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Review: ABSOLUTE GIGANTEN - Letzte Runde unter Freunden

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Fakten:
Absolute Giganten
BRD, 1999. Regie & Buch: Sebastian Schipper. Mit: Frank Giering, Florian Lukas, Antoine Monot, Jr., Julia Hummer, Jochen Nickel, Albert Kitzl, Guido A. Schick, Gustav-Peter Wöhler, Silvana Bosi, Johannes Silberschneider, Barbara de Koy u.a. Länge: 77 Minuten. FSK: Freigegeben ab 6 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Floyd, Ricco und Walter sind drei Mitzwanziger aus Hamburg, die seit ihrer Jugend beste Freunde sind und jeden freien Moment miteinander verbringen. Plötzlich überrumpelt Floyd seine Kumpels mit der Ankündigung, am nächsten Morgen Hamburg in Richtung Kapstadt verlassen zu wollen…für immer. Nach dem ersten Schock beschließen die Jungs, es in ihrer letzten gemeinsamen Nacht noch einmal richtig krachen zu lassen. Und tatsächlich wird es eine Nacht voller Höhen und Tiefen, die sie wohl nie wieder vergessen werden.






Meinung:
„Drei Mal alles!“

Das sollen Sinnsucher Floyd, Möchtegern-Rapper Ricco und der Knuddelbär Walter auch bekommen, nicht nur im Burgerladen. Ihre letzte gemeinsame Nacht in den Straßen Hamburgs gibt ihnen noch ein  Mal alles. Schwere Melancholie, Wutausbrüche, Trauer, aber auch Adrenalin, pure Lebensfreude, Spaß, Gemeinschaftsgefühl und generell alles, was echte Kumpels ausmacht. Sebastian Schipper bringt all dies in seiner kleinen, schönen Ode an wahre Freundschaft und die Perle Hamburg in nur knapp 77 Minuten auf den Punkt. Sentimental, aber nie verkrampft oder steif, sondern von Grund auf ehrlich, liebenswert und mit dem präzisen Gespür für die richtigen Töne zur rechten Zeit.


Frische Luft bei 180 km/h, da sollte man lieber den Mund zu machen.
Sein Film kommt nüchtern betrachtet mit relativ wenig Handlung aus, doch was dahinter steht, das Gefühl, das ist die eigentliche Geschichte von „Absolute Giganten“. Ein Gefühl, welches jeder nachvollziehen kann oder es irgendwann können wird. Dann, wenn dieser Punkt im Leben kommt, wenn sich plötzlich alles ändert. Wenn große Jungs mit der Realität konfrontiert werden. Mit der Tatsache, dass abseits ihrer matschigen Bolzplätze, den überfüllten Plattenbauwohnungen, den beschissenen Jobs und dem liebgewonnenen wie gleichzeitig verteufelten Alltagstrott noch eine andere Welt existiert. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, an denen einer von ihnen dies alles hinter sich lassen will. Etwas Neues erleben, auf der Suche nach mehr im Leben. Was aber auch heißt, seine Freunde ebenso hinter sich lassen zu müssen. Was als sicher und beständig – als selbstverständlich – gesetzt schien, soll morgen schon Vergangenheit sein. Noch eine Nacht, um nochmal alles zu erleben, zu teilen, auf die Kacke zu hauen und sich bewusst zu werden, dass auch in der eigentlichen Perspektivlosigkeit doch etwas liegt, was man niemals missen möchte und es trotzdem vielleicht doch muss, um voran zu kommen.


Schipper schickt mit dem leider viel zu früh verstorbenen Frank Giering, Florian Lukas und Antoine Monot, Jr. drei wunderbar harmonierende, authentische Darsteller auf diese letzte Reise, die alle Facetten bereithält. Zwischen den größten Triumphen und niederschmetternden Tiefschlägen liegen gefühlt nur Sekundenbruchteile. Herzliche, komische Momente wechseln sich ab mit empathischer Melancholie, die nahe geht, nachvollziehbar ist, ohne wie ein schwerer Stein zu tief runter zu ziehen. Vor wütenden Schaustellern flüchten, sich im Technoclub die Kante geben, das Kicker-Duell um den vollen Einsatz spielen und immer mit dem Bewusstsein, dass nur das Hier und Jetzt zählt. Morgen geht die Sonne auf und nichts ist mehr, wie es war. Außer einer Sache: Gute Freunde bleiben es ein Leben lang, egal ob am Hafenbecken oder in Singapur. Das vermittelt Schipper, ganz selbstverständlich, schwungvoll aber auch mit der nötigen Zurücknahme. Man wird mit gemischten Gefühlen zurück gelassen: Glücklich, zufrieden und trotzdem traurig berührt durch die Erkenntnis, dass dies wohl das Endspiel war. Vielleicht, denn ein Hintertürchen lässt er sich. Doch ob so oder so, es zählt was er bewirkt.


