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Review: IM JAHR DES DRACHEN - Mickey Rourke zwischen Neo Noir, Nachkriegstrauma und Westerndialektik

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Fakten:
Im Jahr des Drachen (Year of the Dragon)
USA. 1985.
Regie: Michael Cimino. Buch: Oliver Stone, Michael Cimino. Mit: Mickey Rourke, John Lone, Raymond J. Barry, Ariane Koizumi, Leonard Termo, Caroline Kava, Eddie Jones, Mark Hammer, Dennis Dun, Mei Sheng Fan u.a. Länge: 129 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD erhältlich.


Story:
Stanley White gilt als angesehener Polizist mitten im Moloch von New York und hat es sich zur Aufgabe gemacht den Heroinhändler Joey Tai das Handwerk zu legen. Tai ist skrupellos und versucht die Macht von ganz Chinatown an sich zu reißen. Zwischen den beiden Männern entbrennt ein gnadenloser Kampf, ausgetragen in Nachtclubs und Hinterhöfen der Stadt.





Meinung:
Die Menschen, die im Jahr des Drachen das Licht der Welt erblicken, besitzen, so postuliert es die chinesische Astrologie, ein erheblichen Maß an Unbeugsamkeit, sind nur zu gern der Mittelpunkt des Geschehens und verehren die elitäre Maßlosigkeit. Ihnen ist die Position in einer Führungsetage vorbestimmt, Reichtum lässt als Implikation der Macht nicht lange auf sich warten, doch der ungestümen Energie wird nicht mit dem erforderlichen Umfang an Ausdauer begegnet. Und Selbstbewusstsein kann, wie wir alle wissen, schnell in Richtung Hybris konvertieren. Wo oder in welcher Leseart also lassen sich nun diese Attribute und Vorbestimmungen in den ausschlaggebenden Figuren von Michael Ciminos „Im Jahr des Drachen“ finden? Man würde es sich etwas zu einfach machen, würde man es sich nun zum Ziel setzen, das neue Oberhaupt der Triaden Joey Tai (John Lone) und ganz besonders den  im Chinesenviertel von Chinatown ermittelnden Captain Stanley White (Mickey Rourke) anhand der philosophischen Semantik der Tiernamen zu charakterisieren, wenngleich eine im Ansatz vorhandene Übereinstimmung vorhanden sein mag.


Cop Stanley (oben) mit schreiender Frau (unten)
Cimino musste sich bereits bei seinem Meisterwerk „Die durch die Hölle gehen“ (1978) den Vorwürfen einer rassistischen Tonalität stellen, die ihm im Umgang mit der Historik und den Bewältigungsversuchen auf nationaler Ebene fortwährend begleiten und Entwicklungen wie Aussagen innerhalb des Szenarios bestimmen würde. Gewiss liegt ein solch unbequemes Empfinden immer im Auge des Betrachters, allerdings lässt sich die Bezichtigung, „Die durch die Hölle gehen“ verfüge über eine rassistische Intonation ebenso leicht widerlegen, wie die herbe Unterstellung der Xenophobie in „Im Jahr des Drachen“. Beides sind Filme, die die tiefen Wunden des Vietnamkrieges an unterschiedlichen Fronten verarbeiten und die Folgen in ihrem erdrückenden Realismus aufzeigen. Wo „Die durch die Hölle gehen“ noch ein Heimatfilm war, ein tiefgehendes, detailliertes Zeitdokument, der das Ohnmachtsgefühl Amerikas herauskristallisierte, ist „Im Jahr des Drachen“ ein nicht selten zermürbend nihilistisches Abbild des Ressentiments im kläglichen Zeichen vom fadenscheinigen und sich letztlich durch die eigene Hand selbst richtenden Patriotismus.


„Im Jahr des Drachen“ setzt an erster Stelle dem Irrglauben, die gewaltigen Blutlachen auf vietnamesischen Terrain wären einzig aus den Körpern stolzer, reinrassiger Amerikaner entstammen, ein Ende. Captain Stanley White war selber in Vietnam und hat für ein Land gekämpft, welches nicht seinen ursprünglichen familiären Wurzeln entspricht. White nämlich ist eigentlich von polnischer Abstammung und hört auf den Namen Wizynski. Die klischeehaften und selbstredend mit einem Trauma eingehergehenden Vorbehalte gegenüber Asiaten, hat sich White jedoch ebenso wie seine heute als Kriegsveteranen deklarierten Kameraden angeeignet. Dabei macht er keinen Unterschied, ob er es nun mit Vietnamesen, Japanern oder Chinesen zu tun bekommen – Sie alle sind ein- und dasselbe Pack an Schlitzaugen und jeder von ihnen ist in den Machenschaften des organisierten Verbrechen verstrickt. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass Cimino durch White in diesen Momenten kein Sprachrohr für die persönliche, ideologische Stellungnahme finden möchte. Whites Verhalten ist ein Produkt seiner vorausgegangenen Erlebnisse, und genau so schildern er und Oliver Stone diese Figur.


 
Ein Verhör nach guter alter Tradition
„Im Jahr des Drachen“ ist keinesfalls nur tumbes Action-Kino über einen desillusionierten Cop, der noch mit unkonventionellen Mitteln hantiert, dafür ist Cimino als Filmemacher einfach zu versiert und intelligent. Wie auch einst Jack Nicholson in Roman Polanskis Noir Klassiker „Chinatown“ feststellen musste, dass Chinatown (dort Los Angeles) nach ganz eigenen Regeln funktioniert und äußere Einflüsse aufsaugt und zum eigenen Vorteil instrumentalisiert, muss auch Stanley White die Fassaden des von Neonfarben durchzogenen und vom übermäßigen Lärmpegel der kontinuierlichen Unruhe Chinatowns (hier New York City) zerbrechen und einen Weg in das Herz der Finsternis finden. Nicht allein durch den Rassismus angetrieben, sondern auch um seine Gier nach Gerechtigkeit zu stillen, letztlich auch aus persönlicher, menschlicher Motivation, die sein Handeln in den Bereich der Selbstjustiz verschiebt, dieses aber auf seinem dreckigen Kreuzzug nicht legitimiert oder glorifiziert. Schön ist dabei auch, wie Cimino und Stone die Geschichte durch die duale Narration entwickeln und so Gesetz und Politik beider Seiten verknüpfen.


„Im Jahr des Drachen“ erschafft dabei eine ungemein kalte und graue Atmosphäre, die sich in den hervorragenden Kameraaufnahmen von Alex Thomson entfaltet und von David Mansfields Komposition stimmungsvoll begleitet wird: Auch formal ist „Im Jahr des Drachen“ makellos und ein grober, aber kein hohler Augenschmaus. Wenn es dann noch um die Schauspieler geht, dann gehört einem Darsteller die ganz große Bühne: Mickey Rourke. Wie Rourke diesen frühzeitig ergrauten und in wenigen Sekunden explodierenden Ermittler verkörpert, ist in seinem enormen Facettenreichtum schlichtweg faszinierend. Neben seinem Auftritt als heruntergekommener, fünftklassiger Privatdetektiv in „Angel Heart“ liefert Rourke die wohl beste, ausbalancierteste Performance seiner Karriere ab, obgleich John Lone als schmieriger Nachkomme auf dem Thron der Triaden ebenfalls überzeugt, nur nie ein ähnliches charismatisches Level erreicht, wie Rourke es inne trägt. Aber wie soll man schon eine solche Dimension ebenbürtig erreichen?!


8 von 10 Silhouetten im Schleier der Nacht


von souli

Review: CHINATOWN – Ein Ort, in dem gute Absichten keine Bedeutung haben

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Fakten:
Chinatown
USA. 1974. Regie: Roman Polanski. Buch: Robert Towne.
Mit: Jack Nicholson, Faye Dunaway, John Huston, John Hillerman, Diane Ladd, Perry Lopez, Roman Polanski, Darrell Zwerling, Roy Jenson, Bruce Glover, Joe Mantell, RoyRoberts u.a. Länge: 131 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Los Angeles, 1937. Privatschnüffler Jack Gittes bekommt von einer attraktiven Ehefrau den Auftrag ihrem Gatten eine Affäre nachzuweisen. Doch Gittes Ermittlungen scheinen ins Leere zu laufen. Als er den Ehemann doch noch mit einer anderen, jungen Frau ertappt und der Ehefrau die Fotos zukommen lässt, muss er wenig später erkennen, dass er getäuscht wurde. Für Gittes beginnen turbulente  gefährliche Tage




Meinung:
Eigentlich hatte Roman Polanski („Ekel“) mit den Staaten abgeschlossen, eigentlich wollte er dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten und unendlichen Perspektiven doch für immer den Rücken kehren und seine Karriere ausschließlich in Europa fortsetzen: Kein Blick zurück über die kalte Schulter sollte es geben, obwohl Amerika doch eigentlich seine Zukunft bedeutete. Die memorablen Bilder der menschlichen Tragödie um das bestialische Verbrechen an seiner Frau Sharon Tate („Tanz der Vampire“) und dem gemeinsamen, ungeborenen Kind, verfolgten Roman Polanski Schritt und Tritt und hetzten ihn in einen ohnmächtigen Zustand, in dem jede einzelne Träne tief verwurzelt in unbändigen Schuldgefühlen war. Jedes Blinzeln wurde zur intuitiven Rekapitulation der unwiderruflichen Vorfälle, als wäre sein Leben bis dahin nicht schon von genügend Schmerz, Kummer und Trauer gezeichnet gewesen.


