Specials: Der Flux Kompensator und die Filme der Zukunft - Vertigo Remake (3D)



Wir schmeißen den Flux Kompensator an und sagen euch welche Filme euch in Zukunft erwarten und wenn wir schon mal in da sind, sagen wir euch auch gleich, ob man sich auf die Zukunft freuen kann oder nicht. Unser souli schnallte diesmal den Flux Kompensator auf seinen Bollerwagen und reiste so ins Jahr 2017. Dort sah er sich das Remake eines echten Klassikers an: "Vertigo". In seiner Review sagt er euch, wie er ihn fand.

Fakten:
USA. 2017. Regie: Mike Figgis. Buch: Dustin Lance Black. Mit: David Thewlis, Naomi Watts, Viggo Mortensen, Tim Bagley, B.J. Novak, Harris Yulin, Charlotte Ayanna, Raymond J. Barry u.a. Länge: 156 Minuten. FSK: ab 16 Jahren freigegeben



Story:
Frank Hudson leidet nur noch an extremer Höhenangst, sondern ist auch Wrack, seitdem er bei einer Jagd über die Dächer einen guten Kollegen von sich verloren hat. Frank gibt den Job bei der Polizei auf und stolpert von einer Tätigkeit zur anderen, bis ihn ein Bekannter darum bittet, seine Frau Lisa zu beschatten, denn es scheint so, als würde Lisa von einer höheren Macht gesteuert werden. Frank rettet Lisa, nachdem sie sich in Bucht von San Francisco gestürzt hat und die beiden kommen sich näher. Der ehemalige Polizeikollege Lance hat sich ebenfalls eingeschaltet, schmiedet ganz eigene Pläne, und folgt Frank auf Schritt und Tritt…





Meinung:
"Mörder fühlen keine Reue, ihnen fehlt das Moralzentrum im Gehirn."

Remakes, Remakes, Remakes. Hier eine Neuinterpretation, da eine Neuauflage. Es scheint als wäre die Filmwelt, besser gesagt Hollywood, nur noch auf die Erneuerung bestimmter Kult-und Filmklassiker aus und schert sich einen Dreck um eigene Ideen. Frische Einfälle werden zur wirklichen Mangelware und der einstige Ideenreichtum ist Teil staubiger Vergangenheit, genau wie der Strand der endlosen Innovationen seit geraumer Zeit immer wieder von einer Welle kruder Inspirationslosigkeit erdrückt und zerstört wird. Wo ist die Originalität? Wo ist die Kreativität? Wo ist die Liebe zum Film? Wo sind die Überraschungen? Aber genug getrauert und genug der losen Phrasen wie „Früher war alles besser!“. Doch denken wir nur zurück an den Blockbustersommer 2016, in dem Shawn Levy seine Lethal Weapon Version mit Zach Galifianakis und Tracy Morgan in den Hauptrollen, welches dem geliebten Buddy-Kult einen respektlosen Schlag ins Genick gegeben hat. Es gab in der Vergangenheit jedoch immer wieder Ausnahme und Remakes, die sich nicht als Komplettausfall erwiesen und die Filmwelt mit ihrer respektvollen Modernität beglücken. Ein solcher Glücksfall steht uns auch ausgerechnet mit Mike Figgis‘ Vertigo Rekonstruktion, die Hitchcocks kompletten Meisterwerk keine Schande macht. 




souli wundert sich: "Selbst 2017 gibt's noch hässliche Hüte"
Wer hätte damit gerechnet? Einer der besten Filme, für viele sogar DER beste Film, aller Zeiten wird in einem Remake nochmal ausarbeitet. Das Geschrei im Vorfeld war groß. Die Zweifel und die Angst auf die kommende Entmystifizierung waren unbändig. Sind wir ehrlich, irgendwie hat doch jeder mit einem riesigen Flop gerechnet, dementsprechend groß muss die Anerkennung sein, die man Regisseur Mike Figgis zollen muss, denn er hat sich zu keinem Zeitpunkt entmutigen oder beirren lassen und sein Projekt nicht nur bis zum Ende durchgezogen, sondern einen wirklich ansprechenden, interessanten und hochklassigen Film abgeliefert. Allerdings muss man sagen, dass Mike Figgis, der 1995 auch für das Meisterwerk Leaving Las Vegas verantwortlich war, sich nicht genau an Hitchcocks Vorlage orientiert, sondern eine ganz eigene Version kreierte. Die Veränderungen fangen schon bei den Charakteren und ihren Namen an. Hat James Stewart im Original noch auf den Namen Scottie Ferguson gehört, so trägt sein Nachfolger David Thewlis den Namen Frank Hudson. Stewart hat als Ex-Polizist Ferguson wohl seine beste Karriereleistung abgeliefert und gleiches gilt tatsächlich auch für Thewlis, der eine eindringliche und wirklich emotionale Charakterdarstellung abliefert, die in Sachen Mimik ungeahnte Explosionen offenbart.


