USA, GB, 2017. Regie: Denis
Villeneuve. Buch: Hampton Fencher, Michael Green. Mit: Ryan Gosling, Harrison
Ford, Sylvia Hoeks, Robin Wright, Jared Leto, Ana de Armas, Mackenzie Davis,
Dave Bautista, Sean Young, Edward James Olmos u.a. Länge: 164 Minuten. FSK:
Freigegeben ab 12 Jahren. Im Kino.
Story:
Im Jahr 2049 sind Replikanten
wieder vereinzelt im Arbeitseinsatz, abtrünnige Modelle werden nach wie vor von
Blade Runnern gejagt und in den Ruhestand geschickt. Einer dieser Blade Runner
ist „K“, selbst ein Replikant. Bei einem seiner Einsätze macht er eine höchst
brisante Entdeckung: Die beerdigten Überreste eine Replikantin, die offenbar
ein Kind zur Welt gebracht hat! „K“ erhält den Auftrag, der Spur nachzugehen
und zu verhindern, dass irgendetwas darüber an die Öffentlichkeit gerät. Soll
heißen: Das Kind aufspüren…und in den sehr frühen „Ruhestand“ schicken.
Meinung:
Einer der mit Sicherheit am
heißesten erwarteten und gleichzeitig im Vorfeld mit einer Menge Skepsis begegneten
Filme der letzten Jahre: Blade Runner 2049, Das ewig angekündigte, immer wieder
verschobene und nun doch endlich realisierte Sequel zu Ridley Scott’s zum
Kultfilm avancierten Meisterwerk Blade Runner von 1982. Scott selbst übernimmt
nicht mehr die Regie, beschränkt sich auf die Rolle des Produzenten (eine weise
Entscheidung) und räumt den Stuhl für Denis Villeneuve, der sich mit Filmen wie
Prisoners, Sicario und Arrival in den letzten Jahren sowohl beim breiten
Publikum wie den meisten Kritikern einen klangvollen Namen machen konnte. Nun
wird ihm also diese Ehre wie Bürde zuteil, sich an die Fortsetzung eines Films
zu machen, die zwar viele irgendwo immer wollten, genau genommen aber niemand
jemals gebraucht hat und an der man so gesehen nur scheitern könnte. Gerade mit
der bisher starken Reputation eines Villeneuve geht er ein hohes Risiko ein: Gnadenlos
durchzufallen, selbst bei einem für sich betrachtet ganz ordentlichen Film, ist
hier ein Leichtes. Viel zu viel kann, darf und muss man auch von so einem
tollkühnen Projekt erwarten. Dem gerecht zu werden ist beinah unmöglich und
somit die Fallhöhe gigantisch, besonders wenn man – wie im Falle von Villeneuve
– ja nicht mehr auf sich aufmerksam machen braucht. Er konnte fast nur verlieren
und belehrt alle doch zum Glück eines Besseren.
Alte Gegend...
Suggerierten die Trailer bis vor
Kinostart noch, dass dieser Blade Runner sich den Gepflogenheiten aktuellen
Blockbusterkinos mehr anpassen würde, gibt es Grund zur Entwarnung: Nein, Blade
Runner 2049 ist kein Actionfilm geworden, kommt nicht mal in die Nähe des
Genres. Die wenigen Actioneinlagen aus über 160 Minuten wurden nur im Trailer
als Eye-Catcher verwendet und haben womöglich einige Zuschauer in die Kinos
gelockt, die (wahrscheinlich ohne Vorkenntnis der Originals) sich ein wenig
verschaukelt vorkommen werden. Man muss den Verantwortlichen in diesem Punkt
schon ganz klar Absicht und wirtschaftliches Kalkül unterstellen, ein
enttäuschtes Feedback seitens dieses Publikums ist somit verständlich und wurde
wissentlich in Kauf genommen. Ob das so sinnvoll war, sei mal dahin gestellt.
Im Umkehrschluss heißt das natürlich für alle anderen: Aufatmen, fallen lassen
und genießen, denn Hampton Fencher hält an den Stärken seines Skripts von damals fest. Dennoch nicht so dogmatisch, dass hier reiner Fan-Service betrieben wird.
Es ist kein verstecktes Remake, nicht der eigene Replikant. Blade Runner 2049
ist ein echtes Sequel, das nicht ausschließlich und verbissen in der
Vergangenheit schwelgt, sondern bereit ist sich logisch und vor allem sinnvoll weiter
zu entwickeln. Was aufgrund des riesigen Rucksacks wahnsinnig viel Mut und
Talent erfordert, aber davon ist reichlich vorhanden.
...alte Bekannte...
