligenten und diabolisch-manipulativen Monsters hinter Plexiglas zum Superstar machte.


Back in the Game...
Der Neustart ist somit vom wirtschaftlichen Standpunkt bald logisch, birgt natürlich dennoch ein großes Risiko, aus unterschiedlichen Gründen. Mal unabhängig zu der teilweise zwar nachvollziehbaren, nichtsdestotrotz in der Radikalität zu massiven Unterschätzung von Michael Manns Film (dazu gleich), schon „Hannibal“ blieb weit hinter den Erwartungen zurück und musste sich einiges an herber Kritik gefallen lassen. Der Regisseurs des Film, Ridley Scott, trägt daran die geringste, um nicht zu sagen gar keine Schuld. Ganz im Gegenteil, gerade durch ihn und seine Leistung ist die Verfilmung von „Hannibal“ eigentlich mehr wert, als es die Grundlage hergibt. Der schwarze Peter zu dem deutlichen Qualitätsabsturz von „Das Schweigen der Lämmer“ zu „Hannibal“ liegt eindeutig bei Thomas Harris, der schlicht nicht das Niveau halten konnte. War „Das Schweigen der Lämmer“ in Buch und Film noch ein exzellenter Psychothriller, war „Hannibal“ bereits in der literarischen Version getrüffelter Pulp. Exploitativer Edel-Trash, den Scott bald irritierend elegant auf die Leinwand brachte und der Diskrepanz aus brutalem Blödsinn und berauschender Inszenierung eine ganz eigene Note verlieh, eigentlich doch den Geist des Buchs einfing, besser als es dieses wohl selbst geplant hatte. „Hannibal“ war extrem wüstes, teils absurdes Kino mit überkandidelten Figuren und Konstellationen, serviert als elitäres Dinner im klassischen Ambiente. Exakt damit traf Scott die merkwürdige Wechselwirkung des Hannibal Lecter auf den Punkt: Ein abscheuliches, perverses Monster, gleichzeitig der eloquente, gebildete und angepasste Weltbürger. Ein Wiederspruch in sich, was Scott damals grandios (und meistens verkannt) in Bilder verpacken konnte.


Von hinten schöner als von vorne...
Das nächste „Problem“ einer Neuverfilmung hat zwei Seiten: Obwohl „Manhunter“ damals ein Flop war, inszenatorisch ist er über jeden Zweifel erhaben. Michael Mann gelang ein betörender, beinah hypnotischer Großstadtthriller, dem er einen ganz eigenen, individuell-mutigen Stempel aufdrücken konnte. Von den Bild- und Tonarrangements mitten in seinem Entstehungszeitraum verankert und trotzdem sehr visionär, gewagt ging Mann zu Werke, tauchte die Handlung in einen aufsaugenden Strudel, dessen Klasse (flächendeckend) erst später entsprechend gewürdigt wurde. Künstlerisch ist der Film heute noch bemerkenswert, sein größtes Mängel – abgesehen von der Tatsache, dass er damals einfach eine B-Movie-Version einer noch nicht kultisch verehrten Romanvorlage war - ist aber weiterhin vorhanden. „Manhunter“ änderte speziell das letzte Drittel des Buchs extrem ab, beraubte sich selbst des ursprünglichen Finales. Mann orientierte sich am Werk von Harris, was aber nicht akribisch auf eine getreue Abhandlung fixiert. Um nun (endlich) zu diesem „Roter Drache“ zu kommen: Der ist ganz dicht am Buch, was ein klarer Vorteil ist. Denn qualitativ sind die Romane von „Roter Drache“ und „Das Schweigen der Lämmer“ nicht so weit voneinander entfernt, zumindest nicht so weit wie zu „Hannibal“. Der psychologische Schwerpunkt liegt klar bei „Das Schweigen der Lämmer“, allein durch das penible, sezierende Psycho-Duell zwischen Clarice Starling und Hannibal Lecter, von seiner durchdachten und spannungsfördernden Dynamik sind sie sich sehr ähnlich.