Die Suche nach der weiblichen Hauptrolle wurde im Vorfeld ebenfalls lang und breit diskutiert. Michelle Williams, Carey Mulligan, Kate Winslet und sogar Gwyneth Paltrow waren im Gespräch. Die Wahl fiel schlussendlich auf die Australierin Naomi Watts und eine bessere Besetzung für die Rolle der Lisa Swinger/ Nancy Lithglow, die im Original noch von Kim Novak verkörpert wurden und Madeleine Elster/Judy Barton hießen, konnte man wirklich nicht finden. Watts ist eine großartige Schauspielerin, unzählige Male hat sie das bewiesen, und selbst dem „schweren Erbe“ von Novak ist Watts ohne Mühe gewachsen. Nie war sie verführerischer und konnte ihre weiblichen Reize so präzise und intensiv ausspielen. Jetzt kommen wir jedoch zu einer der großen Veränderungen. Figgis hat in seinem „Vertigo“ noch einen dritten wichtigen Part und zwar den ehemaligen Polizeikollegen Lance Drenton, der sich immer wieder in die Angelegenheiten des Paares mischt und schon zu gemeinsamen Polizeizeiten Frank mit misstrauischen Augen betrachtet hat. Für die Rolle des Lance Drenton konnte man sogar Viggo Mortensen bekommen, der dem rauen Polizisten eine unverwechselbare Intensivität verleiht und im Laufe der Geschichte ganz neue Facetten gewinnt, die seine Performance unheimlich ambivalent entfalten lassen. 



David Thewlis als Frank Hudson
Figgis bewahrt, genau wie Hitchcock, die Kernthemen wie Nekrophilie, obsessive Liebe und ausweglose Beziehungsgrenzen, die nicht nur aus den Süchten des Protagonisten entspringen, sondern auch aus den schwierigen Situation, in die alle Beteiligten stolpern, ohne hier zu viel verraten zu wollen. Vertigo bewahrt den Charme der 50er Jahre und hat genau dieses Lebensgefühl in die Gegenwart projiziert. Wir finden uns also im heutigen Amerika wieder, wo die Geschichte genau spielt, ist nicht immer ganz klar, denn befinden wir uns in einer Szene zusammen mit Lisa und Frank der Golden Gate Bridge, so steht der lauernde Frank im nächsten Moment vor dem Empire State Building und schmiedet seine Pläne, wie er das Frank in sein eigenes Verderben rennen lassen kann. Figgis Inszenierung setzt sich aus Misstrauen, Liebe, Leidenschaft und doch viel Surrealismus zusammen. Die Beziehung zwischen Frank und Lisa erweist sich als überaus emotionales Beziehungsmosaik, welches Stück für Stück auseinanderbricht und von Frank, der nach einem Unfall nur noch ein emotionaler Krüppel ist, wieder zusammengesetzt werden muss. Die Wendeltreppe führt direkt in die Psyche eines Süchtigen. Süchtig nach Nähe, süchtig nach der Vergangenheit und doch süchtig nach dem, was ihm augenscheinlich genommen worden ist und in Nancy ihre Reinkarnation gefunden hat. Wenngleich Figgis seine 150 Minuten nicht immer vollkommen atmosphärisch auskleidet und ab und an den Faden in der Ruhe verliert, so ist Vertigo doch ein Liebes-Drama und ein Beziehungs-Thriller, der Hitchcock nicht im Grabe umdrehen lässt, sondern als Kniefall der ehrfürchtigsten und respektvollsten Art zu verstehen ist.


Abgerundet und komplettiert wird Vertigo dann noch von der wunderbaren Kameraarbeit von  Darius Khondji, ein Meister der weiten Einstellungen, der das Geschehen nicht nur in unaufgeregte Fotografien packt, sondern auch ein hervorragendes Spiel aus Licht und Schatten heraufbeschwört, vor allem in Verbindung mit Alexandre Desplats einfühlsamen und umklammernden Score, der jede Emotion und jede Szene unvergesslich macht. Vertigo ist nicht nur ein überaus gelungenes Remake, sondern auch ein großartiger Film, der nicht umsonst als heißer Oscarkandidat in vielen Kategorien gehandelt wird.

8 von 10

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen