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Review: IMMER ÄRGER MIT 40 - Midlifecrisis à la Judd Apatow

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Fakten:
Immer Ärger mit 40 (This is 40)
USA. 2012. Regie und Buch: Judd Apatow. Mit: Paul Rudd, Leslie Mann, Albert Brooks, John Lithgow, Jason Segel, Chris O’Dowd, Melissa McCarthy, Megan Fox, Ryan Adams, Maude Apatow, Iris Apatow, Robert Smigel, Ryan Lee, Charlyne Yi, Annie Mumolo u.a. Länge: 133 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Für die Eheleute Pete und Debbie stehen die 40. Geburtstage an, doch jeder hat seine eigene Art damit umzugehen: Während Pete zu seinem Alter steht und eine große Party plant, verleugnet Debbie das ihre und behauptet erst 38 zu sein. Doch egal wie sie zu der 40 stehen, beiden Partnern werden die Probleme des Alters klar: Man muss den Arzt häufiger fürs Checks aufsuchen, der Körper ist nicht mehr so jung und knackig wie früher und die Kommunikation mit den Töchtern, der pubertierenden Sadie und der jüngeren Charlotte fällt zunehmend schwerer. Während in dem Klamottenladen von Debbie anscheinend eine Mitarbeiterin klaut, hat Petes Musiklabel andere Geldprobleme: Da er nur noch Musik verlegt, die er selbst gut findet, diese aber nicht den Massengeschmack trifft, schreibt er rote Zahlen. Als die Ehe der beiden auch noch unter den zahlreichen Krisen leidet, wird klar, dass mit Erreichen der 40 keine einfache Zeit angebrochen ist...




Meinung:
Über Geschmack lässt sich ja bekanntlich streiten. Humor spielt im eigenen Geschmacksempfinden natürlich eine ganz zentrale Rolle und es liegt nun an jedem Menschen selbst, ob er seinen Spaß an pechschwarzen Humor Made in Britain hat, oder sich doch von derbem Slapstick à la Stooges belustigen lassen kann. So schön das gemeinsame Lachen auch sein kann, manchmal stoßen doch zwei divergente Welten aufeinander, die das reziproke Humorzentrum des anderen nur mit unverständlichem Stirnrunzeln betrachten können und während bei Person A bereits Tränen aufgrund der Zwerchfellerschütterung kullern, sitzt Person B regungslos im Nebensitz und schnauft enthemmt genervt durch den Saal. Ausnahmen sind da nur die ikonischen Urgesteine Charlie Chaplin und Loriot, denn wenn in Bezug auf diese beiden Titanen nur gelangweiltes Schweigen zu vernehmen ist, gleicht das beinahe einem unheilbringenden Sakrileg.


40 Jahre und kein bisschen Weise: Debbie und Pete
Wenn man sich dann durch das kontemporäre Comedy-Gefilde schlägt und nach Künstlern Ausschau hält, die noch wirklich Talent in Sachen (Situation-)Komik und (Wort-)Witz besitzen, ohne sich in peinlichen Plattitüden zu suhlen, dann wird die Auswahl doch schon recht eng. Platzmangel herrscht vor allem dank der lächerlichen Parodien-Welle, die seit „Scary Movie“ unabdinglich anhält und die wahren Glanzlichter an den Kinokassen und DVD-Regalen verkümmern lässt. Man ist also an dem Punkt in der Filmwelt angekommen, an dem man seine langwierigen Spekulationen über den einst – zu Recht – gehypten Judd Apatow nun auf belegbares Fundament ablegen kann und darf gerne behaupten, dass das Multitalent aus New York wahrlich die letzte Hoffnung des heutigen Comedy-Kinos ist, allerdings muss man seine künstlerischen Ansprüche dabei immer aus dem richtigen Blickwinkel betrachten und die Form akzeptieren, die Apatow in seinen Werken auch anstrebt.


