Review: BUG - Dieses Kribbeln im Bauch

                                                               
 
Fakten:
Bug
USA, 2006. Regie: William Friedkin. Buch: Tracy Letts. Mit: Ashley Judd, Michael Shannon, Harry Connick Jr., Lynn Collins, Brian F. O'Byrne, Neil Bergeron, Bob Neill u.a. Länge: 102 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
 
 
Story:
Die suchtkranke Kellnerin Agnes lebt in ständiger Bedrohung durch ihren gewalttätigen Ex-Mann. Sie haust in einem schäbigen Motelzimmer und führt eine lockere Beziehung zu ihrer Kollegin RC. Diese schleppt eines Abends den stillen Peter an. Agnes fühlt sich zu dem Sonderling hingezogen, der auf Grund einer Kriegspsychose unter befremdlichen Wahnvorstellungen leidet. Immer mehr verfällt Agnes ihm und gleichzeitig seinen kranken Gedanken.
 


                                                                          
 
Meinung:
Nach wegweisenden Klassikern wie "French Connection", "Der Exorzist" oder "Leben und sterben in L.A." versank William Friedkin lange im Kariereloch. Seine Arbeiten wurden beliebig und austauschbar. Mit "Bug" entfernte sich Friedkin sehr bewusst vom massentauglichen Hollywood-Kino, das ihn fast beerdigt hätte, und erfand sich damit im hohen Alter quasi neu. Das wagen wenige und daran zu scheitern ist nicht schwer. Friedkins Schritt war goldrichtig. Das es sich bei "Bug" um keine Eintagsfliege - oder eher Käfer - handelte, konnte er mit "Killer Joe" kürzlich untermauern.
 
 
Schlechte Haut und stolz darauf
Der behäbige Beginn erfordert Geduld, die dafür reichlich entlohnt wird. Die Ruhe vor dem Sturm. Wie das Meer, das sich vor der drohenden Flutwelle beruhigend zurückzieht, um dann unbarmherzig alles zu überrollen. Friedkin adaptiert das Bühnenstück von Tracy Letts (ebenfalls der Autor von "Killer Joe") nach dessen Script. Ein White-Trash Kammerspiel, eine Mischung aus Psychodrama, abartiger Lovestory, Kriegstraumata, Co-Psychose und einem Schuss Body-Horror Marke Cronenberg. Die Mixtur erscheint wüst und ist nicht immer perfekt abgeschmeckt, dafür ungemein packend, intensiv und beklemmend.
 
 
Crazy in Love
Friedkins ruhiger Inszenierungsstil der ersten Hälfte ist angenehm zurückhaltend, brodelnd und könnte lediglich an gewissen Stellen etwas zügiger vorangetrieben werden. Davon lässt sich der alte Mann nicht beirren und nimmt dadurch sicher bewusst in Kauf, einige Zuschauer vorzeitig zu vergraulen. "Bug" scheint sein Publikum vorsorglich selektieren zu wollen, um dann das Rad richtig zum Glühen zu bringen. Zwei labile Charaktere, die sich wie vom Schicksal geleitet, gesucht und gefunden haben. Allein waren sie schlicht gestört, gemeinsam steigern sie sich gegenseitig in ihren Wahn hinein, um anschliessend Hand in Hand die reale Welt hinter sich zu lassen und auf das unausweichliche Ende zuzusteuern. Da blitzt so was wie morbide, wenig süsse Romantik auf. Valentinstag in der Klapsmühle, ohne Tranquilizer, aber immerhin gibt es Pizza.
 
 
Ashley Judd, optisch wie die Vorstufe zu Charlize Theron in "Monster", und Michael Shannon liefern famose Leistungen ab, am Rande des Wahnsinns und teilweise darüber hinaus. Im letzten Drittel lassen sie völlig enthemmt die Puppen tanzen und Friedkin entfaltet im Aluminium-Iglo der Endstadium-Paranoia eine Energie wie zu seinen besten Zeiten. Der Schlussspurt ist sagenhaft und entschädigt für gelegentliche Längen im Vorlauf.
 
 
Friedkin steht der unangepasste White-Trash-Mantel deutlich besser als der langweilig-schicke Hollywood-Smoking der Jahre zuvor. Den Kick brauchte er wohl zum wach werden. Guten Morgen, gut geschlafen? Bitte weiter so. Aber hat er ja bereits...
 
7,5 von 10 Kammerjägern.

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