Maßnehmen fürs Glasauge.
„Roter Drache“ hat somit eigentlich alles, was es für einen erstklassigen Thriller braucht. Er hat eine tolle Geschichte, er hat die entsprechenden Mittel aus der Produktionskasse, einen grandiosen Cast und den Hype um Hannibal Lecter im Rücken, wo ist denn das Problem? Es klingt so schlicht, aber es ist entscheidend: Dieser „Roter Drache“ hat keine eigene Handschrift, nicht im Ansatz. Ihm fehlt es an dem brillanten Moment von Jonathan Demme sowie dem autarken Dasein von Michael Mann und Ridley Scott. Es ist eine sehr solide, brave und konforme Transformation des geschriebenen Wortes auf die große Leinwand mit (nun) viel Budget und Starpower. Der erlaubt sich keine Ausreißer, keine Fehler aber auch keine Experimente, verlässt sich rein auf seine Rahmenbedingungen und fährt damit mutlos-sicher. Brett Ratner ist dafür der ideale Mann, der hat nie und wird nie so was wie einen eigenen Stil entdecken, der macht halt. Man sieht alles, man hört alles, Text war okay, die Darsteller sind erprobt genug, super, fertig. „Roter Drache“ ist lupenreines und jederzeit spannendes Thriller-Kino, das leider zu konform und austauchbar daherkommt. Die einzigen Abänderungen sind auch nur berechnend, klar muss Anthony Hopkins als „Star“ (obwohl die besten Szenen einzig und allein Ralph Fiennes auf sich vereint) mehr Raum bekommen als in der Vorlage, selbst das ist eher ein Kritikpunkt. Erstmal ist Hopkins zu alt für die Rolle (als Prequel, also bitte, das sieht man) und „seine“ Szenen wirken bald schon dreist bei „Das Schweigen der Lämmer“ kopiert, da merkt man schon die Mutlosigkeit bzw. die Planungssicherheit, alles bloß „richtig“ zu machen.


„Roter Drache“ ist ein durchaus guter Film, aber er könnte so toll sein. Ihm fehlt nicht nur die Kirsche, sondern gleich die ganze Sahne auf dem Eis. Bei Demme hatte man alles, bei Mann und Scott fehlten entweder Kirsche, Sahne oder Eis, aber dafür gab es Gründe. Die Gründe hier sind eher schleierhaft bzw. eben nicht, da beruhend auf dem konventionellen Dasein: Guter Standard, für die Möglichkeiten schon zu wenig. 

6 von 10 brennenden Rollstühlen

Review: TAXI DRIVER – Einsam und verloren im Großstadtdschungel

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Fakten:
Taxi Driver
USA. 1976. Regie: Martin Scorsese. Buch: Paul Schrader. Mit: Robert DeNiro, Jodie Foster, Cybill Shepard, Harvey Keitel, Peter Boyle, Albert Brooks, Martin Scorsese, Leonard Harris u.a. Länge: 114 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Vietnamveteran Travis Bickle kann nicht schlafen. Die Nacht nutzt er deshalb dafür als Taxifahrer Geld zu verdienen. Auf seinen Touren bekommt er es mit der ganzen menschlichen Bandbreite New Yorks zu tun. Als er sich in die Wahlkampfhelferin Betsy verliebt, scheint Travis Leben wieder so etwas wie einen Sinn zu bekommen.





Meinung:
Martin Scorsese („Departed – Unter Feinden“) entführt uns in die besudelten Straßen des 1970er Jahre New York City. Belebt und simultan zerstört vom asozialen Abschaum, der noch nicht im elendigen Sumpf der Metropole untergegangen ist. Die Kamera streift elegisch durch den schwarzen, verqualmten Strudel und saugt uns ein. Lässt uns zusammen mit Travis Bickle (Robert De Niro, „Wie ein wilder Stier“) auf einen kräftigen Regen warten, so stark, dass er das Gesindel und das Pack in seiner Erbärmlichkeit von den Straßen spült, um sie endlich zu reinzuwaschen. Der widerliche Gestank, der in der Luft steht, muss von einem unaufhaltsamen und gnadenlos fauchenden Orkan weggeblasen werden, damit auch wir uns in einer besseren Welt wiederfinden dürfen: Travis könnte dieser Orkan sein, ein in beharrlicher Massivität prustende Sturm.


Wären Handys im Saal würde Travis die echte Wumme auspacken
Travis lebt in seiner ganz eigenen Welt. Seelisch gezeichnet von einem schweren Kriegstrauma und einer unausweichlichen Einsamkeit, die Travis begleitet, seitdem er selbstständig denken kann. Nachts besteigt er seinen Blechsarg auf vier Rädern, die dunkelsten Ecken und Viertel werden zu seinem Revier. Genau die Ecken, Bezirke, Viertel und Straßen, denen er mit so viel Hass begegnet, dessen hiesigen Pöbel er ausrotten möchte – Alles miteinander! Für Travis Bickle sind diese Menschen keine Menschen, die Huren, Betrüger, Amateurnutten, Sodomiten, Trinen, Schwuchteln, Drogensüchtige, Fixer und die kaputten Syphkranke sind Dreck, der am Ende der gesellschaftlichen Nahrungskette kauert und entsorgen werden muss. Nach Einbruch der Dunkelheit treibt er sich in schmuddeligen Pornokinos herum, zurückgezogen in sein kaltes, verlorenen Herz und nur die hübsche Wahlkämpferin Betsy kann ihm aus seinem Loch retten – Der Engel in der Finsternis, die vermeintliche Erlösung, das helle Licht in alles verschlingender Finsternis.


