Review: DEIN SCHICKSAL IN MEINER HAND - Schön hinterhältig, bitte



Fakten:
Dein Schicksal in meiner Hand (Sweet Smell Of Success)
1957. USA. Regie: Alexander Mackendrick. Buch: Ernest Lehman, Clifford Odets. Mit: Burt Lancaster, Tony Curtis, Susan Harrison, Martin Milner, Sam Levine, Chico Hamilton, ua. Länge: 93 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-Ray erhältlich.


Story:
Der Kolumnist JJ Hundsecker verfügt über immensen Einfluss auf seine große Leserschaft. Bald fängt er an diese Macht zu benutzen und ein paar Geschehnissen nachzuhelfen. Sein Presseagent Sydney Falco springt dabei zwischen JJs Fuchtel und seinen eigenen Ambitionen.





Meinung:
Sieben Jahre nachdem Billy Wilder mit „Reporter des Satans“ Kirk Douglas als Reporter auf einen Ego-Trip schickte, passiert das gleiche hier Burt Lancasters Charakter JJ Hundsecker. Er ist von seiner Macht derart besessen, dass er sich das Recht herausnimmt, die Geschichte zu beeinflussen, um dann darüber berichten zu können. Er konstruiert sozusagen die perfekte Story mit dem (aus seiner Sicht) bestmöglichen Ergebnis. Und so lässt er den Verlobten seiner kleinen Schwester des Hangs zum Kommunismus bezichtigen. Ein Wort, mit dem man in Amerika in den 50ern ganz einfach nicht in Verbindung gebracht werden kann, weil man davon in das soziale und wirtschaftliche Aus geschossen wird. Tatsächlich kam dieser Film bloß ein Jahr nach dem Ende der sogenannten McCarthy-Ära heraus. Joseph McCarthy war ein republikanischer Politiker, der ein schreckenverbreitendes System aufbaute, um Jagd auf Kommunismus-Sympathisanten zu machen. 1956 zog er sich letztendlich zurück, wodurch eine freie und kritische Auseinandersetzung mit dieser radikalen Zeit ermöglicht wurde.

 
Erstmal drüber nachdenken
„Gefährlich, Spötter zu verspotten.“
In einer genialen Szene wird der Charakter JJ Hundsecker eingeführt. Der Regisseur Mackendrick nutzte Tricks, Kniffe und Spielereien, um Lancasters Erscheinung, die sowieso schon respektabel ist, noch einschüchternder zu machen - und es funktioniert. Von Anfang macht der Mensch keinen Hehl daraus: Er weiß um seinen Einfluss und die daraus resultierende Macht. Er kann jeden zerstören und muss sich dabei nicht einmal anstrengen. Wie andere Filmreviews schreiben, schreibt er Kolumnen und kann in wenigen Minuten das Leben anderer Menschen in der Luft zerreißen. Seine enorme Ignoranz der Wahrheit und der fehlende Respekt an der Menschheit wird dabei deutlich, wenn er einen unfreundlichen Artikel über Picasso schreibt und nicht einmal weiß, wie man dessen Namen schreibt. Über sprachliches Talent ist er also wahrscheinlich auch nicht an seinen Beruf gekommen. Nein, wahrscheinlicher ist, dass er einfach der Mann ist, der am meisten über die einzige Währung verfügt, die in diesem Gewerbe zählt: Wissen. Wissen ist hier die einzige und absolute Macht. Jedoch ist Wissen nicht jenes, mit dem man Probleme lösen kann, sondern Wissen, mit dem man bestimmte Probleme unterdrücken und verdecken kann, indem man auf (größere) Probleme anderer aufmerksam macht. JJ ist nicht Teil eines Systems, das an Konsens und Lösungen interessiert ist, sondern an Ablenkung und Hinterhältigkeit zum eigenen Vorteil. Survival of the smartest.