Jack Gittes hat immer den richtigen Riecher
Aber Amerika wollte nicht locker lassen und konnte den ambitionierten wie aufstrebenden Filmemacher mit den polnischen Wurzeln nicht von jetzt auf gleich aus seinem verheißungsvollen Schoß verabschieden. Und auch wenn viel innere Kraft gebündelt werden musste und die Überwindung, zurück in das Land seines persönlichen Horrors zurückzukehren, einen erneuten emotionalen Zusammenbruch nach sich ziehen sollte, war es nicht nur für Roman Polanski als Künstler die beste Entscheidung. Sein „Chinatown“ lässt sich auch als intime Konfrontation mit der quälenden Vergangenheit lesen und funktioniert somit blendend als bittere Bewältigungsmaßnahme – Und das sieht man dem Film in seinem unterkühlten Frust an, denn in Roman Polanskis Brust pochte ein zerdrücktes Herz, müde von der Frage nach Gerechtigkeit und wutentbrannt aufgrund der deutlichen Antwort darauf, was menschliche, fanatische Verrohung bedeuten kann.


Der Ausgangspunkt ist inzwischen weitreichend bekannt und der ausgeführte Mord von Charles Manson anhand einer obskuren Todesliste ging in seiner irrationalen Wucht in die Geschichte ein. Es kommt daher nicht von ungefähr, dass Roman Polanski und sein mit dem Oscar prämierter Drehbuchautor Robert Towne genau diese individuellen Referenzen in „Chinatown“ einbauen und einen klassischen, handwerklich natürlich hervorragenden Film Noir (re-)konstruieren, der sich eindeutig als Gleichnis auf die amoralen Verkettungen im tobenden Los Angeles verstehen lässt. Die Stadt der Engel faucht und bebt, weil ihr die maroden Schattengestalten aus dem Sumpf der Korruption hinterrücks die Flügel abgetrennt haben. In einer Zeit, in der sich die Fugen aufgrund der wirtschaftliche Depression langsam wieder geglättet haben, herrscht die Zuchtlosigkeit und es wird Gang und Gäbe, seinen Kontrahenten hinterhältig ein Messer in den ungedeckten Rücken zu rammen, anstatt einen fairen Kampf anzuordnen.


Für einen Schnüffler immer perfekt angezogen: Jack Gittes
„Chinatown“ ist daher auch kein Film, der sich mit Idealisten und Optimisten unter seinen Anhängern auszeichnet, dafür ist die Narration und das gesamte Szenario einfach zu dreckig, durchzogen von mannigfachen Abgründen, zu konsequent und hoffnungslos in seiner alles verschlingenden Düsternis. Dabei bekommt „Chinatown“ einen Protagonisten zugesprochen, der noch aus guten Absichten handelt, der sich zwar zum Sinnspruch gemacht hat, seine Nase aus verstrickten Angelegenheiten rauszuhalten, um sich in seinem Stuhl zurückzulehnen und eine filterlose Zigarette nach der anderen zu konsumieren, diese Leitlinie aber aus dem Fokus drängt, wenn es wirklich von Nöten ist. Jake Gittes (Gewohnt brillant: Jack Nicholson) nämlich ist ein Privatdetektiv, ein opportuner Schnüffler und leitender Kopf einer blühenden Detektei. Mit seinem neusten Fall, rundum die wohlhabende Evelyn Mulwray (Faye Dunaway), die ihrem Mann des Fremdgehens bezichtigt, rutscht Gittes langsam hinein, in die erwähnten Abgründe, die ihm schnell das Leben und die moralische Instanz nehmen könnten.


Roman Polanski porträtiert konzentriert eine Welt, in der nicht nur der gute Wille ein nutzloses Gedenken darstellt, auch die Wahrheit ist nur ein übergangenes Anhängsel schrecklicher Verbrechen. Während Los Angeles zum symbolischen Metronom des Abscheulichen wird und den Takt des Inneren, Chinatown, vorgibt, bahnt sich ein Krater durch diese Stadt, der nicht nur politische und wirtschaftliche Schandtaten abdeckt, auch die Familien zerbrechen, stürzen in die desillusionierende Leere und werden im Zweifelsfall noch mit dem unehrenhaften Tod entlohnt. Eine Welt ohne Helden, aber mit Menschen, die zu unmenschlichen Taten in der Lage sind; mit Herzen, die nicht der Liebe wegen schlagen, sondern darauf warten, endlich gebrochen zu werden. Roman Polanski hat vollkommen Recht: Wenn man einen Film über gravierende Missstände inszenieren möchte, dann muss man diese auch siegen lassen, jeder Unzufriedenheit und Enttäuschung zum Trotz.


8 von 10 zerschnittenen Nasenflügeln


von souli