Happy Together?
Es handelt sich nach wie vor um das schwungvolle Geschichtenerzählen, mit massenkompatibler Prämisse und der Ansatz von tiefgreifender Arthouse-Kost stand bezüglich dem Mann noch nie zur Debatte, einfach weil es nicht den persönlichen Voraussetzungen entspricht. Und dennoch, so seicht die Outputs auf den ersten Blick auch aussehen mögen, die Intention ist doch immer eine unheimlich bodenständige wie erfrischende und umklammert die alltäglichen Probleme, überwiegend in den Höhen und Tiefen einer Beziehung statuiert, mit denen wir uns im besten Fall genau identifizieren können und problemlos den von Sympathie gezeichneten Zugang zum Geschehen finden. Das zeichnete auch schon seine vorherigen Regiearbeiten wie „Jungfrau (40) männlich, sucht…“ und insbesondere „Beim ersten Mal“ aus. Es besteht unübersehbar ein fester Bezug zur Realität, wenngleich dieser gerne der Komik wegen etwas überspitzt dargestellt wird.


Alt trifft jung
Wenn man sich die einzelnen Werke von Apatow anschaut und den Blick auf die Besetzungslisten richtet, dann tauchen immer wieder die gleichen Namen auf, sei es Seth Rogen, Jason Segal, Jonah Hill, Paul Rudd oder Ehefrau Leslie Mann. Verbunden waren die Filme in ihrer informalen Ebene nie, mit „Immer Ärger mit 40“ ist das dann doch zum ersten Mal etwas anders, wenn auch nicht in wirklich gravierendem Ausmaße. Die fokussierte Ehe von Pete (Paul Rudd) und Debbie (Leslie Mann) gab es schon im fünf Jahre zuvor erschienenen „Beim ersten Mal“, da waren die Beiden allerdings nur als hochwertiger Nebenstrang vertreten und nicht als Metronom der Story. Wer nun allerdings ebenfalls ein Wiedersehen mit Alison (Katherine Heigl) und Ben (Seth Rogen) erwartet, der wird enttäuscht, einzig „How I Met Your Mother“-Star Jason Segal schaut als Bodytrainer noch einmal vorbei, lässt aber keine wohligen Erinnerungen an den wunderbaren Sommerhit von 2007 aufkommen, sondern dient vielmehr als namhaftes Beiwerk.


So viel Glück auf einmal... zum kotzen
Zwar ist Judd Apatow nicht erneut auf der Höhe wie einst in „Beim ersten Mal“, macht den überlangen Ausrutscher „Wie das Leben so spielt“ mit seiner herrlichen Ehe-Dramödie „Immer Ärger mit 40“ aber mit Leichtigkeit wieder wett. Die Zutaten, die Apatows Œuvre bis dato auszeichneten, sind auch hier wieder mühelos zu entdecken und die Lebensnähe, mit der der Film entfaltet wird, ist so liebeswert, dass man sich mit den launischen, aber durchaus herzlichen Protagonisten schnell anfreunden kann. Im Mittelpunkt steht da die Zeit – der Titel lässt es anklingen – der 40er und die Veränderungen mit dem Alter, die nun mal jeder Mensch früher oder später akzeptieren muss, einfach weil die Verdrängung schlussendlich in Selbstlügen enden und einem selbst mehr schaden, als den Menschen, die man täuschen möchten. Akzeptanz ist da das Stichwort und genau das Thema, um das „Immer Ärger mit 40“ fortwährend kreist. Die Ehepartner müssen ihr Leben mit den Kindern akzeptieren, ihre Pflichten, ihre Vorbildfunktion, während die Kinder verstehen müssen, Regeln einzuhalten und – genau wie die Eltern untereinander – Freiräume und Privatsphäre respektiert werden muss.Dieses Tohuwabohu wird mit Esprit, tollem Timing und den nötigen leisen Tönen wunderbar auf den Zuschauer übertragen.


