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Review: PHANTASTISCHE TIERWESEN UND WO SIE ZU FINDEN SIND – Ein neues verzaubertes Kapitel

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Fakten:
Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind (Fantastic Beasts and Where to Find Them)
GB/US, 2016. Regie: David Yates. Buch: J.K. Rowling. Mit: Eddie Redmayne, Katherine Waterston, Dan Fogler, Alison Sudol, Colin Farrell, Ezra Miller, Carmen Ejogo, Samantha Morton, Jon Voight, Johnny Depp, Ron Perlman u.a. Länge: 132 Minuten. FSK: Freigegeben ab 6 Jahren. Im Kino.


Story:
Newt Scamander ist ein britischer Zoologe mit magischen Kräften und befasst sich Anfang des 20. Jahrhunderts in New York mit der Erforschung und Systematisierung magischer Kreaturen. Dafür scheut er keine Mühen und erlebt auf seinen Reisen so manches gefährliche Abenteuer. Im New York des Jahres 1926, wo Zauberer ihre Offenbarung vor der Muggel-Bevölkerung fürchten, trifft er im Zuge seiner Studien auf die amerikanischen Hexenschwestern Porpentina und Queenie, aber auch auf den Muggel Jacob und gefährliche Gegner wie Percival Graves.




Meinung:
Das magische Universum von J.K. Rowling scheint einfach nicht ruhen zu wollen. Nachdem die Geschichte des Zauberlehrlings Harry Potter nach sieben Büchern und acht Filmen vorerst ein Ende fand, erfuhr sie zugleich eine Weiterführung in Form des Theaterstücks "Harry Potter and the Cursed Child", dessen Skript Ende 2015 in Buchform veröffentlicht wurde, bevor es 2016 in London erstmals uraufgeführt wurde.



Für Turteleien bleibt schnell kaum noch Zeit
Auch im Kino erfährt die verzauberte Welt von Rowling in diesem Jahr eine Wiederbelebung, wenn auch ohne den sympathischen Zauberer mit der Narbe auf der Stirn. Für "Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind" hat die Autorin nun zum ersten Mal ein Filmdrehbuch geschrieben, in dem sie in der Zeit zurück führt, ins New York der 20er Jahre, wo der aus England angereiste Zauberer und Zoologe Newt Scamander einen ganz persönlichen Plan verfolgt. Der bereits jetzt auf fünf Teile ausgelegte Film, bei dem Potter-Veteran David Yates erneut auf dem Regiestuhl Platz nahm, erweist sich dabei als angenehm energiegeladener Blockbuster, in dem auf unnötigen Fanservice verzichtet und stattdessen eine eigenständige Geschichte erzählt wird. "Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind" hat den großen Vorteil, dass er zu keinem Zeitpunkt wie ein lieblos produzierter Aufguss bekannter Elemente wirkt und trotzdem schon nach wenigen Minuten ein vertrautes Gefühl entfacht, spätestens wenn die ersten Töne des Scores von James Newton Howard erklingen. Rowling entwirft ein interessantes Setting, in dem sie fantasievolle Einfälle, unverbrauchte sowie detailgetreu entworfene Schauplätze und überraschende Bezüge zum aktuellen Politik- und Zeitgeschehen zu einem dynamischen Abenteuer verbindet.



Ron Perlman. Erkannt? 
Im Mittelpunkt steht dabei Newts Mission, eines seiner vielen Tierwesen, die er in einem Koffer mit sich transportiert, zu dessen Heimatort zurückzubringen und in die Freiheit zu entlassen. Als er seinen Koffer versehentlich mit dem des Fabrikarbeiters Jacob vertauscht, der kein Magier ist, gelangen einige der Kreaturen in die Öffentlichkeit und sorgen mitunter für heilloses Chaos. Der Charakter des Newt Scamander erweist sich dabei als regelrecht unkonventionelle Wahl für den Protagonisten und gleichzeitig Sympathieträger eines ganzen Franchises. Mit seiner introvertierten, eingeschüchterten Art, bei der er seinem menschlichen Gegenüber kaum in die Augen schauen kann, während ihm die eigenen Sätze oftmals vernuschelt aus dem Mund purzeln, wirkt er in manchen Szenen des Films fast schon wie ein sozialer Problemfall. Dass für diese Figur ausgerechnet Eddie Redmayne besetzt wurde, wirkt daher fast schon wieder wie ein klug erdachter Schachzug. Redmayne zeigt sich auch in diesem Film wieder als äußerst limitierter Schauspieler, der mit seiner oftmals ans groteske Grimassieren erinnernden Mimik wie erstarrt und verzerrt zugleich auftritt. Ein Erscheinungsbild, das paradoxerweise stimmig zu seiner Figur passt, während der Schauspieler in den Szenen, in denen er mit seinen hoch geschätzten Tierwesen interagiert, nichtsdestotrotz eine gewisse Wärme sowie verschmitzten Charme ausstrahlt.



