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Review: DER MANN, DER ZUVIEL WUSSTE - Des Meisters erster Streich

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Fakten:
Der Mann, der zuviel wusste (The Man Who Knew Too Much)
GB, 1934. Regie: Alfred Hitchcock. Buch: Charles Bennett, D.B. Wyndham-Lewis. Mit: Leslie Banks, Edna Best, Peter Lorre, Frank Vosper, Hugh Wakefield, Nova Pilbeam, Pierre Fresnay u.a. Länge: 75 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Die englische Familie Lawrence lernt im Urlaub in St. Moritz den charmanten Louis kennen. Als Mutter Jill mit ihm am Abend im Hotel das Tanzbein schwingt, wird er durch das Fenster hindurch erschossen. Mit seinen letzten Atemzügen bittet er sie darum, eine wichtige Notiz aus seinem Zimmer sicherzustellen. Gatte Bob findet dort auch eine Nachricht, die augenscheinlich Informationen über ein geplantes Attentat enthält. Kurz darauf entführen Unbekannte ihre Tochter und zwingen das Paar, Stillschweigen zu bewahren. Wieder in England forscht Bob selbst nach und kommt einer Verschwörung auf die Spur.





Meinung:
„Der Mann, der zuviel wusste“ war 1934 für Alfred Hitchcock der große, internationale Durchbruch. Nicht nur in England, sondern auch in den USA lief der Film äußerst erfolgreich und machte seinen Regisseur endgültig berühmt. Trotzdem war Hitch selbst mit dem Film nie so recht zufrieden. 1956 drehte er wohl auch deshalb das allgemein deutlich bekanntere US-Remake mit James Stewart und Doris Day. Hitchcock bezeichnete sein Original später als die Arbeit eines talentierten Amateurs, das Remake als die Arbeit eines Profis. Sehr selbstkritisch, ein Amateur war er damals schon lange nicht mehr. Wobei sich ganz nüchtern attestieren lässt, dass dieser Film hier schon deutlich ungeschliffener wirkt, tatsächlich wie eine Art Rohfassung, nicht nur den zeitlichen und technischen Möglichkeiten geschuldet.


Mit Termin kommt man auch gleich dran.
Das Grundgerüst des Plots blieb unverändert, dafür wurden im Remake etliche Details ergänzt oder runderneuert. Der Ausgangsort der Handlung war hier noch das winterliche St. Moritz, später wurde er unter die glühende Sonne Marokkos verlegt. In seiner zweiten Version erzählte Hitchcock seine Geschichte wesentlich ausführlicher, während hier vieles – speziell zu Beginn – enorm hastig, gehetzt, mitunter sogar sprunghaft wirkt. In straffe 75 Minuten mussten nun mal alles verpackt werden, da blieb das wohl kaum aus. Dementsprechend hoch ist das Tempo, wenngleich dies an diversen Stellen nicht unbedingt als positiv anzurechnen ist, aufgrund der Ruck-Zuck-Dramaturgie. Rein technisches ist das Ganze selbstverständlich auch noch nicht auf dem hohen Niveau, für das Hitchcock später bekannt wurde, obwohl seine  brillanten Ansätze auch hier jederzeit ersichtlich sind. Eine Fingerübung, deren Methoden er nur wenige Jahre später schon erstklassig beherrschte. Unverkennbar wird dies in Schlüsselmomenten, wie dem (beinah)Finale in der Royal Albert Hall, welches knapp zwanzig Jahre später natürlich um einiges imposanter und aufwändiger wiederbelebt wurde. In Sachen Grundspannung und besonders dem typischen Verve ist „Der Mann, der zuviel wußte“ bereits ein Hitchcock, wie es ihn später noch mehrfach zu sehen und lieben gab.


Der Mann, der zuviel qualmte.
Besonders der wunderbare, dezent eingestreute Humor funktioniert prächtig. Eigentlich bedauerlich, dass die lange Vita des Meisters kaum Komödien aufzuweisen hat. Mitunter ist der Film hier (bewusst) witziger, als so manch reine Ulknummer. Wenn sich z.B. aus einem geheimen Treffen der Verschwörer plötzlich ein wildes Stuhlgefecht entwickelt und zum Übertönen heiter die Orgel gespielt wird, ist das einfach saukomisch und nimmt dem Film dabei keinesfalls seine Stimmung. Und dann wäre da ja noch dieser fantastische Peter Lorre. Als kettenrauchender, zwielichtiger Schurke mal wieder ein echter Hingucker. Bemerkenswert vor allem, da Lorre zu dem Zeitpunkt noch gar kein Englisch sprach. Er musste den Text auswendig lernen, was man überhaupt nicht merkt. Bis auf den putzigen Akzent und die etwas harte Aussprache wirkt das nicht wie von jemanden, der die Sprache nicht beherrscht, selbst bei Betonung und Rhythmus. In Anbetracht der Umstände eine beeindruckende Leistung, wie eigentlich immer bei Lorre.


