Fakten:
Die Hand (The Hand)
USA, 1981. Regie: Oliver Stone.
Buch: Oliver Stone, Marc Brandel (Vorlage). Mit: Michael Caine, Andrea
Marcovicci, Annie McEnroe, Bruce McGill, Viveca Lindfors, Rosemary Murphy, Mara
Hobel, Pat Corley, Nicholas Hormann, Charles Fleischer u.a. Länge: 100 Minuten.
FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD erhältlich.
Story:
Comiczeichner Jonathan Lansdale
verliert bei einem Unfall seine rechte Hand und somit seine Existenzgrundlage.
Und das, wo seine Ehe gerade sowieso auf sehr wackligen Beinen steht. Als er
einen Job als Dozent in Kalifornien angeboten bekommt, reißt er zunächst allein
dorthin und beginnt einer Affäre mit der Studentin Stella. Doch seit dem Unfall
wird er von Blackouts und Halluzinationen geplagt, in denen seine abgetrennte
Hand ein Eigenleben entwickelt hat. Verliert er den Verstand oder geht hier
tatsächlich etwas Übernatürliches vor sich?
Meinung:
-„Woher weiß die Eidechse das ich
das tue, wenn sie keinen Kopf hat?“
-„Das sind nur Reflexe. Ich glaube
nicht, dass das noch gelebt hat.“
„Die Hand“ zählt zu den wenig
bekannten Regiearbeiten von Oliver Stone und ist neben seinem (noch
unbekannteren) Debütfilm „Die Herrscherin des Bösen“ (1974) sein einziger
Ausflug in die Welt des Horrorfilms und Psychothrillers. Den großen Durchbruch
als Regisseur erlang er wenige Jahre später durch politisch und
gesellschaftlich kritische Filme „Salvador“, „Platoon“ oder „Wall Street“. Zuvor war Stone „nur“ durch sein
Oscar-prämiertes Skript zu „Midnight Express“ der breiten Öffentlichkeit
aufgefallen und „Die Hand“ ändert daran zunächst nicht viel, obwohl man mit
Michael Caine einen gestandenen und fähigen Hauptdarsteller gewinnen konnte
(der drehte zu der Zeit allerdings auch gerne mal groben Unfug, siehe „Freibeuter
des Todes“).
Da fliegt das Aua... |
Sprich mit der Hand. |
Oliver Stone – der auch das
Drehbuch nach einem Roman von Marc Brandel verfasste – geht dabei geschickt
vor, den Zuschauer bis zum letzten Moment im Unklaren zu lassen, was denn nun
die Wahrheit hinter dem Geschehen ist. Wenn wir die Hand in Aktion erleben,
wird es als surreal-albtraumhafte Sequenz dargestellt (in einer von ihnen wird
Stone selbst als besoffener Obdachloser ihr Opfer), der Protagonist als labiles
Wrack, der mit Halluzinationen und Blackouts zu kämpfen hat. Was erleben wir
hier? Eine Hand, die ein autonomes Eigenleben entwickelt hat? Ein Körperteil,
das wie der Schwanz einer Eidechse reflexartig handelt oder doch gar durch das
Unterbewusstsein seines „Herren“ ferngesteuert wird? Oder einfach nur einen
kranken, traumatisierten Mann, der seine eigenen Taten psychotisch verdrängt?
Alles scheint möglich, mal mehr, mal weniger, von Stone hervorragend umgesetzt.
Seine Bilder und Einstellung haben echte Klasse, der schaurige Score von James
Horner findet dafür den passenden, akustischen Rahmen, selbst die wenigen
Spezialeffekte sind großartig. Das alles krönt ein fantastischer Michael Caine,
der sich die Seele aus dem Leib spielt. Ohne ihn würde der Film kaum seine
Wirkung in die richtige Richtung entfalten können. Er verkörpert einen physisch
sichtbar und psychisch nur zu erahnen verkrüppelten Mann im Fiebertraum von
Wahn und Wirklichkeit beeindruckend, auf den Punkt. Mal aufbrausend, mal ruhig,
aber jederzeit brodelnd, was der Verwirrungstaktik von Stone optimal in die
Karten spielt. Zwischen Gewissheit und Zweifel pendelt er hin und her und
entlässt mit dem idealen Ende, das die vorher gestellten Weichen wieder in eine
Gabelung verwandelt.
Bei allem berechtigten Lob:
Natürlich hat der Film unter einem strengen Blickwinkel mehr Hand (aha) als
Fuß, strickt schon ein sehr grobmaschiges Muster aus der psychologischen
Waschküche zusammen, doch den Anspruch auf ein glaubhaftes Psychodrama verfolgt
er wohl auch nicht ernsthaft. Dafür ist das wunderbar arrangiert, jederzeit
spannend und übertrifft die leicht skeptischen Prognosen deutlich. Mit derart
Geschichten kann man blitzschnell radikalen Schiffbruch erleiden, Oliver Stone
macht daraus eine sehr sehenswerten und bald sträflich unterschätzen Film, der
sich kaum bis gar nicht hinter den bereits erwähnten Werken eines David
Cronenberg wie „Shivers“, „Rabid“ oder „Die Brut“ verstecken muss. Tolles Ding,
dass Oliver Stone auch ein „Händchen“ für derartige Genrefilme hat(te),
verblüffend. Generell scheinen sich bei ihm in den letzten Jahren die Spätfolgen
seines exzessiven Leben zu zeigen. Entweder sollte er weniger Drogen nehmen
oder wieder damit anfangen, den „World Trade Center“- oder „Savages“-Stone
braucht doch kein Mensch.
7 von 10 Phantomschmerzen
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