Dieser Zeitgenosse stiehlt allen die Show
Die Jagd nach den entflohenen Kreaturen erweist sich unter der Regie von Yates als überaus unterhaltsame Odyssee, bei der Rowling ein aufsehenerregendes Geschöpf nach dem anderen aus dem Hut zieht, während diese mit CGI auf tolle Art und Weise zum Leben erweckt wurden. Durch die verschrobene Dynamik, die zwischen dem eigenwilligen Zoologen und dem No Maj (amerikanisch für Muggel) Jacob, der überwiegend als Comic Relief fungiert, entsteht, zu der sich außerdem noch Katherine Waterston als Ex-Aurorin und Alison Sudol als deren Schwester hinzugesellen, verkommt "Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind" zu leichtfüßigem Eskapismus, bei dem einige der Kreaturen wie beispielsweise der maulwurfartige "Niffler", der nach glänzenden, glitzernden Gegenständen süchtig ist, immer wieder die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf sich ziehen. Rowling belässt es allerdings nicht bei diesem Handlungsstrang und verheddert sich etwas in den Nebensträngen, in denen die Autorin zunehmend düstere Seiten aufzieht. 


Eher ungewohnte Aussichten im Central Park
Während die Momente, in denen die Todesstrafe an Zauberern als bedrückendes Konzept präsentiert sowie ein Zusammenleben zwischen Zauberern und No Majs als gesellschaftliches Tabu etabliert wird und ein mysteriöser schwarzer Magier Angst und Schrecken verbreitet, einen gelungenen Kontrast zum heiteren Handlungsstrang von Newts Gruppe darstellen, bekommt die Autorin den Bogen zwischen diesen Einzelgeschichten nicht immer schlüssig gespannt. Unter anderem verkommt die Geschichte der von Samantha Morton gespielten Frau, die eine neue Sekte im Sinne der Salem-Bewegung leiten will, bei der Hexen und Magier als ernsthafte Bedrohung verfolgt werden sollen, zur beiläufigen Randnotiz, die ein abruptes Ende findet. Auch das Finale, in dem sich der Streifen eindeutigen Blockbuster-Konventionen unterordnet, wenn ganze Gebäude nacheinander zum Einsturz gebracht werden, erinnert zu sehr an plumpe Zerstörungsorgien der Marvel-Superheldenfilme.


Als Auftakt eines völlig neuen, eigenständigen Universums funktioniert "Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind" trotz der erzählerischen Unebenheiten als stimmungsvoller Blockbuster, in dem J.K. Rowling als Drehbuchdebütantin viel fantasievolles Gespür für unterhaltsame Einzelheiten unter Beweis stellt. Neben der ausgelassenen Jagd auf die toll gestalteten Zauberwesen überrascht der Streifen mit einigen düsteren Einlagen, ist treffend besetzt und fühlt sich aufgrund der liebevollen Ausstattung und dem wohligen Score von James Newton Howard frisch und vertraut zugleich an. 

7 von 10 überraschend geräumige Koffer

von Pat

Review: THE WALK – Balanceakt oder Absturz?

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Fakten:
The Walk
USA, 2015. Regie: Robert Zemeckis. Buch: Robert Zemeckis & Christopher Browne. Mit: Joseph Gordon-Levitt, Ben Kingsley, Charlotte Le Bon, Ben Schwartz, James Badge Dale u.a. Länge: 123 Minuten. FSK: Freigegeben ab 6 Jahren. Ab 25. Februar 2016 auf DVD und Blu-ray erhältlich.