Trotz alle dem lässt sich kaum leugnen, dass hier nicht alles ganz rund läuft. Neben der bereits angesprochenen Holprigkeit in der Narration will auch das erstaunlich schießwütige Ende nicht so recht ins Bild passen. Insgesamt erscheint der Film in der Tat etwas grobschlächtig zusammengebastelt, was nicht nur auf sein Alter geschoben werden kann. Hitchcock präsentierte sich bereits ein Jahr später mit „Die 39 Stufen“ wesentlich reifer und abgebrühter. Unübersehbar hat nicht nur der Zahn der Zeit schon heftig an „Der Mann, der zuviel wusste“ genagt – deutlich mehr, als an einigen anderen Filmen dieser Zeit – er war sicher auch damals noch weit von perfekt entfernt. Zudem gibt es ja nun mal die „überarbeitete“ Version, die heute selbst schon als Klassiker gilt. Für Hitchcock-Fans dennoch ein Must-See, allein um sich den Werdegang dieses Ausnahmekünstlers zu verdeutlichen. Ein Film mit Fehlern, aber ein Hitchcock durch und durch. Und dann ist doch (fast) alles schön.

6 von 10 Zahnarztbesuchen

Review: DER RABE - DAS DUELL DER ZAUBERER - Edgar Allan Poe wäre stolz gewesen...

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Fakten:
Der Rabe – Das Duell der Zauberer (The Raven)
USA, 1963. Regie: Roger Corman. Buch: Richard Matheson, Edgar Allan Poe (Vorlage). Mit: Vincent Price, Peter Lorre, Boris Karloff, Hazel Court, Olive Sturgess, Jack Nicholson, Connie Wallace, William Baskin, Aaron Saxon u.a. Länge: 83 Minuten. FSK: Freigegeben ab 6 Jahren. Auf DVD erhältlich.


Story:
Der Magier Dr. Craven trauert auch zwei Jahre nach dem Tod seiner Frau Lenore noch um sie, als ein Rabe durch sein Fenster geflogen kommt. Dieser spricht nicht nur, er entpuppt sich als Kollege Dr. Bedlo, der von dem großen Hexenmeister Dr. Scarabus verwandelt wurde. Craven verhilft ihm zu seinem ursprünglichen Erscheinungsbild und erfährt im Anschluss von Bedlo, dass dieser Lenore auf dem Schloss von Scarabus gesehen hat. Zusammen mit seiner Tochter Estelle, Badlo und dessen Sohn Rexford begibt sich Craven in das Schloss des mächtigen Magiers, mit dem schon sein Vater sich aufs Kriegsfuß befand.


                                                                              



Meinung:
Roger Corman, das Phänomen. Ein dreister Bengel wie Finanzierungsgenie, dem recht wenig heilig war und den Dollar viermal umdrehte, um den Einsatz zu vervielfachen. So auch hier. „The Raven“ schmückt sich ganz unverblümt mit dem Prädikat Edgar Allan Poe, beginnt mit Zeilen aus dessen weltbekannten, gleichnamigen Erzählung und hat sonst so rein gar nichts damit zu tun. Bis auf die erste Szene des Raben (also bis der den Schnabel aufmacht) und den Namen Lenore. Sonst ist das Corman, der schamlos alles plündert, was sich andere mal irgendwann ausgedacht haben und er sich im Rahmen seiner Mittel irgendwie zurecht biegt. Auf seine ganz spezielle Art.