Kein Film über ziemlich beste, sondern WIRKLICH beste Freunde und das, was diese ausmacht. Gute Darsteller, sympathische Figuren und unendlich viel Lokalkolorit, mit tollen Impressionen der Hansestadt (inklusive Gastauftritt von „Fünf Sterne Deluxe“-Mitglied Marcnesium als Rasta-Raver). Melancholisches Feel-Good-Movie ohne Zuckerguss und anbiederndes Geschleime. Eine Wohltat.

7 von 10 Torwarttoren

Review: GENUG GESAGT - Probleme im zweiten Frühling

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Fakten:
Genug gesagt (Enough Said)
USA, 2013. Regie & Buch: Nicole Holofcener. Mit: Julia Louis-Dreyfus, James Gandolfini, Catherine Keener, Toni Collette, Ben Falcone, Tracy Fairaway, Eve Hewson, Amy Landecker, Tavi Gevinson u.a. Länge: 93 Minuten. FSK: Freigegeben ab 6 Jahren. Ab 18. April 2014 auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Eva ist eine alleinerziehende Mutter jenseits der 40, seit 10 Jahren geschieden und verdient ihr Geld als Masseuse. Ihre Tochter steht kurz davor, dass heimische Nest in Richtung College zu verlassen. Auf einer Party lernt sie Albert kennen, ebenfalls geschieden und alleinerziehend, nur auf den ersten Blick nicht unbedingt ihr Typ. Dennoch, als Albert sie zu einem Date einlädt, lässt sie sich darauf ein. Und siehe da: Zwischen ihnen funkt es leicht. Vor Eva und Albert scheint eine glückliche Zukunft zu liegen, bis sie feststellt, das Albert der Ex-Mann ihrer Kundin und neuen Freundin Marianne ist. Die hat sich öfter über ihren unmöglichen Ex bei ihr ausgelassen, nur da wusste Eva noch nicht, wer er ist. Mit diesem Hintergrundwissen im Kopf sieht sie Albert und ihre frische Beziehung mit ganz anderen Augen.



Meinung:
Einen schalen und bitteren Beigeschmack wird der Film von Nicole Holofcener immer haben: Er ist der letzte von James Gandolfini. Kurz nach Fertigstellung verstarb der charismatische Mime an einem Herzinfarkt. Als hätte er es geahnt spielt Gandolfini so wunderbar, ehrlich und zutiefst sympathisch. Der oft als Bad-Guy aufgetretene Hüne liefert mit Sicherheit eine seiner besten Leistungen. Als Partnerin ist Julia Louis-Dreyfus zu sehen, wohl am besten bekannt durch ihre Rolle in der Erfolgs-Sitcom "Seinfeld", die gut ein Jahrzehnt lang in den USA ein Riesenhit war, bei uns immer ein leichtes Schattendasein fristete. Ihre Filmkarriere kam nie richtig in die Spur. In dieser kleinen Produktion beweist sie, dass es nicht an ihren Fähigkeiten liegen kann. Inzwischen in einem Hollywood-kritischen Alter angelangt (zwischen sehr jung und sehr alt ist da wenig Platz), dürfte sie sich durch diesen Auftritt wieder ins Gedächtnis des Publikums und einiger Filmschaffender zurück spielen.