Story:
„The Walk“ erzählt die wahre Geschichte von Philippe Petit, der im August 1974 zwischen den Türmen des World Trade Centers einen illegalen und waghalsigen Drahtseilakt vollführt hat. Er behandelt dabei die unterschiedlichen Kapitel seines Lebens und begleitet Philippe und seine Freunde während dem gefährlichen Unterfangen.





Meinung:
Obwohl „The Walk“ von Kritikern und Publikum gleichermaßen positiv aufgenommen wurde, hält sich das allgemeine Interesse doch in Grenzen. So spielte der Film an seinem Eröffnungswochenende gerade einmal 1,5 Millionen Dollar ein und schaffte es innerhalb eines Monats in den USA gerade einmal auf gut 10 Millionen Dollar, was weniger als ein Drittel seines Budgets entspricht. Das ist insofern erstaunlich, da es sich sowohl bei Regisseur als auch bei den Darstellern um Publikumslieblinge handelt und das Thema gerade in den USA ein verhältnismäßig großes Ereignis war. Vermutlich ist es noch immer die Trauer um die Zwillingstürme, die viele Amerikaner von den Kinos fernhält, anders lässt sich der finanzielle Flop nicht wirklich erklären.


Phillipe macht ernst
Den deutschen Zuschauer lässt das wohl alles relativ kalt. Weder die Zwillingstürme noch die Geschichte von Philippe Petit erzeugen auch nur ansatzweise so viel Berührungspunkte wie mit einem amerikanischen Zuschauer. Dennoch hat „The Walk“ auch seinen Reiz für Nichtamerikaner. Robert Zemeckis ist dabei der Name der die Zuschauer ins Kino treibt. Und wenn man ihn nicht als Robert Zemeckis kennt dann lockt der Regisseur von „Zurück in die Zukunft“, „Forrest Gump“ und „Cast Away“. Ebenjener, der es schafft eine riesige Portion Hollywood-Kitsch in wahre Kinomagie zu verwandeln, in Filme, die einfach nur sympathisch sind. Auch „The Walk“ hat das Herz am richtigen Fleck. Der Film ist nett, aber leider wird auch Zemeckis immer älter und schafft es nicht mehr zu Gänze die kitschigen Momente zu überspielen. Wenn der Protagonist auf dem Drahtseil eine mystische Begegnung mit einem Raubvogel hat dann ist das nicht etwa eine herrliche Entrückung in eine andere Welt, sondern schlichtweg seltsam. Von Momenten wie diesem ist „The Walk“ vollgestopft, mal funktionieren sie besser, mal schlechter und oft lassen sie den Zuschauer etwas ratlos zurück.


Alles eine Frage des Plans
Es gelingt dem Film wirklich gut die Faszination Petits an seiner Leidenschaft zu erklären und dadurch auch auf den Zuschauer zu übertragen, Gordon-Levitt mimt den Franzosen trotz nervigem Akzent dabei sehr überzeugend. Leider hat der Film mit einigen Problemen zu kämpfen, die sich fast alle auf die zugrundeliegende Geschichte zurückführen lassen. Nicht jedes Ereignis eignet sich für einen Film und gerade wenn man versucht nah an der realen Vorlage zu bleiben läuft oft nicht alles glatt. „The Walk“ fällt dabei klar in die Kategorie von Geschichten, die man besser in einer Dokumentation als in einem Spielfilm erzählen sollte, in diesem Fall gibt es diese Doku sogar schon in Form von „Man on Wire“. Gerade bei „The Walk“ kann das Finale einfach keine wirkliche Spannung aufbauen, trotz starker Inszenierung weiß der Zuschauer einfach, dass es Philippe Petit unbeschadet schafft. Außerdem wird der Moment am Drahtseil zu sehr ausgereizt. Was am Anfang noch ein wirkungsvolles Schwindelgefühl erzeugt verschwindet spätestens nachdem er zwei Mal hin und hergegangen ist, aber zu diesem Zeitpunkt dauert der Akt halt noch zehn Minuten.