Apatows Spagat zwischen komischen Augenblicken und ernsten, reflektierten Momenten, geschieht mit routinierter Präzision. Und auch wenn der Film mit seinen gut 130 Minuten etwas zu lang geraten ist und nicht selten an eine Sitcom erinnert, gerade weil einige Ausführungen doch unnötig weit ausholen, bringt „Immer Ärger mit 40“ endlich wieder genau den erzählerischen Pepp und die zwischenmenschlichen Wahrheiten mit ins Kino, die man in diesem Genre viel zu lange vermissen musste. Die schönsten Szenen in einem Apatow-Film sind jedoch immer die, wenn man das Gefühl zugesprochen bekommt, dass die Charaktere hier wirklich so sein dürfen, wie sie sein wollen und ihnen vor allem keine Grenzen vorgegeben wurden, dabei erscheint Vulgäres aber nie geschmacklos, sondern passt mal wieder genau in das familiäre Bild. Eben ein typischer Apatow und damit eben auch ein weiteres Highlight im Comedy-Sujet der Moderne.


6 von 10 "Lost"-Spoilern 


von souli

Review: TAXI DRIVER – Einsam und verloren im Großstadtdschungel

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Fakten:
Taxi Driver
USA. 1976. Regie: Martin Scorsese. Buch: Paul Schrader. Mit: Robert DeNiro, Jodie Foster, Cybill Shepard, Harvey Keitel, Peter Boyle, Albert Brooks, Martin Scorsese, Leonard Harris u.a. Länge: 114 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Vietnamveteran Travis Bickle kann nicht schlafen. Die Nacht nutzt er deshalb dafür als Taxifahrer Geld zu verdienen. Auf seinen Touren bekommt er es mit der ganzen menschlichen Bandbreite New Yorks zu tun. Als er sich in die Wahlkampfhelferin Betsy verliebt, scheint Travis Leben wieder so etwas wie einen Sinn zu bekommen.





Meinung:
Martin Scorsese („Departed – Unter Feinden“) entführt uns in die besudelten Straßen des 1970er Jahre New York City. Belebt und simultan zerstört vom asozialen Abschaum, der noch nicht im elendigen Sumpf der Metropole untergegangen ist. Die Kamera streift elegisch durch den schwarzen, verqualmten Strudel und saugt uns ein. Lässt uns zusammen mit Travis Bickle (Robert De Niro, „Wie ein wilder Stier“) auf einen kräftigen Regen warten, so stark, dass er das Gesindel und das Pack in seiner Erbärmlichkeit von den Straßen spült, um sie endlich zu reinzuwaschen. Der widerliche Gestank, der in der Luft steht, muss von einem unaufhaltsamen und gnadenlos fauchenden Orkan weggeblasen werden, damit auch wir uns in einer besseren Welt wiederfinden dürfen: Travis könnte dieser Orkan sein, ein in beharrlicher Massivität prustende Sturm.


Wären Handys im Saal würde Travis die echte Wumme auspacken
Travis lebt in seiner ganz eigenen Welt. Seelisch gezeichnet von einem schweren Kriegstrauma und einer unausweichlichen Einsamkeit, die Travis begleitet, seitdem er selbstständig denken kann. Nachts besteigt er seinen Blechsarg auf vier Rädern, die dunkelsten Ecken und Viertel werden zu seinem Revier. Genau die Ecken, Bezirke, Viertel und Straßen, denen er mit so viel Hass begegnet, dessen hiesigen Pöbel er ausrotten möchte – Alles miteinander! Für Travis Bickle sind diese Menschen keine Menschen, die Huren, Betrüger, Amateurnutten, Sodomiten, Trinen, Schwuchteln, Drogensüchtige, Fixer und die kaputten Syphkranke sind Dreck, der am Ende der gesellschaftlichen Nahrungskette kauert und entsorgen werden muss. Nach Einbruch der Dunkelheit treibt er sich in schmuddeligen Pornokinos herum, zurückgezogen in sein kaltes, verlorenen Herz und nur die hübsche Wahlkämpferin Betsy kann ihm aus seinem Loch retten – Der Engel in der Finsternis, die vermeintliche Erlösung, das helle Licht in alles verschlingender Finsternis.