Es entstehen Zweifel
Ja, die Hauptdarsteller sind toll und die Chemie zwischen ihnen stimmt jede Sekunde. Man nimmt ihnen das Knistern untereinander voll und ganz ab. Sie harmonieren prächtig und dürfen sich einige amüsante, geerdete und glaubwürdige Dialoge um die Ohren hauen. So spaßig und charmant das alles kurzzeitig und partiell ist, "Genug gesagt" hat als Film an sich nicht viel Haltbarkeitszeit. Denn was er einem erzählt ist trotz seines netten Auftretens eher seichte Unterhaltung ohne wirklich markante Momente und wichtigen Inhalt. Es geht um Singles in den nicht mehr wirklich besten Jahren, deren Kinder langsam flügge werden und sie somit von der Einsamkeit bedroht werden. Durch Zufall finden sich zwei dieser Seelen, lernen sich kennen und lieben, werden jedoch durch einen noch größeren Zufall auf eine harte Probe gestellt. Der Stoff ist recht nett und hat durchaus Potenzial, nur weiß die Handlung niemals so zu gefallen wie die Darsteller und gesonderte Momente, in denen "Genug gesagt" seine angepeilte Qualität durchaus zu vermitteln vermag. Kitschig ist der Streifen zu keiner Sekunde, was in dem Genre schon mal etwas wert ist. Nur plätschert alles so harmonisch und sanft dahin, dass echte Highlight nicht auszumachen sind. Wenn es dann vorbei ist, bleibt die merkwürdige und ernüchternde Erkenntnis, dass das jetzt alles war. 

 
"Genug gesagt" könnte eine schöne, stille Perle sein und schafft es immer mal wieder, diesen Eindruck aufblitzen zu lassen. Nur beim Aufblitzen bleibt es. Ohne sein wunderbares Darsteller-Duo würde wenig hängen bleiben. Die erledigen ihren Job dafür so klasse, dass sich ein großer Zwiespalt auftut. Wohin mit dem Film? Schwierig. Die Mitte ist einerseits zu wenig, andererseits genau richtig und manchmal fast zu viel. Kann man sicher sehr mögen, trifft nur ganz sicher nicht auf jeden zu. Extreme Geschmacks- und Ansichtssache. Ausprobieren und dann urteilen, allein Gandolfini hat es verdient. 

 
5 von 10 Massagen bei der Ex

Review: STAND UP GUYS - Alte Männer geben sich Mühe

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                                                                                  http://data8.blog.de/media/550/6836550_6bf284bb5f_o.jpeg


Fakten:
Stand Up Guys
USA, 2012. Regie: Fisher Stevens. Buch: Noah Haidle. Mit: Al Pacino, Christopher Walken, Alan Arkin, Julianna Margulies, Mark Margolis, Lucy Punch, Addison Timlin, Vanessa Ferlito, Katheryn Winnick, Bill Burr, Craig Sheffer u.a. Länge: 92 Minuten. FSK: ab 12 Jahren freigegeben. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Nach 28 Jahren wird Val aus dem Knast entlassen, sein alter Freund Doc nimmt ihn in Empfang. Die beiden in die Jahre gekommenen Ganoven wollen nochmal richtig einen drauf machen, nach einer Weile gesteht Doc jedoch Val, wie die Nacht enden wird: Um 10 Uhr am nächsten Tag muss er seine Leiche präsentieren. Gangsterboss Claphands zwingt ihn dazu, Val zu erledigen, denn er sass wegen dem Mord an dessen Sohn. Da nun mit offenen Karten gespielt wird, geben die Freunde nun alles, "befreien" Hirsch, den Dritten im Bunde, aus dem Altenheim und geben Vollgas, um die letzte gemeinsame Nacht unvergesslich zu machen.


                                  


Meinung:
Herje, was hätte jeder Filmfreund vor 20 Jahren bei dem Cast in die Hände geklatscht. Al Pacino, Christopher Walken und Alan Arkin, ein Fest. Im Jahr 2013 ist das schon lange kein Qualitätsmerkmal mehr, speziell bei Pacino, die letzten 10 Jahre war es im besten Fall Durchschnitt, eher ranziger Gurkensalat mit lange überschrittenen Verfallsdatum. Das Positive an dem Streifen ist: Es liegt nicht an den Darstellern. Klar, Pacino war schon Klassen besser, aber unter Berücksichtigung von Filmen wie "88 Minutes" (Fifi-Alarm!), "Kurzer Prozess" oder peinlicher Selbstzerfleischungen wie dem Sandler-Ding, ist das schon nah am Comeback. Also nur unter den Gesichtspunkten...