Trotz der größtenteils negativen Worte handelt es sich bei „The Walk“ um keinen schlechten Film. Er ist solide inszeniert, gut gespielt und auf eine kurzweilige Art auch stellenweise wirklich unterhaltsam. Gleichermaßen ist er aber auch vollgepackt mit seltsamen Momenten und präsentiert teilweise auch zu viel Leerlauf. Es hätte dem Film sicherlich geholfen die ein oder andere Szene zu streichen und dafür an anderer Stelle etwas mehr zu zeigen. So ist „The Walk“ aber nur ein durchschnittliches Kinovergnügen, dass sich irgendwo im Mittelfeld der breiten Filmwelt einordnet.


5 von 10 gespannten Drahtseilen


von Vitellone

Review: THE DROP - Brooklyn im Wandel der Zeit

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Fakten:
The Drop
USA. 2014. Regie: Michael R. Roskam. Buch: Dennis Lehane (Vorlage).
Mit: Tom Hary, James Gandolfini, Noomi Rapace, Matthias Schoenaerts, John Ortiz, Elizabeth Rodriguez, Morgan Spector, Michael Aronov u.a. Länge: 106 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Demnähst auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Bob arbeitet in der Bar seines Cousins Marv. Wie die meisten Bars in Brooklyn wird diese öfters von der Mafia als Geldversteck, als sogenannter Drop, benutzt. Als die Bar eines Abends überfallen wird, haben die Täter leider kein Glück. Marvs Bar ist nicht der Drop, dennoch setzt der Überfall eine Spirale der Gewalt und des Misstrauens in Gang, die bald ihre Opfer fordert.





Meinung:
Wieso wohl sollte es verwerflich sein, sich an einer gewissen Erwartungsenthaltung zu orientieren, sieht man sich im Begriff dazu, einen x-beliebigen Film zu schauen? Weil eine objektive Voraussetzung, jenes Werk wahrzunehmen, womöglich darunter leidet? Wohl kaum, außer man richtet seine Meinung äußerst ostentativ gegen gewisse Namen und und Formen. Vielmehr ist diese kleine Vorabeinschätzung doch gerade dann schön, wenn sie anschließend nach Strich und Faden torpediert wird und sodann noch einmal nachhaltig unter Beweis stellt, dass Film heutzutage durchaus noch in der Lage, unvorhersehbar zu sein, erfreuliche Überraschungen zu generieren, anstatt sich der Schema-F-Dramaturgie anzubiedern und stocksteif nur so weit zu locken, wie es der weichgespülte Usus nun mal zulässt. Dass man von „The Drop – Bargeld“ von vornherein nichts Schlechtes erwartet hat, liegt schon allein an Autor Dennis Lehane, der auch die fabelhaften Vorlagen zu „Mystic River“, „Gone Baby Gone – Kein Kinderspiel“ und „Shutter Island“ abgeliefert hat, aber ein Fast-Meisterwerk? Wohl eher weniger.


Hundefreund und Barmann: Bob
Nichts anderes aber ist Michael R. Roskams amerikanisches Debüt: Ein nahezu brillantes Erlebnis, welches sich ganz geflissentlich gegen die „fetter, lauter, greller“-Devise der kontemporären Kinolandschaft stemmt und in seiner reduzierten Haltung beinahe schon als robuste Antithese zum sensationsgierigen Spektakel zu verifizieren ist. „The Drop – Bargeld“ besinnt sich auf das Gewicht minimalistischer Gestik und läuft niemals Gefahr, seine Geschichte manipulativ zu dramatisieren oder mit entbehrlichem Pathos aufzubauschen, obwohl sich das filmische Konstrukt geradezu dafür anbietet. Bob (Tom Hardy) jedenfalls arbeitet in der urigen Kneipe seines Cousins Marv (James Gandolfini), lässt gerne mal die ein oder andere Runde aufs Haus gehen und ist ohnehin eher als besonneneres Gemüt zu beschreiben. Dass die Bar sich in den Händen der tschetschenischen Mafia befindet, hat Bob längst akzeptiert, Marv hingegen hadert nach wie vor mit den sich verschiebenden Machtfronten, schwelgt in Erinnerungen, als man ihm noch Respekt zollte und sich von den Stühlen erhob, wenn er den Raum betrat.