Villeneuve und Fancher bleiben der Sci-Fi-Noir-Stimmung
des Vorgängers treu, drosseln das Tempo gegen den Trend des Ungeduld- und
Zappelphilipp-Kinos gehörig und verlassen sich lieber auf eine behutsam
aufgebaute Geschichte, verpackt in eine alles für sich vereinnahmende Atmosphäre,
die tatsächlich der des ersten Blade Runner gleichkommt. Ohne sie direkt zu
kopieren, wie alles an diesem Film sich ein gesundes und notwendiges Maß an
Eigenständigkeit bewahrt und doch immer mal wieder das Original im angebrachten
Rahmen zitiert. Die Handlungen bauen aufeinander auf, Überschneidungen sind
wichtig und richtig, dennoch ließe sich der Film sogar ohne Vorkenntnisse mühelos
konsumieren (von Vorteil sind sie natürlich trotzdem). Blade Runner 2049 ist autonomer
als gedacht, stößt Fans dabei keinesfalls vor den Kopf. Er nimmt sie viel
deutlicher ernst, indem er ihnen nicht einfach nur das Gleiche in so ähnlich
noch mal gibt. Dadurch ist dieser Film auch nicht mehr so subtil, so
doppelbödig. Schiebt keinen Krimiplot mehr vor um zwischen den Zeilen eine
Diskussion über das Menschsein loszustoßen, ist sehr konkret in seinem Inhalt,
aber alles andere wäre doch auch zwecklos. Warum nochmal unter vorgehaltener
Hand in Gleichnissen sprechen, wenn kaum ein Film so sehr analysiert und
seziert wurde wie Blade Runner über die Jahre? Wir wissen es doch alle, also
gleich Klartext. Das ist reif, das zeugt von Größe und Verständnis. Genau
richtig so.
...aber trotzdem eine Reise ins Ungewisse.
Dekodiert vorzugehen heißt nicht
automatisch weniger komplex zu sein. Auch Blade Runner 2049 stellt nach wie vor
die bekannten Fragen, ohne so vermessen zu sein darauf die eindeutigen
Antworten abliefern zu wollen. Hievt die Diskussion gar noch eine Ebene höher:
Wenn „etwas“ geboren wurde, beginnt nicht spätestens dann die menschliche
Existenz, auch im spirituellen Sinne? Oder ist diese „Grenze“ nicht schon
längst überschritten worden? Auch schon vor 30 Jahren? Ich habe ein
Bewusstsein, also bin ich doch…oder? Das alte Thema, neu angepackt, frisch
aufgemotzt und da ist dieser Film ein Musterbeispiel, wie die Mittel des
modernen Kinos verwendet werden sollten, ohne sich auf ihnen nur auszuruhen. Von
seinen Bildern, seiner Soundkulisse, seinen Effekten und seinen Setpieces ist
Blade Runner 2049 atemberaubend. Macht das, was vor 35 Jahren eben noch nicht
möglich war, was heute nur legitim und vernünftig ist. Wenn man denn, ganz
nebenbei, auch noch seine Geschichte wertschätzt, sollte man überhaupt eine
besitzen. Das lässt sich vielen Blockbustern kaum unterstellen. Dieser hier
schlägt die Brücke zwischen Staunen und Erzählen als wäre es so
selbstverständlich, wie es leider selten der Fall ist.
Um es abzuschließen, denn ob Blade
Runner 2049 gelungen ist oder nicht dürfte ja bereits eindeutig und mit ganz
viel Euphorie beantwortet sein: Ist er denn tatsächlich sogar ebenbürtig zu
seinem überlebensgroßen Vorbild? Ja, ist er! Eben weil er anders ist. Anders
genug, um nicht im Direktvergleich zwangsläufig zu verlieren. Und weil er
trotzdem noch so nah dran ist, dass sie noch wirken wie aus einer Welt. Halt 30
Jahre später. Das so hinzubekommen, Hut ab, Chapeau und alles, was es sonst so
gibt. Denis Villeneuve hat seinen besten Film bisher abgeliefert und jetzt nur
ein richtiges Problem: Sein nächster Film muss (erstmals seit Prisoners) einfach
schwächer werden. Sonst wird es ehrlich gesagt echt unheimlich.
USA.
2016. Regie und Buch: Damien Chazzelle. Mit: Ryan Gosling, Emma
Stone, Rosemarie DeWitt, J.K. Simmons, Callie Hernandez, Amiée Conn,
Terry Walters, Thom Shelton, Cinda Adams, Jessica Rothe, Sonoya
Mizuno, Claudine Claudio, Jason Fuchs, D.A. Wallach, Trevor Lissauer,
Olivia Hamilton uvm. Länge: 126 Minuten. FSK: freigegeben ohne Altersbeschränkung. Ab 12. Januar 2017
im Kino.
Story:
Im
Fokus der Handlung von La La Land stehen zwei hoffnungslose Träumer:
Mia (Emma Stone) und Sebastian (Ryan Gosling). Sie versucht sich als
Schauspielerin in Los Angeles einen Namen zu machen, leidet aber
stark unter ihrer großen Einsamkeit. Der charismatische Jazz-Pianist
arbeitet ebenfalls an seiner Karriere. In dem jeweils anderen
erkennen beide eine Person, die genau wie sie selbst den Wunsch hat,
nur das zu praktizieren, wofür ihr Herz schlägt. So schnell wie die
beiden sich auch in einander verlieben, ist die Beziehung in der
harten, vom Konkurrenzkampf geprägten Atmosphäre der Stadt jedoch
von Anfang an keine leichte. Immer mehr Probleme ergeben sich, als
der Erfolg sowohl von Mia als auch von Sebastian ein Level erreicht,
das ihre Liebesaffäre immer mehr in Mitleidenschaft zieht. Auf
einmal droht das zunächst verbindende Element ihrer Träume, sie
auseinander zu treiben.