Drei Männer und ein Baby
Eine im Grunde genommen gar nicht uninteressante Geschichte (von den Voraussetzungen) wird mit echten Charakterköpfen geadelt, die sich endlich mal wieder nicht nur in austauschbaren Nebenrollen (okay, Arkin ist nur ein Nebenpart) zeigen dürfen, sondern Zeit haben, ihre gottgegebene Leinwandpräsenz auszuleben. Das ist der grosse Pluspunkt von "Stand Up Guys", der leider recht viel falsch macht, speziell zu Beginn, sich erst zum Ende etwas fängt und der durch den (dann längst überfälligen) Stimmungswechsel richtig Boden gut macht. Anfangs ist das recht wenig. So gut die Chemie von Pacino und Walken funktioniert, so banal, unentschlossen und zum Teil schon peinlich holpert das Drehbuch vor sich hin. Da werden Alt-Herren-Witzchen erzählt ("Baby, ich hab 'ne Python in der Hose. Härter als der Fels von Gibraltar.") und Pacino darf den kleine Al beim Dauer-Zeltbau als lustig präsentieren, vor Jahren hätte er allein deshalb das Drehbuch in den Kamin geworfen. Das ist auch alles schwer erträglich, gerade weil sich die Frage stellt, warum eine durchaus gehaltvolle Story um Freundschaft, Loyalität, Verbrechen und eine letzte Reise durch die Nacht denn nicht sinnvoller genutzt wird, da das Personal viel zu schade für so einen lumpigen Quatsch ist.


Old Men in new Cars
Es dauert auch etwas, nur partiell schimmert schon mal was durch. Sobald Walken Pacino sein wahres Anliegen offenbart, gelingt "Standup Guys" hier und da sogar was. Es sind Momentaufnahmen, die bis kurz vor Schluss leider nie konsequent ausgespielt werden, aber es ist zu erkennen, das es ein guter Film hätten sein können (Konjunktiv extrem). Erst kurz vor Schluss schlägt "Standup Guys" endlich durchgehend den Ton an, der ihm über die gesamte Laufzeit sehr gut getan hätte. Die letzten Minuten sind sogar richtig gut, das Ende abrupt aber dadurch sehr effizient, ohne das Rumgeeiere und die dusseligen Komik-Versuche vorher wäre das ein schöner Nischenfilm mit toller Besetzung.  Denn die drei alten Herren geben sich sichtlich Mühe, das Zusammenspiel wirkt niemals aufgesetzt, das funktioniert einfach. Genauso wie der Film in seinen melancholischen Momenten, die schlicht zu selten oder blass gestreut werden. Mit einem besseren Skript und einer klaren Festlegung auf eine Richtung, vielleicht sogar ein Geheimtipp.


Davon ist "Stand Up Guys" weit entfernt, eher dürfte es eine Enttäuschung sein, nur fängt sich der Streifen zum Ende gerade noch so vor der absoluten Belanglosigkeit und gefällt sogar kurz. Das ist es aber auch. Schade, da war viel mehr drin, ganz wenig zum Teil vorhanden, unterm Strich kein Film, der gesehen werden muss oder richtig was reisst. Eher ein Paradebeispiel für verschenktes Potenzial, das immerhin zu sehen ist. So grau wie seine Hauptdarsteller, wenn sie nicht vorher in die Maske müssten.

5 von 10 Senioren-Tellern

Review: KÖNIG DER FISCHER - Seelenfrieden und Vergangenheitsbewältigung

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http://jrarcieri.files.wordpress.com/2011/09/fisher_king.jpg
                                                                               

Fakten:
König der Fischer (The Fisher King)
USA, 1991. Regie: Terry Gilliam. Buch: Richard LaGravense. Mit: Jeff Bridges, Robin Williams, Mercedes Ruehl, Amanda Plummer, Michael Jeter, Chris Howell, David Hyde Pierce, Carlos Carrasco u.a. Länge: 133 Minuten. FSK: ab 16 Jahren freigegeben. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Radio-Moderator Jack ist ein Star seiner Brange, sein Ego überlebensgroß. Gerade als seine Karriere den nächsten Schritt machen soll, geschieht eine Katastrophe, die er mitzuverantworten hat. Drei Jahre später ist Jack ein Wrack. Seinen Job hat er aufgegeben, hilft in der Videothek seiner Lebensgefährtin Anne aus, ist depressiv und dem Alkohol verfallen. Eines Nachts gerät er im Suff in einer lebensbedrohliche Situation. Der Obdachlose Perry rettet ihm das Leben. Jack sieht sich nun dazu berufen, Perry unter die Arme zu greifen. Dieser scheint nicht mehr ganz frisch im Oberstübchen, erzählt er Jack doch, er wäre auf der Suche nach dem heiligen Gral. Mindestens genauso sehnt sich Perry jedoch nach seiner heimlichen Liebe Lydia, die er seit Ewigkeiten beobachtet. Jack und Anne unterstützen Perry bei der Eroberung von Lydia, reissen damit aber alte Wunden auf, die etwas mit Jacks Vergangenheit zu tun haben.