Bob bekommt (noch mehr) Probleme
Ein Porträt dieses kalten Brooklyns, in dem nicht mehr die Amerikaner, sondern die Immigranten das Sagen haben, zeichnete schon James Gray mit dem famosen „Little Odessa – Eiskalt wie der Tod“ im Jahre 1994. Und es wäre natürlich eine Lüge, würde man proklamieren, dass „The Drop – Bargeld“ sein Milieu nicht studieren würde. Wie wir schon in „Mystic River“ und „Gone Baby Gone – Kein Kinderspiel“ in Erfahrung bringen durften, ist Dennis Lehane ein Meister in Sachen Etablierung grauer Umfelder und schafft es, die Authentizität über jede Straße, jeden Hinterhof und durch jede Seitengosse streifen zu lassen. „The Drop – Bargeld“ aber besticht vor allem durch seine Charakterzeichnungen: Wer Bob in diesen 110 Minuten begleitet, dem erstrahlt der Wert der Ambivalenz in neuem Licht, ist Tom Hardy in seiner ganz und gar zurückgezogenen Performance doch die Idealbesetzung dafür, nur mit einem einzigen Wimpernschlag mehr auszusagen, als es einige seiner nicht minder namhaften Kollegen in stundenlanger Method-Acting-Hysterie bewerkstelligen.


Mit Bob als durchaus humanistischen Fluchtpunkt der Handlung, entspinnt „The Drop – Bargeld“ eine von reeller Traurigkeit begleitete Studie über Einsamkeit sowie die Fragilität sozialer Identitäten und projiziert diese Aspekte auf den unweigerlichen Wandel der Zeit, der vor allem dem bulligen Marv zu schaffen macht: Es ist ein gesichtsloses Amerika, welches Lehane und Roskam perspektivieren und Bob, jemand der in der Lage dazu ist, sich an neue Umstände ohne großes Gezeter zu akklimatisieren, der seiner Arbeit nachgeht und sich nie dazu gezwungen sieht, seine Stimme zu erheben, weil es einfach nicht zu seinem Naturell entspricht, muss die Wunden der Vergangenheit noch einmal aufbrechen, um sie endgültig vernarben lassen zu können. Die Gewalt, die von Minute zu Minute näher rückt, ist in ihrem motivischen Ansatz, den schmalen Grat zwischen Regression und Eskalation betreffend, nahe der in David Cronenbergs „A History of Violence“ gelegen. Ein weiteres Indiz dafür, wie fantastisch „The Drop – Bargeld“ doch gelungen ist.


8 von 10 übel zugerichteten Hundewelpen


von souli

Review: ASPHALT-COWBOY - Zwei Loser in der großen Stadt

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Fakten:
Asphalt-Cowboy (Midnight Cowboy)
USA, 1969. Regie: John Schlesinger. Buch: Waldo Salt, James Leo Herlihy (Vorlage). Mit: Jon Voight, Dustin Hoffman, Sylvia Miles, John McGiver, Brenda Vaccaro, Barnard Hughes, Ruth White, Jennifer Salt u.a. Länge: 113 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Joe zieht es aus der texanischen Provinz nach New York, um dort als Callboy für wohlhabende Damen das große Geld zu machen. Das ist selbstverständlich nicht so leicht wie er es sich vorgestellt hat. Schnell ist er abgebrannt und wird auch noch von dem kleinen Gauner Rizzo übers Ohr gehauen. Ausgerechnet er wird sein einziger Freund in der neuen, fremden Heimat. Gemeinsam schlagen sie sich mehr schlecht als recht durch und hecheln ihren großen Träumen hinterher.





