Fakten:
Operation Arsenal – Schlacht um
Warschau (Kamienie na szaniec)
POL, 2014. Regie: Robert Glinski.
Buch: Wojtek Palys, Dominik Wieczorkowski-Rettinger, Aleksander Kamiński
(Vorlage) . Mit: Tomasz Zietek, Marcel Sabat, Kamil Szeptycki, Magdalena
Kolesnik, Sandra Staniszewska, Wojciech
Zielinski, Andrzej Chyra, Wolfgang Boos, Hans Heiko Raulin u.a. Länge: 108
Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Ab dem 4.8. 2015 auf DVD und Blu-ray
erhältlich.
Story:
Rudy, Alek und Zoska sind einer
verschworene Gemeinschaft. Gemeinsam mit anderen jungen Pfadfindern haben sie
in Warschau eine Widerstandsgruppe gegen die deutschen Besatzer gebildet. Täglich
riskieren sie ihr Leben im Kampf gegen die Nazis. Bei einer Aktion gerät Rudy
in Gefangenschaft. Die Deutschen wissen noch nicht viel über die Gruppe, ihre
Organisation und ihre Anführer. Aber Rudy schweigt bei den Verhören eisern,
selbst als die Folterungen unerträglich werden…
Meinung:
Als Filmland ist Polen bei uns
immer noch ein relativ unbeschriebenes Blatt, sieht man von den Arthaus-Filmen
eines Krzysztof Kieślowski ab. Selbst die bekanntesten Werke eines Roman
Polanski entstanden alle außerhalb seiner Heimat (die Co-Produktion „Der
Pianist“ mal ausgeklammert). ASCOT ELITE scheint sich vorgenommen zu haben,
dies zu ändern. Bereits im letzten Jahr ließ uns das Label in den „Genuss“ des
(angeblichen) Mega-Gassenhauers Polens des Jahres 2012 kommen: „Hans Kloss –
Spion zwischen den Fronten“. Die Adaption einer in den ehemaligen Ostblockstaaten
sehr populären Fernsehserie der 60er Jahre machte – um es höflich zu
formulieren - ehrlich gesagt wenig Lust auf mehr. Und um vernichtend ehrlich zu
sein: Es dürfte einer der schlechtesten Filme gewesen sein, die 2014
hierzulande ihren Heimkinodebüt feierten. Die peinliche
Zweiter-Weltkrieg-Agenten-Räuberpistole erinnerte stark an die Werke von Dr.
„uns“ Uwe Boll, nur das Ralf Möller, Edward Furlong und Dominic Purcell nicht
dabei waren. Man sollte immer unvoreingenommen an einen Film herangehen,
angesichts dieser bösen Erinnerung kann das bei dem nächsten vermeidlichen
Polen-Kracher „Operation Arsenal – Schlacht um Warschau“ (der übrigens nur so
auf dem Cover der DVD/BD genannt wird, auf der Disc trägt er den Untertitel
„Widerstand in Warschau“, das zeugt auch nicht gerade von viel Mühe bei der
Umsetzung) mitunter schwer fallen.
Noch gucken sie nur zu... |
Aus der Perspektive betrachtet ist
der vorliegende Film eine richtig positive Überraschung. Der Vergleich hinkt
natürlich etwas: Anstatt eines viertklassigen James Bond/Indiana Jones-Verschnitts
mit Nazi-Schnitzeljagd-Bimbam ist „Operation Arsenal – Schlacht um Warschau“
die Umsetzung eines Romans von Aleksander Kamiński, der wiederum auf einem
realen Hintergrund basiert. Im seit Jahren besetzten Warschau kämpfen junge
Männer aus der gehobenen, nicht-jüdischen Mittelschicht - deren Familien zwar
unter dem Nazi-Regime leiden, jedoch noch ein relativ „normales“ Leben führen
können – mit kleinen Sabotageaktionen gegen die Unterdrücker. Ihre Gruppe ist
weder professionell organisiert, noch entsprechend ausgerüstet; mehr als etwas
unwichtige, nichtsdestotrotz für das eigene Leben unverhältnismäßig riskante
Unruhe zu stiften gelingt ihnen in dieser Form nicht. Für die Freiheit ihres
Landes bereit aufs Ganze zu gehen, schließen sie sich als Splittergruppe der
paramilitärischen, polnischen Untergrundarmee an. Größeres Spiel, größerer
Einsatz. Und so finden sich die teilweise noch sehr grünen Jungs bald in einem
blutigen Guerilla-Krieg wieder, der seine Opfer und vor allem eine erhöhte
Opferbereitschaft fordert. Nun von der SS als ernsthafte Bedrohung eingestuft,
geht es bald härter zur Sache, was besonders Jan alias „Rudy“ am eigenen Leib
zu spüren bekommt, als er in deren Folterhaft gerät. Während er versucht, den
drastischen Verhörmethoden standzuhalten, planen seine Freunde eine
Befreiungsaktion, müssen jedoch auf die Zustimmung ihrer Vorgesetzten hoffen,
die wenig Wert auf waghalsige Selbstmordkommandos legen.