Harten Tag gehabt: Travis hängt ab
Doch mit Betsy und Travis konfligieren zwei Typen von Menschen, die sich in ihren Gegensätzen nicht anziehen, sondern abstoßen: Sie besitzt noch Gefühle, besitzt aufrichtige Ideale, er ist apathisch und ein aus sozialen Strukturen ausgestoßener, ganz eigen und unfähig, sich in seiner Umwelt zurechtzufinden. „Taxi Driver“, die analytische Reflexion über die Einsamkeit. Kocht Travis' Wut auf, eine Wut, ein Zorn, eine Abscheu und Animosität gegen die Menschen und die Welt, die sie aus ihr gemacht haben. Alles scheint verpestet und verkommen, verrohrt und abgestumpft. Wenn Travis die 12-jährige Prostituierte Iros (Jodie Foster, „Der Gott des Gemetzels“) kennenlernt und sich mit ihren Lebensumständen vertraut macht, erschleicht ihn ein Gefühl der Verantwortung, der Zivilcourage. Er will ihr helfen, sie aus dem Schmutz ziehen und ihr einen Ausweg ermöglichen. Einen Ausweg, den Travis selbst nur noch durch blanke Gewalt zu ermöglichen glaubt. Und er macht sich bereit: Stählert seinen Körper, wappnet sich mit dem nötigen Equipment, schneidet sich in seine ikonische Irokesenfrisur. Er muss sich abgrenzen, um wieder Teil des Gesellschaftsgefüge zu werden.


Travis und Betsy - hat diese Beziehung eine Zukunft?
Paul Schraders Drehbuch lässt Travis Bickle in Ambivalenzen, in Widersprüchen rotieren und kreiert einen so vielschichtigen wie komplizierten Charakter. Seiner Aversion gegen die Nachtwelt von New York geht er nicht aus dem Weg, sondern stürzt sich direkt in sie hinein, in dem er nur in der Nacht arbeiten möchte, permanent in Kontakt mit dem sabbernden Dreckspack. Er verachtet die dreckige Kultur der Gegenwart, streunt aber immerzu durch die Pornokinos, wird anonymer Teil der Perversen. Travis wehrt sich dagegen, in dieser abgründigen Welt zu leben, doch er ist schon längst in ihr verwurzelt. Und um diesen verlotterten, amoralischen Kosmos zu befreien, muss er ihn ebenso vor sich schützen. Und wo befindet sich unser Standpunkt bei dieser Geschichte rundum Travis? Bezogen auf die letzten 20 Minuten, die in ihrer Visualisierung wir ein extremer Hammerschlag auf den Zuschauer poltern. Wie weit können wir uns in diese Handlungen hineinversetzen, inwiefern können wir seine Motivation nachvollziehen, wenn man jeden Tag, immer und immer wieder, in menschliche Abgründe blicken muss? Wie weit werden wir selber zu einem Teil von Travis und weit sind wir schon selbst leblose Fragmente dieser Unterwelt?


Travis, und auch darin bewahrt sich „Taxi Driver“ eine packende Zwiespältigkeit, die unbedingt zum Austausch miteinander einlädt, ist kein Held, nicht im Ansatz. Hat er in der Zeit, in der wie ihn verfolgten, überhaupt etwas richtig gemacht? Ja, denn er hat gehandelt. Ob richtig oder falsch steht nicht zur Debatte. Erst einmal nicht. Er tat das, was viele Personen in höheren und einflussreicheren Positionen längst hätten tun sollen: Ein Zeichen setzen. Das mag sich reaktionär und weltfremd anhören, ist aber gewiss nicht die Tonalität, in der sich „Taxi Driver“ wohlfühlt. Die Themen sind zu brisant, um sie auf den kleinstmöglichen Nenner zu reduzieren, die Ausführungen des gesamten Filmes liegen zu schwer im Magen, als dass man sie in derartiger Undifferenziertheit munden lassen könnte. Wenn die letzten Minuten einen tiefen Krater in unser Inneres gerissen haben, lässt „Taxi Diver“ Raum zur freien Interpretation: Realität oder doch die ausgebaute Utopie des Travis Bickle? Eine Entscheidung, die dem Zuschauer selbst überlassen ist. Fakt ist allerdings: „Taxi Driver“ ist Kino in größtmöglicher Brillanz. Unvergleichlich und unerreichbar.


10 von 10 Gesprächen mit dem Spiegelbild 


von souli