Meinung:
Noch wenige Jahre zuvor wäre dieser Stoff wohl kaum von einem großen Studio verfilmt worden, geschweige denn hätte bei den Oscars drei der wichtigsten Trophäen abgeräumt (Film, Regie, Drehbuch). Dank dem aus der finanziellen Not geborenen Vertrauen in die jungen, eigenwillige Filmemacher der New-Hollywood-Ära wurde so mancher Klassiker geschaffen, der den damaligen Zeitgeist auch heute noch spürbar macht. „Asphalt-Cowboy“ von John Schlesinger gehört definitiv dazu.


"...wer ist der schärfste Stecher im Land?"
Schön und voller Manneskraft, das reicht aus Sicht des Texas-Landeis Joe (glänzend: Jon Voight) um im Big Apple das große Geld zu machen. Schließlich warten dort alle gutbetuchten Damen nur auf ihn, auf das er sie für Bares beglücken kann. Das der Plan eventuell nicht ganz bis zum Ende durchdacht war, bekommt er schnell zu spüren. Kaum zu glauben, aber nur im schicken Cowboydress durch die Straßen schlendern und fesch aussehen reicht offenbar nicht, damit einem die willigen Ladys das Leben finanzieren. Die Anonymität der Metropole verschluckt Joe schneller als ihm lieb ist. Noch bevor er es sich selbst eingestehen will (oder kann) ist er ein Niemand, ein Vagabund, ein Stricher, der sich von männlichen Freiern einen Blowjob verpassen lassen muss, in der Hoffnung auf ein paar Dollar. Naiv und einfach gestrickt wie er ist, lässt er sich sogar von einem offensichtlichen Windhund und Verlierer wie dem abgegrabbelten Hinkebein-Halunken Rizzo (glänzt auch ungewaschen locker mit: Dustin Hoffman) aufs Kreuz legen. Zunächst, denn in ihm findet Joe einen Gleichgesinnten, einen Freund. Eine ebenso perspektivlose Von-der-Hand-in-den-Mund-Existenz, die sich stoisch an seinen großen Traum klammert…denn wenn sie das aufgeben würden, nur das Hier und Jetzt realistisch betrachten, gäbe es keine Hoffnung mehr.


Der Hübsche und sein smarter Hobbit.
Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten und ganz besonders in der Stadt die niemals schläft kann man noch vom Tellerwäscher zum Millionär werden, solange man nur an sich glaubt. Von wegen. John Schlesinger lässt seinen Midnight-Cowboy heftig auflaufen und präsentiert das Scheitern des American Dream in ungewohntem Milieu, im Schatten der grellen Lichter und Neonlettern. Eine Großstadt- und Loserballade, mit Witz, Melancholie und ganz besonders Empathie für seine verlorenen Helden. Sie sind verkrüppelt, von außen wie innen, vegetieren am Rande der Gesellschaft vor sich hin, doch geben sich nicht auf. So werden aus - nach klassischen Heldenstandards der  Filmwelt - unüblichen Figuren Sympathieträger, deren Schicksal nicht etwa als belehrendes Moralstück herhalten soll, sondern einfach die Kehrseite der Medaille zeigt. Ehrlich und ungeschönt, so sehr wie damals kaum ein großer Film. „Asphalt-Cowboy“ ist ein Dokument aus einer Zeit des Umbruchs, in Hollywood wie der Gesellschaft allgemein. Diesen Geist weiß Schlesinger auf die Leinwand zu transportieren, nicht nur durch seine untypische Geschichte mit seinen wenig vorbildlichen Charakteren, er vermittelt anhand ihrer täglichen Odyssee durch die Straßen von New York Impressionen der späten 60er, ein Querschnitt durch die verschiedenen Schichten und Lebensansichten. Ein gerade aus der heutigen Perspektive ungemein interessanter und faszinierender Einblick.