                                                                                     


Meinung:
Ex-Monty-Python Terry Gilliam wagte sich 1991 mit "König der Fischer" mal an einen Stoff, der sich in erster Linie nicht durch Humor oder Fantasy definiert. Eine Reifeprüfung, die er mit Bravour meistert. Gilliams Handschrift ist durchgehend zu erkennen und ganz verzichtet der Film auch nicht auf diese erprobten Elemente. Humor hat sein Film absolut, wobei in der Form einer Tragie-Komödie, dessen ernste Anteile deutlich überwiegen. Auch Fantasy ist vorhanden, allerdings nur als visuelle Darbietung eines gestörten Geistes stattfindend. Doch im Kern ist es ein Film, der wie für Gilliam geschaffen scheint. Wie viele seiner Werke ist "König der Fischer" ein modernes Märchen, eine herzerwärmende, menschliche, melancholisch-rührende Großstadtballade um zwei Menschen, die der Zufall zusammenführt, deren Dämonen der Vergangenheit und ihr Seelenheil dabei vom Schicksal gelenkt scheinen und aufeinander aufbauen.


Perry macht Jack echt fertig
Jeff Bridges wird in den ersten Minuten als narzistisches, selbstgerechtes Ego-Schwein eingeführt, ein typischer Vertreter seiner Zeit, der auf der Erfolgswelle ohne Bodenhaftung reitet, bis sie urplötzlich bricht. Seinen tiefen Fall erleben wir nicht im Detail, wir sehen das Resultat. Am Boden, Karriere wie Leben, voller Schuldgefühle und ohne Antrieb im Leben. Seine Begegnung mit dem herzensguten, dabei offensichtlich unzurechnungsfähigen Perry ändert alles. Zunächst aus Dankbarkeit, später aus dem Bedürfniss der Wiedergutmachung, kümmert er sich um ihn, versucht dessen Leben wieder in die Spur zu bringen. Dadurch entsteht eine tiefe Freundschaft, bei der jedoch keiner der Beiden ahnt, wie sehr ihr Leid miteinander verknüpft ist. Als Perry ist Robin Williams voll in seinem Element, was nicht immer gutes bedeutet. Ein absolut fähiger Darsteller, der durch sein oft extrem ausuferndes, ungebremstes Spiel teilweise gehörig nerven kann, speziell bei seiner in den 90ern manchmal enorm unglücklichen Rollenauswahl. Bei "König der Fischer" passt sein Neigung zum Klassenkasper perfekt, da Williams genug Raum geboten wird, seine Figur nicht nur als überdrehten Hampelmann, sondern erstrangig als trauriges, ernstzunehmendes und berührendes Individuum zu präsentieren. Diese Gratwanderung gelingt ihm erstklassig, wie auch Gilliam, der manchmal an der Kante der Kitschmauer tanzt, aber niemals runterfällt.

Ziemlich beste Freunde...oder so
Neben den bärenstarken Schauspielern (Mercedes Ruehl und die entzückende Amanda Plummer nochmal schnell erwähnt) überzeugt der Film genau dadurch. Manchmal droht das zu kippen, doch die Geschichte schafft es jederzeit, ehrlich zu berühren, seine Figuren nicht im Sülze-Sumpf versinken zu lassen, den Wechsel zwischen Humor, Pathos und Dramatik gekonnt zu vollziehen. Gilliam erzählt eine eigentlich tief-traurige Geschichte, die sich nicht vor charmante Schmunzlern und einem versöhnlichen Happy-End scheut, selbst die größten Stolpersteine elegant überspringt und am Ende den Zuschauer versöhnlich, aber bewegt zurücklässt. Das ist ein Paradebeispiel, wie so was funktionieren kann, ohne auf die Nerven zu gehen, glaubwürdig und märchenhaft zugleich sein kann. Ein wunderschöner, ungewöhnlicher Film, der unbedingt selbst erlebt werden sollte.