Beschissene Fummel tragen nervt, obszöne Gesten sind die Folge.
Statt düsterer Poesie gibt es groteskes Slapstick-Fantasy-Theater, voll mit Quatsch, albernen Effekten, Reste-Kulissen und wild zusammen gewürfelten Kostümen, die entweder vom letzten Dreh übrig geblieben sind oder vom Theater-Fundus nebenan gespendet (oder geklaut?) wurden. Da passt optisch recht wenig zusammen, wirkt schreiend komisch bis – sagen wir mal – „extravagant“, aber wenn was bei Corman immer funktioniert, dann dieser drollig-liebevolle Charme. Ganz offensichtlich hatten auch die Darsteller mächtig Freude an dem ganzen Unfug. Die Genre-Ikonen Vincent Price und Boris Karloff spielen so euphorisch-ironisch auf wie Peter Lorre als (nur im Film?) dauerbetrunkene, laut fluchender Froschaugen-Magier Badlo (mit totschickem Rabenkostüm) und der junge Jack Nicholson, der bei der Kutschfahrt ein frühe Bewerbung als Psycho vom Dienst abliefern darf. Den Stars muss klar gewesen sein, was sie da gerade drehen, doch lassen sich voll darauf ein, herrlich mitanzusehen. Das große Plus von „The Raven“.


Da staunt der Nolan: Effekte à la Corman.
Minus mal Minus ergibt Plus, ja, fast. Die Story ist mehr als  nebensächlich, der Humor schwankt von totalen Rohrkrepierern, kleinen Krachern und wohl unfreiwilligen Lachern (ist stellenweise kaum zu trennen, auch eine Kunst für sich) hin und her, die Sets mal schön handgemalt (das Schloss in der Außenaufnahme, süß), mal ganz nett, mal Studio mit spärlicher Deko, Kunstnebel und natürlich darf die Scheune nicht fehlen. Welche Scheune? Die Scheune, die Corman einst für 100 Dollar kaufte, abfackelte und diese Szenen in fünf (!) seiner Filme schnitt, weil irgendwas brennt eh immer. Müsst eigentlich schon im Cast gelistet sein, großartig. Highlight des Films ist zweifellos das ersehnte Duell der Zauberer, eine Mischung aus „Looney Tunes“ Cartoon und „Spaß am Dienstag“, so absurd, infantil und überdreht, dass man abwechselnd den Kopf schüttelt und herzhaft lacht.


Ja, was macht man denn nun damit? Irre sympathisch und komplett bescheuert, nett und blöd, insgesamt nicht ganz so kurios, frech und vor allem geschmacklos wie die Corman-Knaller „Frankensteins Todesrennen“, „Star Crash“ oder „Galaxy of Terror“, oft einfach eine Spur zu verkaspert und nur manchmal treffsicher, daher wirklich nur ein Fall für Fans und Freunde der etwas „anderen“ Filme aus einer Zeit, als wilde, mutige Filmemacher noch hemmungslos drauflos gedreht haben. Wer sich dazu zählt, ein Versuch schadet nicht. Niemals schlecht, nicht wirklich gut, aber nah dran. Selbst für Corman einen Hauch zu gaga. Bad Taste steht ihm besser als jugendfreier Blödsinn.

5,5 von 10 werkgetreuen Umsetzungen.

Review: DIE SPUR DES FALKEN - Wegweiser eines Genres

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Fakten:

Die Spur des Falken (The Maltese Falcon)
USA, 1941. Regie & Buch: John Huston. Mit: Humphrey Bogart, Mary Astor, Peter Lorre, Sydney Greenstreet, Gladys George, Elisha Cook Jr., Barton MacLane, Lee Patrick, Ward Bond, Jerome Cowan, James Burke, Murray Alper, John Hamilton u.a. Länge: 98 Minuten. FSK: ab 12 Jahren freigegeben. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Privatdetektiv Sam Spade und sein Partner Miles Archer werden von der attraktiven Brigid O'Shaughnessy beauftragt, einen Mann zu beschatten, der angeblich eine Affäre mit ihrer Schwester haben soll. Leicht verdientes Geld, doch dann werden Archer und kurz darauf die Zielperson erschossen. Die Polizei verdächtigt Spade. Zunächst, da er unter Verdacht gerät, seinen Partner rächen zu wollen, dann kommt ans Licht, das er eine Affäre mit Archers Frau hat. Spade versucht, die Wahrheit ans Licht zu bringen, stößt dabei aber auf eine Wand aus Lügen, Halbwahrheiten und landet in einer Jagd auf einen wertvollen Vogel.