...bald spielen sie mit... |
Beginnt der Film noch dem Umständen
entsprechend relativ locker – immer wieder unterlegt mit für den zeitlichen Rahmen der Handlung etwas
unpassend wirkenden Bass-Riffs -, wird der Tonfall deutlich ernster und
besonders schmerzhafter, wenn auch den Jungs gewahr wird, was ihr Widerstand
für Konsequenzen haben kann. Wirkt „Operation Arsenal – Schlacht um Warschau“
zunächst etwas zu lässig, wird nun auch der Zuschauer mit der Grausamkeit der
SS-Folterknechte konfrontiert. Hier wird wenig ausgelassen, Regisseur Robert
Glinski lässt seinen Protagonisten ein sadistisches Martyrium durchlaufen und
schont das Publikum dabei nicht. Ein Torture-Porn springt dabei natürlich nicht
heraus, der Anblick des sich dem Tod bald näher als dem Leben befindenden „Rudy“
(überzeugend, wie eigentlich der gesamte Cast: Tomasz Zietek) dürfte für
zartere Gemüter dennoch nicht einfach sein. Wenig schonungslos präsentiert sich
der Film an diesen Stellen und lässt mitfühlen- und leiden, auch mit seinem
besten Freund (Marcel Sabat), der verzweifelt an einem Befreiungsplan bastelt.
Der Plot dreht sich nun ausschließlich auf diese Einzelschicksale, das große
Ganze, der Kampf der Untergrundarmee, dient mehr als Kulisse. Hintergrundinfos
werden so gut wie gar nicht gegeben, da konzentriert man sich eindeutig auf das
heimische Publikum, die diese wohl weder benötigt noch zwingend einfordert. Dem
Verständnis des Geschehens steht das nicht im Wege, wodurch das zu verschmerzen
ist, obwohl eine tiefergehende Behandlung dem Film bestimmt nicht geschadet
hätte.
...aber haben sie eine Chance? |
Allgemein lässt sich „Operation
Arsenal – Schlacht um Warschau“ am deutlichsten vorwerfen, dass er bei der
mannigfaltigen Thematik mögliche Nebenhandlungsstränge und besonders die
zahlreichen Nebenfiguren ignoriert bzw. sehr stiefmütterlich behandelt. Es
existiert „nur“ ein Mainplot, obgleich er genug Raum und Optionen bieten würde,
die Charaktere neben den beiden Protagonisten werden wenig beleuchtet, womit
einiges an Potenzial verschenkt wird. Man fragt sich des Öfteren, was eigentlich
mit dieser oder jener Person passiert (ist), wenn sie nicht gerade kurz durchs
Bild huscht (oder nicht wieder auftaucht). Wie schon dem Mangel an
Backroundinfos rund um die historische Bedeutung des Widerstands ist es wohl
auch dem polnischen Blickwinkel geschuldet, dass eine Differenzierung zwischen
Schwarz-Weiß-Malerei von Gut und Böse ausbleibt. Die wenigen Nazis mit Text
(also die wichtigsten SS-Tyrannen) sind abgrundtief bösartig, die Statisten oft
als hässlich und rundlich dargestellt, doch das sollte verziehen werden.
Historisch betrachtet ist es nicht verwerflich, dass bei der schlimmsten Plage
eines Volkes hier nicht die „Nicht alle waren böse“-Knöpfe gedrückt werden, das
hätte auch nur bedingt Platz in der Szenerie. Speziell die führenden und
ausführenden Köpfe einer faschistischen Verhöreinheit haben ihren Job damals
wohl nicht bekommen, weil sie nicht dafür „qualifiziert“ waren. Es fehlt dem
Film eindeutig am gewissen Feinschliff, der ihn in das deutlich obere
Mittelfeld befördert hätte.
Denn sonst, und das soll nicht
unter den Teppich fallen, ist „Operation Arsenal – Schlacht um Warschau“ ein
sehr stabil, sogar international konkurrenzfähig, inszenierter und produzierter
Film, gut gespielt, partiell spannend wie packend und präsentiert
(Haupt)Figuren, die einem nicht scheißegal sind. Mehrere kleine bis mittelgroße
Baustellen verwehren ihm eine deutliche Empfehlung, aber ganz sollte man ihn
nicht außen vor lassen. Grob brauchbar bezeichnet es recht präzise…ebenso wie
die ungeliebte weil oft treffende Floskel „da war mehr drin“.
5,5 von 10 Rauchbomben im Kino
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