Review: PALO ALTO - Wie viele Coppolas gibt es eigentlich!?



Fakten:
Palo Alto
USA. 2013. Buch: Gia Coppola. Buch: Gia Coppola, James Franco (Vorlage) Mit: Emma Roberts, James Franco, Jack Kilmer, Val Kilmer, Nat Wolff, Zoe Levin, Chris Messina, Keegan Allen, Margaret Qualley u.a. Länge: 99 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Ab dem 26. Juni auf DVD und Blu-Ray erhältlich.


Story:
April (Emma Roberts) ist in ihren Sportlehrer (Franco) verliebt und der scheint auch nicht abgeneigt zu sein. Teddy (Jack Kilmer) versucht dagegen herauszufinden, wie man ein Erwachsener wird, was eigentlich einen Wert hat und wie man erfolgreich Fahrerflucht begeht.





Meinung:
James Franco ist nicht nur ein Mann, der an unfassbar vielen Filmen mitwirkt, sondern auch ein Herr, der nebenbei, als hätte ein Tag bei ihm mehr als 24 Stunden, malt, zeichnet, als Dozent tätig ist und Kurzgeschichten schreibt. Ein paar seiner Kurzgeschichten hat er in einem Buch namens „Palo Alto: Stories“ veröffentlicht - benannt nach seinem Geburtsort an der Pazifikküste in Kalifornien. Gia Coppola, die Enkelin von Francis Ford, die Nichte von Sofia und Roman und die Cousine von Nicolas Cage und Jason Schwartzman, hat sich dieses Buch genommen und ihr Filmdebüt auf die Beine gestellt. Dass sie Talent hat, ist offensichtlich und so langsam macht es den Anschein als würde man in der Familie enterbt werden, wenn man nicht ins Filmgeschäft geht. Aber was soll’s, solange der Filmliebhaber dabei mit tollen Streifen beglückt wird.


So einsam, aber immerhin mit Gespür für Stilistik: April
Die Regisseurin/ Drehbuchautorin ist aber nicht die einzige, die an dieser Produktion teilnahm und verwandt mit Stars ist. Da wären noch Jack Kilmer, Sohn von Val (in dessen Haus viele Szenen gedreht wurden) und natürlich auch Emma Roberts, die Nichte von Julia Roberts. Und dann hält James Franco ja auch manchmal noch sein Gesicht in die Linse. Von all den vielen bekannten Namen muss man jedoch einzig und allein Miss Roberts hervorheben. Die ist nämlich ein Glückstreffer und spielt ihren Charakter April liebenswert. Jedoch nicht auf eine extrovertierte Art wie zum Beispiel Ellen Page in „Juno“, sondern in sich gekehrt, still, beobachtend, behutsam und dennoch nicht minder komplex. Das ist ganz groß, was die junge Dame hier hinbekommt und das rettet nicht nur einige Szenen, es erhebt sie zum Highlight des Films. Eine solche Natürlichkeit ist genau das, was diese Thematik braucht. Es unterstützt den Film und nimmt Coppola einiges an Arbeit ab, was diese sonst hätte kompensieren müssen. Die restlichen Darsteller sind leider weniger erwähnenswert: Jack Kilmer ist relativ uninteressant, Nat Wolff ist der Buhmann und James Franco ist eben James Franco. Keiner erreicht in dem, was sie da anstellen auch nur zu einem Punkt die Klasse, die Emma Roberts den ganzen Film über durchzieht.