Meinung:
Ein Schnüffler, dessen Coolness die Hölle einfrieren könnte, eine Frau, die so begehrenswert wie undurchsichtig ist, ein Komplott aus Mord, Lügen und Betrug, Schein und Sein im Halbdunkel, voller kantiger Kerle, falscher Fährten und kein Platz für echte Helden. "Die Spur des Falken" von John Huston gilt als Geburtsstunde des Film Noir, ist sicherlich (und logischerweise) noch nicht fehlerfrei, wurde in der Folgezeit auch noch perfektioniert, aber seine Bedeutung für das Kino dürfte unbestreitbar sein. Und mal abgesehen davon: Selbst nach über 70 Jahren ein unglaublich gutes und mitreissendes Stück Filmgeschichte.


Ein toller Vogel
Der Film lebt von seiner Stimmung, seinem Flair, seiner Atmosphäre, einfach von den Dingen, die sich nicht von jedermann irgendwie hinschustern lassen, das muss funzen oder stirbt auf halber Strecke. Das ist nicht die einzige Qualität dieses Klassikers, aber sie ist sehr entscheidend. Mindestens gleichwertig ist die wendungs- und temporeiche Geschichte, in der der Zuschauer genau so unwissend herumgeschuppst wird wie Obermacker Spade, dessen Rolle von Humphrey Bogart enorm charismatisch mit Leben erfüllt wird. Heute würden sich Feministinnen, jede halbwegs emanzipierte Frau und sicher auch so einige Männer furchtbar darüber aufregen, wie lässig, fast schon abwertend und machoesk sich der Protagonist hier präsentiert, aber hey, das waren die 40er, die Rollen klar verteilt und ein Mann war ein echter Mann, wenn ihm das Testosteron durch die Nase läuft. Bogart verkörpert diese Figur so cool, präsent und im Zeitgeschichtlichem- und Genrekontext kaum ankreidbar, das sollte entspannt weggesteckt werden. Denn im Endeffekt sind die Frauenfiguren kaum besser, nur auf eine andere Art. Sie lassen sich mit billigen Kosenamen anreden, kochen aber in der angepassten Unterwürfigkeit ihr ganz eigenes Süppchen, das nur dadurch funktionieren kann. Die Waffen einer Frau, nur eben eher passiv als aktiv genutzt, fast sogar hinterhältiger.

Bogie boxt sie alle
Inszenatorisch ist Hustons Film noch eine leichte Fingerübung des Genres, dabei aber schon erstaunlich routiniert, das es kaum als solche bezeichnet werden kann. Das Spiel mit Licht und Schatten zieht mit dem Verlauf der Handlung an, wirkt dabei extrem durchdacht und niemals zufällig. Sei es das flackernde Kaminfeuer, der Schriftzug des Detektivbüros, der auf dem Boden reflektiert, die an die Wand geworfenen Schatten, alles ist geplant und für die Gesamtwirkung essentziell. Es ist so düster wie bedrohlich, ohne auf bissigen Humor zu verzichten, da schlägt der Film einen gekonnten Spagat, der sich nie negativ auswirkt. Der Plot ist treibend, interessant und jederzeit spannend, lässt genug im Halbdunkel schweben, dass jede Wendung und jedes Detail dem Drive guttut. Zeitbedingte Alterserscheiungen sind da eher charmant als negativ wirkend, was an der glasklaren Inszenierung und dem tollen Cast liegt. Neben dem Eisbären Bogart spielt sich besonders der erneut bemerkenswerte Peter Lorre in den Vordergrund, dessen Spielfreude sich automatisch auf den Zuschauer überträgt. Der typische Sidekick, der droht die Show zu stehlen, aber gegen Bogart bleibt es beim Versuch.


Ein erstaunlich cleverer, spannender Wegweiser eines Genres, großartig umgesetzt und selbst heute auf hohem Niveau, das sind Filme, die wohl ewig ihren Platz behaupten können. Ein Meilenstein mit kleinen Fehlern, die auf die lange Distanz keine Rolle spielen. Hervorragend!

