Review: SWEENEY TODD - Blutgetränkte Musical der Rache



Fakten:
Sweeney Todd
USA. 2007. Regie: Tim Burton. Buch: John Logan. Mit: Johnny Depp, Helena Bonham Carter, Alan Rickman, Timothy Spall, Sacha Barn Cohen, Jamie Campbell Bowers, Ed Sanders, Lara Michelle Kelly u.a. Länge: 116 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Aufgrund einer Intrige wird Benjamin Barker angeklagt und aus London verbannt. Initiator all dessen ist Richter Turpin, der nach Barker Verschwinden dessen Frau ehelicht und  Barkers Tochter groß zieht. Nachdem Barkers Frau verschwindet, weil die brutalen Misshandlungen sie gebrochen haben, ist Tochter Lucy auf sich allein gestellt. 15 Jahre später kehrt ihr wahrer Vater allerdings zurück. Er gibt sich als Barbier aus, um blutige Rache an Turpin und allen Mitschuldigen zu nehmen.





Meinung:
Tim Burtons Sondheim-Adaption findet in der Vorlage schon gerne die beliebten Themen des Regisseurs, geht es doch vornehmlich um Ausgegrenzte, Abwegige, sprich finstere Gesellen, die schlicht missverstanden sind (und dennoch die Fetzen fliegen lassen). Im Vergleich zu solch herzhaften Antagonisten wie Alan Rickman und Timothy Spall wirkt ihr folgendes mörderisches Handeln dementsprechend reizvoll bis gar sympathisch. Der Schlusspunkt der Rache nimmt daher einen großen Teil der persönlichen Erfüllung für Charaktere und Narrativ ein, leitet aber unmissverständlich in eine tragische Note über, mit der auch schon alles begonnen hatte. Die letztendliche düstere Todes-Poesie ist für den Regisseur ein Idealfall, doch darauf arbeitet er sodann konsequent und stimmig genug hin, als dass die Eigenarten der Musical-Verfilmung hier zum schmückenden Beiwerk verkommen.


Barker bekommt seine schnittige Rache
Exzellent choreographiert er die Intimität seines Ensembles, erkundet ihre konzentrierten Domizile der verzweifelten Verwirklichung mit angemessen-objektivem Tempo. Die Inbrunst der musikalischen Gefühlsausdrücke geht daher auch nicht in ausschweifendem Licht, Prunk und Statistenfülle auf - die Stimme im gezeichneten Gesicht und der blutige Schnitt mit der Klinge lassen da schon alles Nötige raus; die jeweiligen Persönlichkeiten suchen ihre Identität dann bezeichnenderweise genügsam in zersplitterten Spiegeln und ihren wenigen verbliebenen Freunden, den Rasiermessern. Der innere Druck brennt aber unentwegt und so prescht ein opulentes Liedgut nach dem Anderen durch das graublaue London, das zudem mit der Künstlichkeit von CGI unterfüttert wird. Doch selbst dies arbeitet effektiv im Sinne des Films, da Burton mit der artifiziellen Oberfläche eine Durchschaubarkeit erzielt, die wiederum klaustrophobische Stimmung herbei fördert (siehe Mrs. Lovetts Tagtraum).


So oder so evoziert er unangenehme Orte, Fantasien und Psychogramme; disharmonische Innen- und Außenleben, die ihre Konfrontation zumindest in einer kompositorischen Harmonie abhalten können. Da die Motivation des Sweeney Todd nämlich auf Schicksal und Tod beruht, gesellt sich nun mal das Schicksal erneut hinzu, um den Kreislauf des unausweichlichen Todes in rabiater Konstruktion aufzustellen - nicht nur für Antagonisten und andere Opfer, sondern ebenso/umso einschlagender für die Hauptbelegschaft. Das Verständnis ist dennoch durchweg auf der Seite des Fehlerhaften, misanthropischen Erotomanen und Zerrissenen; findet ebenso den schwarzhumorigen Genuss in zerplatzten Schädeln sowie im unfreiwilligen Kannibalismus wie auch die bittere Romantik in Stillleben des Ausblutens. Im Endeffekt eine schier ungebändigte Auseinandersetzung mit dem Sterben, diese dritte R-Rated-Arbeit von Burton, doch keinesfalls eine verblümte, höchstens exzessiv-introvertierte, wenn man so will. Ein sehnlich verschrobener Reißer der Seelenpein.


7,5 von 10 kannibalistischen Kuchen


vom Witte

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