Harten Tag gehabt: Travis hängt ab
Doch mit Betsy und Travis konfligieren zwei Typen von Menschen, die sich in ihren Gegensätzen nicht anziehen, sondern abstoßen: Sie besitzt noch Gefühle, besitzt aufrichtige Ideale, er ist apathisch und ein aus sozialen Strukturen ausgestoßener, ganz eigen und unfähig, sich in seiner Umwelt zurechtzufinden. „Taxi Driver“, die analytische Reflexion über die Einsamkeit. Kocht Travis' Wut auf, eine Wut, ein Zorn, eine Abscheu und Animosität gegen die Menschen und die Welt, die sie aus ihr gemacht haben. Alles scheint verpestet und verkommen, verrohrt und abgestumpft. Wenn Travis die 12-jährige Prostituierte Iros (Jodie Foster, „Der Gott des Gemetzels“) kennenlernt und sich mit ihren Lebensumständen vertraut macht, erschleicht ihn ein Gefühl der Verantwortung, der Zivilcourage. Er will ihr helfen, sie aus dem Schmutz ziehen und ihr einen Ausweg ermöglichen. Einen Ausweg, den Travis selbst nur noch durch blanke Gewalt zu ermöglichen glaubt. Und er macht sich bereit: Stählert seinen Körper, wappnet sich mit dem nötigen Equipment, schneidet sich in seine ikonische Irokesenfrisur. Er muss sich abgrenzen, um wieder Teil des Gesellschaftsgefüge zu werden.


Travis und Betsy - hat diese Beziehung eine Zukunft?
Paul Schraders Drehbuch lässt Travis Bickle in Ambivalenzen, in Widersprüchen rotieren und kreiert einen so vielschichtigen wie komplizierten Charakter. Seiner Aversion gegen die Nachtwelt von New York geht er nicht aus dem Weg, sondern stürzt sich direkt in sie hinein, in dem er nur in der Nacht arbeiten möchte, permanent in Kontakt mit dem sabbernden Dreckspack. Er verachtet die dreckige Kultur der Gegenwart, streunt aber immerzu durch die Pornokinos, wird anonymer Teil der Perversen. Travis wehrt sich dagegen, in dieser abgründigen Welt zu leben, doch er ist schon längst in ihr verwurzelt. Und um diesen verlotterten, amoralischen Kosmos zu befreien, muss er ihn ebenso vor sich schützen. Und wo befindet sich unser Standpunkt bei dieser Geschichte rundum Travis? Bezogen auf die letzten 20 Minuten, die in ihrer Visualisierung wir ein extremer Hammerschlag auf den Zuschauer poltern. Wie weit können wir uns in diese Handlungen hineinversetzen, inwiefern können wir seine Motivation nachvollziehen, wenn man jeden Tag, immer und immer wieder, in menschliche Abgründe blicken muss? Wie weit werden wir selber zu einem Teil von Travis und weit sind wir schon selbst leblose Fragmente dieser Unterwelt?


Travis, und auch darin bewahrt sich „Taxi Driver“ eine packende Zwiespältigkeit, die unbedingt zum Austausch miteinander einlädt, ist kein Held, nicht im Ansatz. Hat er in der Zeit, in der wie ihn verfolgten, überhaupt etwas richtig gemacht? Ja, denn er hat gehandelt. Ob richtig oder falsch steht nicht zur Debatte. Erst einmal nicht. Er tat das, was viele Personen in höheren und einflussreicheren Positionen längst hätten tun sollen: Ein Zeichen setzen. Das mag sich reaktionär und weltfremd anhören, ist aber gewiss nicht die Tonalität, in der sich „Taxi Driver“ wohlfühlt. Die Themen sind zu brisant, um sie auf den kleinstmöglichen Nenner zu reduzieren, die Ausführungen des gesamten Filmes liegen zu schwer im Magen, als dass man sie in derartiger Undifferenziertheit munden lassen könnte. Wenn die letzten Minuten einen tiefen Krater in unser Inneres gerissen haben, lässt „Taxi Diver“ Raum zur freien Interpretation: Realität oder doch die ausgebaute Utopie des Travis Bickle? Eine Entscheidung, die dem Zuschauer selbst überlassen ist. Fakt ist allerdings: „Taxi Driver“ ist Kino in größtmöglicher Brillanz. Unvergleichlich und unerreichbar.


10 von 10 Gesprächen mit dem Spiegelbild 


von souli