"Okay Jungs, nach dem Spiel drehen wir 'Interior. Leatherbar 2'"
Gia Coppolas Vorbild ist natürlich, das ist zu keiner Zeit zu verleugnen, ihre eigene Tante Sofia, die mit „Lost in Translation“ und „Somewhere“ sehr intime und gefühlvolle, stille Filme abgeliefert hat, mit „The Bling Ring“ und „The Virgin Suicides“ sogar Filme, die sich ebenfalls mit Jugendlichen auseinandersetzen, wenn auch auf eine andere Art und Weise. Und Gia Coppola zeigt durchaus, dass sie es versteht, diese bestimmte Atmosphäre, die so manchen Indie-Film einfach sehenswert macht, einzufangen. Es ist ruhig, es knistert aber gleichzeitig ist es seltsam bedrohlich. Als würde man auf den Abgrund zusteuern, was auch viele Jugendliche denken mögen, obwohl sich der Abgrund dann letztendlich als das Erwachsenenleben herausstellt. Viele Vertreter des Indie-Kinos bemühen sich, offensichtliche Vorbilder abzukupfern. Frei nach dem Motto: Was einmal funktioniert, funktioniert auch zweimal. Dabei geht jedoch die lockere Freiheit und der sympathische Humor oft flöten, weil es auf Teufel-komm-raus zu krampfhaft erzwungen werden soll. Dies geschieht hier jedoch nicht, Gia Coppola behält die Ruhe und nimmt den Zuschauer an die Hand, führt ihn durch die Häuser von Jugendlichen, heraus in den Garten und runter vom Grundstück. Mit der Zeit fällt allerdings immer stärker auf, wie sehr sich einige Szenen wiederholen; der Film scheint sich festzufahren.


"Lonely. I'm so lonely. I have nobody..."
Und das ist mit Abstand das größte Problem bei Coppolas Debüt. Sie traut sich nicht, den Rahmen zu sprengen. Links und rechts zu gucken, Dinge zu hinterfragen. Stattdessen bedient sie sich stets der einfachsten Strecke, sucht den kürzesten Weg zum Ziel. Das ist schade und lässt so manche Szene nicht nur redundant, sondern auch fast schon gebetsmühlenartig heruntergekurbelt erscheinen. Das bedeutet nicht, dass der Film auf der inszenatorischen Ebene nicht funktionieren würde, das tut er nämlich. Aber es reißt eben nicht aus dem Hocker und es drückt einen auch nicht in den Sitz. Es lässt größtenteils kalt. Es sind schablonenhafte Abziehbilder, die hier aneinandergereiht werden. Absoluter Durchschnitt. Auf dramaturgischer Ebene sieht es nicht wirklich viel besser aus. Die Geschichte verliert sich im Mittelteil immer mehr, sodass sich Wiederholungen häufen und sogar Handlungsstränge komplett redundant erscheinen. Das ist sehr schade und total unnötig. Vor allem, weil es sich um relativ altbekannte Geschichten handelt. Man entdeckt sich selbst, man zerstört sich selbst, man wird zerstört, man hat Freunde, die einem aufhelfen,… Neu ist das alles nicht. Und dann wird zu allem Überfluss auch noch über so manchen Punkten derart herumgeritten, als ginge es darum, die 90 Minuten mit wenig Material zu füllen.


Mit „Palo Alto“ erfindet Gia Coppola das Rad nicht neu. Zu gebetsmühlenartig werden hier einige Montagen abgerattert, zu bekannt sind die einzelnen Geschichten. Jedoch muss man ihr auch zu Gute halten, dass sie die Regeln des Indie-Kinos durchaus kennt und die imaginäre Regie-Check-Liste auch brav abarbeitet. Laute Musik, verwirrte Jugendliche, Drama, tragische Blicke aus dem Autofenster. Nur überraschen, das tut sie uns zu keiner Zeit. Trotz allem ist dieser Film jedoch nicht als schlecht zu bezeichnen. Dass Gia Coppola neu im Regiefach ist, hilft ihr ganz deutlich dahingehend, dem Film ein Gefühl zu verpassen, das in einigen Szenen liebevolle Frische, zu anderen Momenten sanfte Melancholie ausdrückt. Andererseits wird bei ihren ersten Versuchen, ein Film auf die Beine zu stellen auch überaus deutlich, wie schwierig es sein kann, eine Geschichte bis zum Ende zu erzählen. Im Mittelteil verlaufen die Handlungsstränge oft und bleiben für einige Zeit im Treibsand stecken, bevor sie sich am Ende notgedrungen wieder befreien. Wackelig, uninspiriert und vor allem altbacken sind da so einige Momente. Allerdings hat die Gia auch das Glück, mit Emma Roberts eine Schauspielerin in ihren Reihen zu haben, die eine unglaublich starke Natürlichkeit ausstrahlt und so jeder Szene, in der sie zu sehen ist, die nötige Glaubwürdigkeit und dazu noch eine ordentliche Portion Charme zufügt. Man wünscht sich nur, dass die Geschichte besser gewesen wäre. Ein nettes Debüt.


5,5 von 10 Sandwichs


von Smooli

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