US,
2016. Regie: Fede Alvarez. Buch: Fede Alvarez, Rodo Sayagues. Mit:
Jane Levy, Dylan Minnette, Daniel Zovatto, Stephen Lang, Emma
Bercovici, Sergej Onopko u.a. Länge: 89 Minuten. FSK: Freigegeben ab
16 Jahren. Im Kino.
Story:
Um
über die Runden zu kommen, begehen die drei Teenager Money, Alex und
Rocky Einbrüche, um die erbeuteten Güter weiterzuverkaufen. Ihr
nächstes Ziel ist dabei besonders vielversprechend. Ein alter,
blinder Armee-Veteran, der mit einer üppigen Abfindung alleine in
einem Haus lebt, soll dem Trio endgültig die nötige Summe
beschaffen, um die heruntergekommene Gegend Detroits, in der sie
leben, für immer hinter sich zu lassen. Der geplante Raubzug läuft
allerdings alles andere als glatt, denn der blinde Mann weiß sich
durchaus zu wehren...
Meinung:
Fede
Alvarez ist wie ein Komet in die Filmlandschaft eingeschlagen. Als
bekannt wurde, dass der Regisseur nach einigen zuvor gedrehten
Kurzfilmen ein Remake von Sam Raimis kultisch gefeierten "Evil
Dead" drehen wird, stand vielen Fans des Originals weißer
Schaum vor dem Mund. Zu groß waren die Bedenken, dass einem wieder
einmal eine überflüssige, weichgespülte PG13-Variante eines
unglaublich rohen, wilden Debüt-Klassikers vorgesetzt werden würde.
Doch Alvarez zog schließlich so gut wie jeden Skeptiker auf seine
Seite, denn sein "Evil Dead" aus dem Jahr 2013 war eine
ungeschönte, ebenfalls äußerst blutige sowie makabere
Neuinterpretation von Raimis Vorlage, welche die Grenzen des
multiplexfreundlichen Mainstream-Horrors erbarmungslos austeste und
dabei inhaltlich auch noch eigene Akzente gegenüber dem Original
setzte.
Die drei hätten sich lieber mal ein anderes Haus ausgesucht
Mit
seinem nun nachfolgenden Werk "Don't
Breathe" nutzt Alvarez seine Vorschusslorbeeren nicht etwa, um
sich in sämtlichen Bereichen noch zu steigern, sondern inszeniert
einen wunderbar reduzierten Thriller, in dem sich die Spannung
teilweise so unerträglich zuspitzt, dass der Titel dem Film alle
Ehre macht. Nur noch dieser letzte Einbruch, und die drei
Protagonisten des Films wären der Freiheit so nahe wie nie. Money,
Alex und Rocky sind drei Teenager, die aus eher ärmlicheren
Verhältnissen stammen und im mittlerweile fast schon gespenstisch
wirkenden Detroit leben. Um sich den Alltag zu finanzieren, brechen
sie in Häuser ein und verkaufen das erbeutete Diebesgut gegen
Bargeld. Einfach nur über die Runden zu kommen reicht Rocky aber
nicht mehr. Mit ihrer kleinen Schwester will sie nach Kalifornien
fliehen, denn zuhause erwartet die Geschwister nur eine
verantwortungslose Mutter, die auf der Couch liegt und neue Liebhaber
anschleppt. Als das Trio erfährt, dass ein alter, blinder
Armee-Veteran nach dem Unfalltod seiner Tochter alleine auf einer
gewaltigen Abfindung sitzt, wittern sie die Chance, mit diesem
letzten Coup endlich finanzielle Unabhängigkeit zu erlangen. Alvarez
nutzt den Einstieg seines Films, um den drei Hauptfiguren zunächst so viel
Profil wie nötig zu verleihen.
