Review: SWISS ARMY MAN – Eine furzende, sprechende Leiche als Allzweckwaffe


Fakten:
Swiss Army Man
US, 2016. Regie & Buch: Dan Kwan, Daniel Scheinert. Mit: Paul Dano, Daniel Radcliffe, Mary Elizabeth Winstead, Antonia Ribero, Timothy Eulich, Richard Gross, Marika Casteel u.a. Länge: ca. 97 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Ab dem 13. Oktober 2016 im Kino.


Story:
Hank ist auf einer kleinen Insel irgendwo im Meer gestrandet und will seinem Leben ein Ende setzen. Als er sich mit einem selbstgebastelten Strick erhängen will, wird plötzlich eine Leiche am Strand angespült. Hank erkennt in dem Toten einen Wegbegleiter, dem er Geschichten erzählt oder Lieder vorsingt. Auf einmal beginnt der Tote mit ihm zu sprechen und entpuppt sich zudem noch als vielseitig einsetzbares Werkzeug. Gemeinsam versuchen Hank und Manny einen Weg von der Insel zu finden.






Meinung:
Einen Film wie "Swiss Army Man" hat es noch nie gegeben. Ein Prädikat, auf das Dan Kwan und Daniel Scheinert, die unter dem gemeinsamen Regie-Namen "DANIELS" zuvor Kurzfilme und Musikvideos drehten, mächtig stolz sein dürfen. Im Jahr 2016, wo selbst zwischen seelenlosen Hochglanz-Blockbustern, Comicverfilmungen, Sequels, Prequels oder Remakes immer wieder gerne der Satz geäußert wird, dass jede Geschichte auf irgendeine Weise schon mal dagewesen ist, wartet das Langfilmdebüt des Duos mit einer derart schrägen Prämisse auf, dass es schwierig wird, inhaltliche Parallelen zu ähnlichen Werken ziehen zu können.


Ein ganz besonderes Duo
Eröffnet wird der Film von einem beinahe tragischen Ereignis, bei dem sich Hauptfigur Hank erhängen will. Der junge Mann ist auf einer Insel mitten im Meer gestrandet und hat jegliche Hoffnung auf Rettung offenbar längst aufgegeben. Just in dem Moment, in dem er seinem Leben ein Ende setzen will, wird eine Leiche am Meeresufer angespült, die sofort Hanks Aufmerksamkeit weckt und ihn von seinem Vorhaben abbringt. Der vorerst leblose Körper dient dem verzweifelten Mann zunächst als stiller Begleiter, in dem Hank einen Partner findet, mit dem er über seine Gefühle und Sorgen reden kann. Schon nach kurzer Zeit kehrt allerdings plötzlich etwas Leben in den Leichnam zurück, welcher auf einmal zu sprechen beginnt und sich als Manny ausgibt. Manny hat sein gesamtes vorheriges Leben vergessen und weiß grundsätzlich nicht mehr, was das Leben an sich überhaupt ausmacht. Das Verhältnis zwischen beiden Figuren inszenieren Kwan und Scheinert von nun an als skurrile Tragikomödie, in der Hank Manny nicht nur in Grundlagen des Lebens schult, sondern auch einen äußerst wandelbaren Partner findet.


Eine der wenigen Fertigkeiten des Toten
Immer nah an der Grenze zur Gross-Out-Comedy loten die beiden Regisseure Mannys besondere Fertigkeiten in grotesk-schwarzhumorigen Szenen aus, in denen der erregte Penis des Toten beispielsweise als Kompass dient oder ständig ausgestoßene Flatulenzen als wundersamer Antrieb dienen, wenn Hank seinen verfaulenden Kumpel zum Motorboot zweckentfremdet und übers Meer braust. "Swiss Army Man" ist gespickt mit sonderbaren Einfällen dieser Art, bei denen sich Manny ganz gemäß dem Titel des Films als menschliches Schweizer Taschenmesser entpuppt. Daneben ist der Streifen aber auch mit ruhigeren, nachdenklichen Untertönen versehen, mit denen die Regisseure Hanks Innenleben ergründen. Hierdurch ergibt sich gleichzeitig das große Problem des Films, denn Kwan und Scheinert scheinen nie zu wissen, welchen Tonfall ihr Werk einschlagen soll und versuchen sich daher gleich an einer Handvoll atmosphärischer Stilrichtungen. So passiert es öfters, dass "Swiss Army Man" nach einem zuerst vulgär erscheinenden Dialog über Masturbation in tiefgründige Diskurse abdriftet, bei denen es darum geht, dass Hank in der größten Einsamkeit Trost findet, sein eigenes Selbst entdeckt und vor allem lernt, sich selbst so zu akzeptieren wie er ist und nicht von allgemeinen Normen verbiegen und unterdrücken lässt.


Durch dieses ständige Wechseln zwischen absurden Momenten und reifen Überlegungen sowie Erkenntnissen wirkt der Film oftmals sehr holprig, so als habe man einen unglaublich kreativen Ansatz, der leicht für einen besonderen Kurzfilm ausgereicht hätte, mit zu vielen Drehbuchänderungen in ein unpassendes Korsett gezwungen. Irritierend ist außerdem die Ästhetik, bei der die Regisseure aufgrund der fröhlichen, farbenfrohen Einstellungen und der völlig unpassenden Musikuntermalung vermutlich eine Parodie typischer Independent-Wohlfühlfilme im Sinn hatten. Ein subversiver Akt gegen diese Sorte von Filmen ist ihnen aber nicht geglückt, denn paradoxerweise suhlen sich die gefühlvollsten, extrovertiertesten Szenen des Films in genau dieser Ästhetik und Mentalität der Streifen, die eigentlich vorgeführt werden sollen. Paul Dano und Daniel Radcliffe verkörpern ihre herausfordernden Rollen überzeugend, doch neben dem exzellent gelungenen Finale, das einen vermutlich noch lange verfolgen wird und grübeln lässt, sind es eher hervorstechende Einzelmomente, die anstelle des durchwachsenen Gesamtwerks in Erinnerung bleiben werden.


6,5 von 10 nützliche Fürze



von Pat

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