Auch inszenatorisch bricht Schlesinger gezielt aus der Norm des kommerziellen Studiofilms aus. Die Vergangenheit von Joe wird durch fragmentarische Flashbacks in die Geschichte integriert und – ebenso wie eine Tagtraumsequenz von Rizzo – mit einer surrealen, leicht psychedelischen Note versehen. Eskapismus aus dem traditionellen Muster des Geschichtenerzählens, wie der gesamte Film. Denn genau genommen erzählt „Asphalt-Cowboy“ keine übliche Story nach dem Drei-Akt-Muster. Man treibt durch das Geschehen, wie seine Antihelden durch ihren Alltag. Manchmal ohne direktes Ziel, nicht jeder Moment erfüllt einen offensichtlichen Sinn für das Gesamte. Auf den Weg kommt es meistens an. Und diesen säumt Schlesinger mit einem einzigartigen Gefühl. Mit Humor, Tragödie, reichlich Rückschlägen und kleinen Erfolgserlebnissen, die für den Momente die Strapazen vergessen lassen. Ein rastloses, wenig konformes Werk mit ganz viel Herz und noch mehr Seele. Eine hässlich-schöne Liebeserklärung an New York und ganz besonders an seine gescheiterten Existenzen. 

8 von 10 verpfändeten Radios

Review: TAXI DRIVER – Einsam und verloren im Großstadtdschungel

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Fakten:
Taxi Driver
USA. 1976. Regie: Martin Scorsese. Buch: Paul Schrader. Mit: Robert DeNiro, Jodie Foster, Cybill Shepard, Harvey Keitel, Peter Boyle, Albert Brooks, Martin Scorsese, Leonard Harris u.a. Länge: 114 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Vietnamveteran Travis Bickle kann nicht schlafen. Die Nacht nutzt er deshalb dafür als Taxifahrer Geld zu verdienen. Auf seinen Touren bekommt er es mit der ganzen menschlichen Bandbreite New Yorks zu tun. Als er sich in die Wahlkampfhelferin Betsy verliebt, scheint Travis Leben wieder so etwas wie einen Sinn zu bekommen.





Meinung:
Martin Scorsese („Departed – Unter Feinden“) entführt uns in die besudelten Straßen des 1970er Jahre New York City. Belebt und simultan zerstört vom asozialen Abschaum, der noch nicht im elendigen Sumpf der Metropole untergegangen ist. Die Kamera streift elegisch durch den schwarzen, verqualmten Strudel und saugt uns ein. Lässt uns zusammen mit Travis Bickle (Robert De Niro, „Wie ein wilder Stier“) auf einen kräftigen Regen warten, so stark, dass er das Gesindel und das Pack in seiner Erbärmlichkeit von den Straßen spült, um sie endlich zu reinzuwaschen. Der widerliche Gestank, der in der Luft steht, muss von einem unaufhaltsamen und gnadenlos fauchenden Orkan weggeblasen werden, damit auch wir uns in einer besseren Welt wiederfinden dürfen: Travis könnte dieser Orkan sein, ein in beharrlicher Massivität prustende Sturm.


Wären Handys im Saal würde Travis die echte Wumme auspacken
Travis lebt in seiner ganz eigenen Welt. Seelisch gezeichnet von einem schweren Kriegstrauma und einer unausweichlichen Einsamkeit, die Travis begleitet, seitdem er selbstständig denken kann. Nachts besteigt er seinen Blechsarg auf vier Rädern, die dunkelsten Ecken und Viertel werden zu seinem Revier. Genau die Ecken, Bezirke, Viertel und Straßen, denen er mit so viel Hass begegnet, dessen hiesigen Pöbel er ausrotten möchte – Alles miteinander! Für Travis Bickle sind diese Menschen keine Menschen, die Huren, Betrüger, Amateurnutten, Sodomiten, Trinen, Schwuchteln, Drogensüchtige, Fixer und die kaputten Syphkranke sind Dreck, der am Ende der gesellschaftlichen Nahrungskette kauert und entsorgen werden muss. Nach Einbruch der Dunkelheit treibt er sich in schmuddeligen Pornokinos herum, zurückgezogen in sein kaltes, verlorenen Herz und nur die hübsche Wahlkämpferin Betsy kann ihm aus seinem Loch retten – Der Engel in der Finsternis, die vermeintliche Erlösung, das helle Licht in alles verschlingender Finsternis.