Eine falsche Bewegung könnte die letzte sein
Als
sich das Trio schließlich Zugang in das Haus des blinden Mannes
verschafft, lässt der Regisseur mit quälender, aber zielstrebiger
Langsamkeit die Hölle ausbrechen. Ähnlich wie in David Finchers
"Panic Room" gleitet und schwebt die Kamera in langen
Einstellungen durch die Räumlichkeiten, begleitet die Figuren und
etabliert das Setting, in dem sich der gesamte Rest des Streifens
fortwährend abspielen wird. Als den Figuren klar wird, dass sie sich
womöglich das falsche Haus für einen Einbruch ausgesucht haben, ist
es bereits zu spät. "Don't
Breathe" entwickelt sich von nun an zu einem beklemmend
intensiven Thriller, in dem Alvarez die Spannung gekonnt mit
verschiedenen Techniken aufrecht erhält. In einigen Momenten hört
man nichts anderes, als den eigenen Atem und das laute Klopfen seines
Herzschlags, da der Regisseur absolute Stille einsetzt, um das
Katz- und Mausspiel auf engem Raum zu einem verzwickten
Überlebenskampf umzumünzen. Alvarez beherrscht die Klaviatur
des Terrors erstaunlich gut, wenn jede einzelne Bewegung bis zum
Maximum ausgereizt wird, das kleinste Geräusch zur fatalen,
gewalttätigen Implosion führen kann, vereinzelte Szenen in
brachiale Körperlichkeit explodieren und ein paar Einstellungen in
Zeitlupe den Höhepunkt der unangenehmen Spannung fast schon
sadistisch ausschlachten.
Blind, aber trotzdem überlegen
In
einigen Szenen funktioniert die Logik des Films gewiss nicht
einwandfrei und das Verhalten der Figuren gestaltet sich als
fragwürdig. Es sind Momente, die in anderen Thrillern dieser Art
ebenfalls gerne enthalten sind und bei denen man sich denkt, dass die
Figuren entschieden anders hätten handeln sollen. Nichtsdestotrotz
kaschiert Alvarez diese kleineren Mängel in der Erzählung, indem er
dem Betrachter schon frühzeitig keine Atempausen mehr gönnt und
einige Haken schlägt, um aus dem eigentlich simplen Setting, bei dem
drei Personen mit einem tödlichen Widersacher in einem Haus
eingesperrt sind, immer wieder neue elektrisierende
Spannungshöhepunkte zu kitzeln und gegen Ende auch einen Abstecher
in dezent überzeichnete, groteske Momente zu wagen. Schauspielerisch
glänzt hierbei vor allem Stephen Lang als furchteinflößender
Gegenspieler, der trotz seiner fehlenden Sehfähigkeit wie eine
brachiale Urgewalt durch die einzelnen Szenen walzt. Bemerkenswert
ist aber auch Jane Levy, die schon in "Evil Dead"
mitwirkte. Durch ihre Figur spinnt Alvarez sogar Parallelen zum
Vorgänger, denn das Motiv von Rocky aus "Don't
Breathe" weist durchaus Ähnlichkeit zu Mia aus "Evil Dead"
auf.
Während
Mias Kampf gegen die dämonischen Mächte gleichzeitig ein Kampf
gegen ihre eigene Drogensucht darstellte, ist Rockys Kampf gegen den
alten Mann und um ihr Leben ebenfalls ein Kampf um ihren Traum nach
einer unbeschwerten Zukunft in Freiheit, den sie sich nur mit dem
Geld aus dem Haus des Mannes verwirklichen kann. "Don't
Breathe" ist somit ähnlich wie "Evil Dead" auch
wieder ein Film, in dem die Laster und Abhängigkeiten der
Protagonisten zum entscheidenden Katalysator des Terrors werden und
sich in beängstigenden Horrorszenarien manifestieren. Auch wenn Fede
Alvarez mit diesem Film nie an den schwindelerregenden Grat absurder
Härte anknüpft, den er in seinem Langfilmdebüt erreichte, wenn es
schließlich sogar wortwörtlich Blut regnete, zeigt sich der
Regisseur mit seinem Nachfolgewerk erneut in handwerklicher
Höchstform. "Don't
Breathe" ist ein ausgezeichnet inszenierter Thriller, der
inhaltlich die ein oder andere Ungereimtheit vergessen lässt, sobald
der Zuschauer gemeinsam mit den Figuren den Atem anhält, um die
Spannung zu ertragen.
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