Review: FRANK – Freundschaft begründet sich auf Gegensätzen



Fakten:
GB, Ireland, USA. 2014. Regie: Lenny Abrahamson. Buch: Jon Ronson, Peter Straughan. Mit: Domhnall Gleeson, Michael Fassbender, Maggie Gyllenhaal, Scoot McNairy, Carla Azar, Francois Civil u.a. Länge: 94 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Ab 27. August 2015 im Kino.


Story:
Frank ist der exzentrische Frontmann der experimentellen Rockband Soronprfbs und buchstäblich der Kopf der Band. Denn Frank trägt ständig einen übergroßen Pappmaché-Kopf auf seinen Schultern und dies nicht nur bei den skurrilen Live-Shows, sondern auch im Alltag. Nicht mal die Bandmitglieder haben je sein Gesicht gesehen. Als der Keyboarder ausfällt, engagiert Frank spontan den Tagträumer Jon als Ersatz. Und obwohl der erste gemeinsame Auftritt zum Desaster verkommt, darf der Debütant bleiben. Hochmotiviert zieht Jon mit der Band in die irischen Wälder, um ein Album aufzunehmen. In der abgelegenen Hütte dämmert ihm allmählich, worauf er sich eingelassen hat.




Meinung: Wenn man eine Erkenntnis aus „Frank“ mitnehmen möchte, eine wirklich positive Feststellung, dann ist es wohl die Tatsache, dass Michael Fassbender („X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“) angenehmerweise zu den arrivierten Hollywood-Schauspielern gehört, die ihrer Profession noch frei von Eitelkeit und Star-Allür nachgehen. Es ist bestimmt nicht der Regelfall, dass es sich ein Künstler aus der A-Liga der Traumfabrik gefallen lässt, beinahe über die gesamte Laufzeit des Films hinweg einen überdimensionalen Pappmascheekopf auf den Schultern zu tragen, der sein Gesicht natürlich vollständig unkenntlich macht und dementsprechend nur durch die Stimme eine Ahnung davon gegeben werden kann, wer sich dort eigentlich unter dem eminenten Riesenschädel verbirgt. Michael Fassbender war sich dafür jedoch nicht zu schaden, hat sich den kulleräugigen Bollerkopf überstülpt und erneut eine bestechende Darbietung abgeliefert, die – wir bringen erst im letzten Akt seine direkte Mimik in Erfahrung – gerade verdeutlicht, wie wichtig und ausdrucksstark die Körpersprache in einer ausgefächerten Performance doch sein kann.


Nur in dieser Hinsicht zeigefreudig: Michael Fassbender als Frank
Darüber hinaus aber möchte „Frank“ nicht so wirklich funktionieren, was vor allem damit zusammenhängt, dass es Regisseur Lenny Abrahamson („What Richard Did“) nicht vermeiden kann, eine typische Independent-Film-Krankheit durch seine inszenatorische Finesse und gekonnte Schauspielerführung zu neutralisieren. Das Drehbuch von Peter Straughan und Jon Ronson nämlich lässt „Frank“ zu Anfang noch als ein wirklich sympathisch-schrulliges Porträt über eine Handvoll wirklich sympathisch-schrulliger Musiker Luft holen und gewährt der Narration so, eine gewisse Eigendynamik zu evozieren, in der sich jeder der Protagonisten einfinden darf. Obgleich der von Michael Fassbender verkörperte Frank bestimmendes Gravitationszentrum der Geschichte ist, so nimmt eigentlich der Keyboarder und Songwriter Jon (Domhnall Gleeson, „Ex Machina“) die Hauptrolle ein, dessen Sicht auch wir anschließend einnehmen (das zurückhaltende Voice-Over verstärkt diesen Eindruck) und folgerichtig in den Sozial- wie Bandalltag der avantgardistischen Truppe „Soronprfbs“ eintauchen. „Frank“ begnügt sich aber nicht damit, die spleenige Gruppe in ihrem mal mehr, mal weniger skurrilen Miteinander zu dokumentieren, sondern möchte unbedingt Tieferliegendes nach außen kehren.


Bandprobe mit Köpfchen
Frank ist dabei Frontsänger, der von den anderen Mitgliedern der Band (dazu zählen sich zum Beispiel noch Maggie Gyllenhaal, Scoot McNairy und Francois Civil) beinahe schon in einer Götzenform verehrt wird und zeitweise in der Funktion eines spirituellen Führers auftritt, der seine Jünger in die entlegensten Winkel ihres Ichs führen möchte, um von dort die reinste Musik an die Oberfläche kitzeln zu können. „Frank“ erliegt überdies dem fehlgesteuerten Pflichtbewusstsein, seiner titelgebenden Figur unbedingt psychologisch auf den Zahn fühlen zu wollen und formuliert genau das aus, was dem Zuschauer aufgrund der widersprüchlichen Floskeln Franks im Verlauf der Handlung schon klar genug geworden ist: Frank leidet an einer psychischen Krankheit, für die das Drehbuch im letzten Kapitel eine reichlich erzwungene Ätiologie herleitet und den Weg zurück in Franks Elternhaus und damit auch in seine Vergangenheit ebnet. Dass dieses mentale Leiden aber keinen Einfluss auf sein musikalisches Genie genommen hat, wird dabei noch ganz besonders hervorgehoben, was Jon eben auch erkennen lässt, dass man Talent nicht erzwingen kann.



Die aufgebauschte Zweiteilung zwischen dem lakonischen Diskurs über das heutige Musikgeschäft (darin ist dann auch der Social-Media-Überdruss samt Personenkult eingebunden) und dem schwerwiegenden Charakter-Drama wirkt tonal zu ungelenk, nimmt „Frank“ den schwungvollen Esprit und damit auch immer mehr von seinem feinen Witz. Dass sich Jon zum Ende hin noch kräftig auf die eigene Schulter klopfen darf und ganz generös auf seine ehemaligen Bandkameraden (herab-)blickt, während diese nach einiger Zeit der Trennung wieder auf einer Kneipenbühne zusammengefunden haben, lässt seinen eigentlich liebenswerten Charakter irgendwie anmaßend erscheinen und drückt „Frank“ zudem eine ausgestellte Indie-Attitüde auf die Stirn, gegen die er sich in der ersten Hälfte noch erfolgreich erwehren konnte. Wirklich überzeugend wirkt der Film dann auf den Zuschauer ein, wenn er dem auf Kontrasten basierenden Gefühlsknoten zwischen Frank und Jon beinahe nebensächlich behandelt und den Dingen ihren freien Lauf lässt. Aber für so viel ungekünstelte Freiheit ist „Frank“ offenkundig nicht stark und letzten Endes auch nicht exzentrisch genug gewesen.


5 von 10 bärtigen Ersatzkeyboardern


von souli

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