Harten Tag gehabt: Travis hängt ab
Doch mit Betsy und Travis konfligieren zwei Typen von Menschen, die sich in ihren Gegensätzen nicht anziehen, sondern abstoßen: Sie besitzt noch Gefühle, besitzt aufrichtige Ideale, er ist apathisch und ein aus sozialen Strukturen ausgestoßener, ganz eigen und unfähig, sich in seiner Umwelt zurechtzufinden. „Taxi Driver“, die analytische Reflexion über die Einsamkeit. Kocht Travis' Wut auf, eine Wut, ein Zorn, eine Abscheu und Animosität gegen die Menschen und die Welt, die sie aus ihr gemacht haben. Alles scheint verpestet und verkommen, verrohrt und abgestumpft. Wenn Travis die 12-jährige Prostituierte Iros (Jodie Foster, „Der Gott des Gemetzels“) kennenlernt und sich mit ihren Lebensumständen vertraut macht, erschleicht ihn ein Gefühl der Verantwortung, der Zivilcourage. Er will ihr helfen, sie aus dem Schmutz ziehen und ihr einen Ausweg ermöglichen. Einen Ausweg, den Travis selbst nur noch durch blanke Gewalt zu ermöglichen glaubt. Und er macht sich bereit: Stählert seinen Körper, wappnet sich mit dem nötigen Equipment, schneidet sich in seine ikonische Irokesenfrisur. Er muss sich abgrenzen, um wieder Teil des Gesellschaftsgefüge zu werden.


Travis und Betsy - hat diese Beziehung eine Zukunft?
Paul Schraders Drehbuch lässt Travis Bickle in Ambivalenzen, in Widersprüchen rotieren und kreiert einen so vielschichtigen wie komplizierten Charakter. Seiner Aversion gegen die Nachtwelt von New York geht er nicht aus dem Weg, sondern stürzt sich direkt in sie hinein, in dem er nur in der Nacht arbeiten möchte, permanent in Kontakt mit dem sabbernden Dreckspack. Er verachtet die dreckige Kultur der Gegenwart, streunt aber immerzu durch die Pornokinos, wird anonymer Teil der Perversen. Travis wehrt sich dagegen, in dieser abgründigen Welt zu leben, doch er ist schon längst in ihr verwurzelt. Und um diesen verlotterten, amoralischen Kosmos zu befreien, muss er ihn ebenso vor sich schützen. Und wo befindet sich unser Standpunkt bei dieser Geschichte rundum Travis? Bezogen auf die letzten 20 Minuten, die in ihrer Visualisierung wir ein extremer Hammerschlag auf den Zuschauer poltern. Wie weit können wir uns in diese Handlungen hineinversetzen, inwiefern können wir seine Motivation nachvollziehen, wenn man jeden Tag, immer und immer wieder, in menschliche Abgründe blicken muss? Wie weit werden wir selber zu einem Teil von Travis und weit sind wir schon selbst leblose Fragmente dieser Unterwelt?


Travis, und auch darin bewahrt sich „Taxi Driver“ eine packende Zwiespältigkeit, die unbedingt zum Austausch miteinander einlädt, ist kein Held, nicht im Ansatz. Hat er in der Zeit, in der wie ihn verfolgten, überhaupt etwas richtig gemacht? Ja, denn er hat gehandelt. Ob richtig oder falsch steht nicht zur Debatte. Erst einmal nicht. Er tat das, was viele Personen in höheren und einflussreicheren Positionen längst hätten tun sollen: Ein Zeichen setzen. Das mag sich reaktionär und weltfremd anhören, ist aber gewiss nicht die Tonalität, in der sich „Taxi Driver“ wohlfühlt. Die Themen sind zu brisant, um sie auf den kleinstmöglichen Nenner zu reduzieren, die Ausführungen des gesamten Filmes liegen zu schwer im Magen, als dass man sie in derartiger Undifferenziertheit munden lassen könnte. Wenn die letzten Minuten einen tiefen Krater in unser Inneres gerissen haben, lässt „Taxi Diver“ Raum zur freien Interpretation: Realität oder doch die ausgebaute Utopie des Travis Bickle? Eine Entscheidung, die dem Zuschauer selbst überlassen ist. Fakt ist allerdings: „Taxi Driver“ ist Kino in größtmöglicher Brillanz. Unvergleichlich und unerreichbar.


10 von 10 Gesprächen mit dem Spiegelbild 


von souli