8 von 10 Klunker-Vögeln

Review: M - EINE STADT SUCHT EINEN MÖRDER - Die Jagd auf eine geschundenen Seele

1 Kommentar:

Fakten:
M – Eine Stadt sucht einen Mörder
Deutschland. 1931. Regie: Fritz Lang. Buch: Fritz Lang, Thea von Harbou. Mit: Peter Lorre, Inge Langhut, Ellen Windmann, Gustaf Gründgens, Friedrich Gnaß, Paul Kemp, Fritz Odemar, Theo Lingen, Ernst Stahl-Nachaur, Theodor Loos, Georg John, Rudolf Blümner, Karl Platen, Gerhard Bienert, Rosa Valetti, Hertha von Walther, Paul Mederow, Klaus Pohl u.a. Länge: 117 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.

Story:
In der Stadt geht ein Kindermörder um. Überall verbreiten seine Taten Angst und Verzweiflung, was von der Presse und den polizeilichen Ermittlungen noch geschürt werden. Doch die ganzen Berichte, Untersuchungen und Razzien verlaufen ins Leere, alarmieren aber die Unterwelt. Die fühlt sich von der Polizei bedroht und versucht nun selbstständig den Täter ausfindig zu machen und ihm den Prozess zu machen.




Meinung:
»Manchmal ist mir, als ob ich selbst hinter mir herliefe! Ich will davon, vor mir selber davonlaufen, aber ich kann nicht! Kann mir nicht entkommen!«


Eine Stadt ist auf der Suche nach ihrem beängstigend Mörder, eine Epoche ist auf der Suche nach sich selbst, um wenige Jahre später vom Nationalsozialismus zerschlagen zu werden. Das Volk ist auf der Suche nach der schockierenden Wahrheit, nur der Täter, der gespenstische Kindermörder, der nachts durch die dunklen Gassen von Berlin streift, um sein nächstes Opfer aufzulesen, der befindet sich im unentwegten Kampf gegen sein wahres Ich...


Die Unterwelt ist auf der Suche nach dem Mörder
Fritz Langs »M« ist nicht nur ein filmhistorisches Unikat aus einer Zeit, in dem das deutsche Autorenkino noch eine immense Bedeutung hatte, steht dabei aber nicht im Dienste des porträtierten Vorkriegsdeutschland und lässt sich nicht nur im Kontext seiner Entstehen deuten, Lang hat hingegen ein Werk mit zeitlosem als auch universellem Charakter geschaffen, welches trotz seines beachtlichen Alters von nunmehr über 80 Jahren nie an Aktualität verloren hat und verlieren wird, ganz im Sinne seines später erschienenen Artverwandten »Es geschah am helllichten Tag«. »M« ist dabei nicht nur ein spannender wie technisch versierter Kriminalfilm, der ebenso brillant eröffnet wird, wie er auch enden darf, »M« ist ein kritisches Gesellschaftsbild über die Grauzonen von Polizei und Verbrechern, während die Bezüge zur Lynchjustiz und die schwerwiegenden Ängste der Einwohner, die in ihrer Massenhysterie jeden Menschen zum Täter machen, der sich auf offener Straße mit einem Kleinkind unterhält, ebenso festgehalten werden.


Wenn Lang den finalen Akt einleitet, sich alle Wege überschneiden, dem Zuschauer durch die unglaubliche Atmosphäre schier der Atem geraubt wird und Pete Lorre eindrucksvoll verdeutlicht, warum er sich in den imaginären Annalen der Schauspielkunst für immer einen festen Platz gesichert hat, vermittelt Lang etwas ganz Entscheidendes, was in solch schrecklichen Situationen oft in Vergessenheit gerät: Hinter den Gräueltaten des als Monster gebrandmarkten Täters, steckt immer noch ein menschliches Wesen. »M« wird darauf zum individuellen Drama einer geschundenen Seele und die Frage nach Schuld und Verantwortungen wird genau in diesen Momenten der seelischen Offenbarung in eine neue Richtung gelenkt. Abmilderungen oder Wiedergutmachungen der Geschehnisse sind jedoch utopisch, die Familien werden sich nie wieder als geschlossene Einheit fühlen dürfen, genau wie das Urteil gegenüber dem Verantwortlichen natürlich schon vor den Verhandlungen gefällt wurde. »M« darf daher nicht nur aufgrund seiner prägenden Klasse mit der sämtlichen Superlativen gekrönt werden, sondern sagt darüber hinaus auch Einiges über das Verhalten von Menschen in einer solchen Extremsituation aus, und genau das hat sich seit dem Jahre 1931 nicht geändert und wird sich auch nie wieder ändern.

8,5 von 10 Schatten auf Litfaßsäulen

von souli