JJ blickt über die Stadt
Im Idealfall haben die Medien die Funktion der Information, Artikulation, Bildung und Kontrolle. Hier wird der Begriff der Kontrolle jedoch auf den Kopf gestellt, da die Medien nicht mehr öffentliche Ämter kontrollieren und sichergehen, dass sie ihre Macht nicht missbrauchen. Stattdessen sind die Medien zu einer Karrieremöglichkeit geworden, die Reporter nutzen, um Prestige zu bekommen. Wenn die Medien die Kontrolleure sind, wer kontrolliert dann die Medien? Niemand und genau das ist es, was JJ so sehr gefällt. Es ist ein Gewerbe geworden, in dem jeder sich selbst den größten Gefallen tut, gleichzeitig aber von allen anderen erwartet einem ebenfalls mit Gefallen zu dienen. Burt Lancaster, der sein Leben stets ziemlich bedeckt hielt, kennt hier als Reporter kein Erbarmen und kein Halt vor seinen Mitmenschen, die er lediglich als Opfer ansieht. Er ist quasi wie McCarthy ein Mensch, der alle Leute haltlos verdächtigt und auch nicht zweimal nachzudenken scheint. Stattdessen freut er sich über Tode, Schlägereien und den „Dreck“ der Stadt. Er beobachtet und speichert ab, greift aber nicht wirklich ein. Er handelt lediglich über seine Kolumne. So ist es auch passend, dass er sich selbst als Henker bezeichnet.


"Mmh, du riechst so gut."
Tony Curtis, der hier zum ersten Mal in einer Rolle zu sehen ist, die nicht in den Bereich des charmanten und liebenswürdigen Herren fällt, ist viel eher ein hinterhältiger und schlagfertiger Mensch. Er ist quasi eine weniger radikale Version von JJ. Er steht auch als Presseagent unter dessen Fuchtel, hält sich aber für schlau genug, um die verschiedenen Seiten (JJ und seine Opfer) gegeneinander auszuspielen. Letztendlich möchte er an die Machtposition kommen, die Hundsecker innehat und so sehr genießt. Er möchte nicht nur die Geschicke einzelner Personen lenken, sondern auch die Geschicke der Stadt. Um dahin zu kommen muss er sich mehr als einmal für JJ schmutzig machen. Aber immer wenn das Gewissen des Sydney einschreitet ist JJ da und winkt mit einem Versprechen. Er weiß, wie er die Leute um sich herum gefügig macht, eben weil er weiß, was ihre Träume und Ängste sind. In Szenen, in denen neben JJ und Sydney noch andere Figuren zu sehen sind, hält Sydney sich oft im Hintergrund auf. Manchmal ist er nur beim zweiten Hinsehen zu erkennen, aber er ist immer da und vor allem immer aufmerksam. Ein Mann, der alles mitbekommt aber niemandem auffällt, bis er sich in die Situation einbringt. „Sie sind ein Giftmischer, Sydney. Nur mit der Zange anzufassen.“, sagt JJ. In diesem Film ist das ein Lob.


Am Set des Films soll eine ungemütliche Atmosphäre geherrscht haben, weil mehrere Beteiligte Furcht vor Burt Lancaster hatten. Und das ist nicht einmal verwunderlich, wenn man sich seine Gestalt und seine großartige und einschüchternde Performance ansieht. Bezeichnend ist, dass Lancaster in gesamten Film gefühlte sieben Mal blinzelt. Ihm entgeht nichts, er bekommt alles gleichzeitig und gleichstark mit. Deshalb ist er der tödlichste Mensch in einem System, das aus Diffamierung, Denunzierung, Chauvinismus, Korruption und Zynismus besteht. Der Film funktioniert über die gesamte Laufzeit hinweg großartig. Er lässt die Charaktere Haken schlagen, gibt Gas, bremst ab und zieht wieder an. Dialoglastig aber kurzweilig und vor allem erbarmungslos.  Dennoch muss das Ende wieder einmal Burt Lancaster zugestanden werden, der jede Szene dominiert (und das obwohl Tony Curtis ebenfalls gut ist). Sowas geschieht, wenn sich ein guter Schauspieler vollkommen hingibt und ein Regisseur genau weiß, wie er einen Menschen inszenieren muss. Großes Kino.


8 von 10 wahren Lügen


von Smooli

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