Fakten: CN/ FR. 2010. Regie: Dennis Grou. Buch: Patrick Senécal (auch Vorlage). Mit: Rémy Girard, Claude Legault, Fanny Mallette, Martin Dubreuil, Pascale
Delhaes, Rose-Marie Coallier, Alexandre Goyette, Dominique Quesnel, Pascal
Anctil u.a. Länge: 110 Minuten. FSK: freigegeben ab 18 Jahren. Auf DVD und Blu-Ray
erhältlich.
Story: Nachdem seine 8-jährige Tochter vergewaltigt und ermordet gefunden wird,
entführt Bruno den Hauptverdächtigen in eine abgeschiedene Hütte im Wald und
foltert ihn, während die Polizei ihn jagt. Brunos Welt zerplatzt und baut sich
etwas anders wieder auf.
Meinung:
Zeitgenössische (franko-)kanadische Kriminalfilme
wissen sich oft durch ihren europäischen Einschlag, die skandinavische Härte
und die thematische Ambivalenz der französischen Nouvelle Vague, über den
gängigen nordamerikanischen Film hinwegzusetzen. Auch die Arbeit von Daniel
Grou lässt schon auf dem Papier ein Werk vermuten, das nicht dafür gedacht ist,
den Zuschauer „zu unterhalten“. Zu beinhart, gefühlskalt die Geschichte, zu
nüchtern die Inszenierung. Auch wenn die kanadische Filmindustrie oft mit der
US-amerikanischen verbunden ist und auch auf dem Wege gute Ergebnisse liefert,
ist es irgendwie keine Überraschung, dass dieser Film keine derartige
Ko-Operation darstellt.
Bruno ist fest entschlossen sich zu rächen
Bruno verliert seine Tochter und entführt und foltert daraufhin den Mann, der
für den Tod seines Kindes verantwortlich ist. Die blanke Absurdität, die
Selbstjustiz und jeder Film über jene Tat ausstrahlt, nimmt sich Regisseur Grou
von Anfang an vor die Brust. Es geht hier nicht um die Sensation der Gewalt, um
den blutigsten Effekt und den lautesten Schmerzensschrei. Es geht darum, was
die Brutalität und die Verzweiflung mit den Beteiligten macht. Ihr Effekt auf
den Menschen ist stärker als jeder Hieb oder Messerstich es je sein könnte. Der
deutsche Titel beschränkt sich bloß auf die Anzahl der Tage. Der originale
Titel wird da genauer und spricht von sieben Tagen der Vergeltung. Die
Vergeltung ist ein wird schnell jedoch als Hokuspokus entlarvt. Als ein
Scheinkonstrukt, das den Ausführenden die seelische Erlösung geben soll, die
sie suchen. Ein scheinbar so erstrebenswertes Ziel, dass gar vergessen
beziehungsweise übersehen wird, dass die ausgeführte Gewalt echohaft ebenso
starken Schaden an der eigenen Person anrichtet. Mit seiner Rache verkommt
Bruno zum Täter, er verwandelt sich zu dem Wesen, das er zeitgleich bekämpfen
zu versucht. Noch drastischer ausgedrückt: Er wird zu dem Typus Mensch, der
seine Tochter vergewaltigt und getötet hat. Ein Kreislauf des Zynismus.
Keine Gnade für den Täter - wenn er denn der Täter ist
Die Polizei ist zunächst auf der Jagd nach dem Kindermörder - und versagt.
Bruno ist schneller, schnappt ihn sich und hält ihn fest. Die Polizei ist nun
auf der Jagd nach Bruno selbst, dem Mann, der wenige Momente zuvor noch Opfer
war. Auch hier steckt eine Absurdität dahinter, die nicht gegen das System oder
die Polizei etwa gerichtet ist, sondern gegen die Natur der Schuld und der
Aktionen Brunos. Der Polizist Hervé erlitt ein ähnliches Schicksal wie Bruno,
als seine Frau vergewaltigt und ermordet wurde. Und obwohl er dem Gesetz treu
ist und das tut, was er tun muss, ist er von einer Verzweiflung erfüllt, dass
er dem Mörder seiner Frau nichts antun kann, weil er im Gefängnis schmor. Aber
er würde, eben weil er ein Mensch ist und bei Menschen in Extremsituationen
stets spontan Emotionalität über Rationalität siegt. Das zeigt sich auch im
Vorgehen von Bruno. Anfangs zertrümmert er die linke Kniescheibe seines gefesselten
Opfers mit einem Hammer. Es ist brachial, spontan, emotional. Später bearbeitet
er sein Opfer wie auf seiner Arbeit im Krankenhaus. Er wickelt die Folter wie
seinen Beruf ab, professionell, ruhig, präzise. Von Emotionalität ist keine
Spur mehr auszumachen.
Für niemanden ein Genuss: Bruno bei der Folter
Bruno entledigt sich jeglicher Ambivalenz und Fähigkeit zur Differenzierung.
Sein Opfer sagt irgendwann, das Schlimmste sei, dass Bruno es nicht einmal zu
genießen scheint. Die Welt und das Wesen des Menschen ist aus den Fugen
geraten. Bruno ist Gott in seinem eigenen Kosmos, der Menschen richten kann,
der sich nichts sagen lassen muss und der agieren und reagieren darf, wie es
ihm beliebt. Nach Hochmut kommt der Sturz, der sich hier schon in frühen
Stadien des Filmes ankündigt. Bruno nutzt die Folter zur Vernichtung jeglicher
Illusionen, Gedanken und Aktivität seines Opfers. Er will den Lebenswillen aus
seinem Opfer aussaugen - und tut sich eben dies selbst an. Folter als extremste
Form der Selbstdestruktion. Die Folter wird dabei nicht zelebriert oder als
Sensation verkauft. Sie hämmert auf den Zuschauer ein, durch die nüchternen und
ruhigen Bilder und Bewegungen, die nahezu gänzliche Abstinenz von Musik. Es
gibt nur den Raum des Bildes und die Zeit, die man in ihm verbringen muss, auch
wenn man nicht will. Die Gewalt, sei sie physisch oder psychisch, wirkt mit der
Zeit ermüdend auf den Zuschauer. Die Verzweiflung des Täters und des Opfers
gleichermaßen, machen es sich auf der Seele des Publikums gemütlich.
„7 Days“ ist ein widerlicher Film, verdammt widerlich und verdammt verstörend
aber auch verdammt wirkungsvoll und ebenso tiefgründig durchdacht. Während die
Grenze zwischen Gut und Bös’ in derartigen Filmen oft verschwimmt, wird sie
hier direkt über Bord geworfen und vergessen. Es gibt keine Grenze, das Gebiet
des Guten ist innerhalb des Bösen und umgekehrt. Die eiskalte Ästhetik von
David Finchers Kameramann Jeff Cronenweth sorgt dafür, dass alle verzweifelten
Fluchtversuche des Zuschauers scheitern und die Augen an den Bildern hängen bleiben.
Die ruhige und glatte Oberfläche steht dabei in einem seltsamen aber komplexen
Kontrast zum Innenleben der Charaktere, die abgestumpft aber gleichzeitig
innerlich zerrissen und verkratert ihrem Dasein fristen müssen. Wegschauen geht
nicht, obwohl man sich unwohl fühlt in diesem ziemlich düsteren Film, in dem
alles, was von einem Menschen, einem Wesen mit Vergangenheit, Gegenwart,
Zukunft, Träumen und Ängsten, übrig bleibt, ein Abdruck im Gras ist.
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