8 von 10 roten Rittern

Review: OH BOY - Es gibt keinen Kaffee in Berlin

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Fakten:
Oh Boy
BRD, 2012. Regie & Buch: Jan Ole Gerster. Mit: Tom Schilling, Marc Hosemann, Friederike Kempter, Michael Gwisdek, Ulrich Noethen, Justus von Dohnányi, Arnd Klawitter, Katharina Schüttler u.a. Länge: 82 Minuten. FSK: ab 12 Jahren freigegeben. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.

Story:
Ein Tag aus dem Leben des berliner Endzwanzigers Nico. Sein Jurastudium hat er vor zwei Jahren geschmissen, lässt seinen wohlhabenden Vater aber weiterhin in dem Glauben, dieses zu finanzieren. So lebt er ziel- und orientierungslos in den Tag hinein und begegnet an einem Tag, wie fast jedem anderen in der Hauptstadt, reichlich Menschen und deren Geschichten.





 Meinung:
Der Abräumer des diesjährigen Deutschen Filmpreises hat jede seiner Auszeichnungen redlich verdient. "Oh Boy" von Jan Ole Gerster lässt den Glauben an das heimische Kino und vor allem dessen Humor wieder auferstehen.
In den letzten Jahren, und oft auch zuvor, war die Regel in deutschen Kinofilmen: Humor ist, wenn man trotzdem nicht lacht. Die ewig gleichen Beziehungsklamotten, das bieder-spießige Männlein-Weiblein-Peinlich-Gebalze auf Sat1-Fernsehfilmniveau, gruselige Ausflüge von im besten Fall mittelprächtigen (selbst das eher nicht) Comedy-Pfeifen und Allround-Nullapostel-Entertainern, die durch berechnende Produzenten, das eigene Überschall-Ego und dem Hang zum schnellen Euro auf die Leinwand losgelassen werden, Nuschel-Til und sein Gefolge, das ist doch die bräsige Realität. In dieser erfrischenden Perle steckt mehr Witz, nuancierter, überlegter und auf den Punkt treffender Humor, als in allen Geschichten aus der Kuschel-Kicher Gruft, die sonst Usus sind. Dabei ist "Oh Boy" eigentlich keine reine Komödie, die sein Publikum einfach nur zum Lachen bringen möchte, schafft dies aber so unbeschwert, clever und spielend, das es eine helle Freude ist.


"Hat mal wer Feuer?"
"Oh Boy" zitiert und skizziert den absurden Alltag und seine skurrilen Ereignisse, überkonstruiert nichts und lässt einfach nur das Leben sprechen. Wir begleiten Nico einen Tag durch seine Umwelt, haben Teil an dem Unsinn der MPU, dem modernen Coffee-To-Go-Wahnsinn ("Welche Kaffeesorte kommt dem normalen Kaffee am nächsten?"), dem Ärger mit Fahrtkartenkontrolleuren, aufdringlichen Nachbarn, dealenden Halbgeweihten, einer selbstverliebten, ach so unkonventionellen Off-Theater Truppe (ein absolutes Highlight!), pöbelnden Agro-Teenies und redseligen Thekenbekanntschaften. Alles wirkt wie die Verarbeitung eigener Erfahrungen, genau-spitzfindisch beobachtet und pointiert vorgetragen. Das lebt, hat Herz, Geist und Seele. Eine bitter-süße Verliererballade über einen jugen Mann, der alle Chancen hatte und sie jedesmal fährlässig hergegeben hat. "Oh Boy" besitzt Melancholie wie Humor und wirkt teils gar poetisch vorgetragen. Die klug gewählten Schwarz-Weiß-Bilder, der wunderbare Soundtrack und nicht zuletzt die ausführlich genutzte Kulisse Berlins ergeben ein harmonisches Gesamtbild, mit einem herausragenden Tom Schilling, der wohl niemals besser war.


Hier steht keine Geschichte im Vordergrund, hier geht es um Menschen, Situationen, die kleinen Dinge des Alltags, die jedem von uns schon passiert sind oder könnten. Und die gehen so nah, dass wohl jeder Nico gerne ein Feuerzeug schenken oder endlich seinen Kaffee reichen würde.

8,5 von 10 Großstadthelden