Kritik:
Nach
nicht mal drei Spielfilmen bekräftigt Damien Chazelle vollends
seinen Status als jenes neue Wunderkind unter den Filmemachern, das
seine Kunst als Zwang versteht. Klar, bei „Whiplash“, dem
Durchbruch seinerseits, waren Publikum wie Kritiker mehr oder weniger
aus dem Häuschen, von der Energie und Leidenschaft des Jazz
gefangen, der sich in dem Fall blutig schlug, um im eigenen Anspruch
des Meister-Status ankommen zu können. Meiner einer war zu jener
Zeit ebenso überzeugt - weit weg von einer potenziell regressiven
Ideologie des Jung-Auteurs -, ein Gleichnis zur künstlerischen
Ambition sowie dem beständigen Ehrgeiz derer erhalten zu haben. Mit
„La La Land“ jedoch kristallisiert sich allmählich heraus, wie
Chazelle jene Impulse vom Menschsein trennt, letzterem noch ein Stück
weg ambivalent hinterher trauert, seine Charaktere schließlich aber
in der Abkopplung sogar aufgehen lässt. Realität und Fantasie
gehören in seiner Vision von Los Angeles ohnehin getrennt,
unvermeidlich aufeinander aufgebaut und doch ein Kreislauf der
Enttäuschungen, wenn beliebte Anlaufstellen des Showbiz hier erneut
aufgewärmt werden, konstruiert platt auf die Vergänglichkeit der
Ideale hinweisen, gerne auch mit diesen kokettieren, sich aber im
Karriere-Kickstart genauso oberflächlich auf den real struggle der
Traumerfüllung berufen - „Swingers“ lässt grüßen. Dabei fängt
sich das Prozedere anfangs noch eine Huldigung zum Eskapismus ein,
die einen dramaturgisch sinnvollen Weg der Hürdenläufe Richtung
Erfolg mit Versüßungen abschließen sollte, echte Katharsis aus der
Wunscherfüllung schöpfen könnte, ebenso Liebe, Einigkeit,
Bekenntnis zum Gefühl, Herzschmerz und Spaß fürs gerne mehr als
traumhafte Vermengen aus Mensch und Umwelt – halt wie in einem
echten Musical. Stattdessen durchzieht den Film eine Bitterkeit, die
sich vor allem am (wohlgemerkt an erster Stelle eingeführten)
Protagonisten Sebastian (Ryan Gosling) abzeichnet, der nach einem
Intro ausgelassener Tanz-, Gesangs- und Steadicam-One-Shot-Freuden
auf dem Freeway die Hupe durchdrückt, um auf der Straße wie im
Leben endlich voranzukommen.
Als
linke Variante eines Abgehängten erreicht er den grünen Zweig aber
auch insofern schon nicht, da er sich als angehender Top-Pianist bei
der Berufsakquise ausschließlich mit „purem Jazz“ brüsten will,
während die Welt hier schon längst in einer vagen Mash-Up-Phase
hängt, vom Fortschritt her ausgerechnet gründlichst kacke klingt
und so auch von Sebastian hämisch begutachtet wird, wenn er auch
schon post-ironisch in eigener Soße schmollt. An einem kulturellen
Schmelztiegel wie L.A. scheint der Film doch ein Stück weit zu
verzweifeln, aiaiai. Mia (Emma Stone) geht es da nicht anders mit dem
Blick hoch zur Schauspielkunst, die dafür in mickrigen Castings
unterkommt und binnen des Café-Latte-Nebenjobs unzufriedene Kunden
bedienen muss. Allerdings liegt letztere Tätigkeit mitten im
Warner-Bros.-Backlot, eben umringt von beschaulichen Kulissen binnen
der Fassade vergangener Tage, weshalb der Film auch nicht umhin
kommt, dem Retro-Charme aufzulauern, sprich den enthusiastischen
Ausdruck via Technicolor, Cinemascope, 35mm sowie fulminanter
Orchestration des Justin-Hurwitz-Scores zu emulieren, als wären
Jacques Demy und Fred Astaire wieder in the house. Nostalgie, ach ja
– inzwischen vielleicht ein inflationäres Marketing-Tool, für
Chazelle trotz allem Pessimismus noch die profunde Schönheit
schlechthin, die einen Blick zurück motiviert, in der Kombi mit der
Gegenwart so recht natürlich im Herzen ankommen kann und zuckersüß
für ein transzendentales Verständnis der Belange eben dessen
einstehen will. Folglich lässt es dann auch noch der klassischen
Romanze wegen Sebastian und Mia aufeinander treffen, obwohl beiden
der existenzielle Schmerz von der Decke hängt. Weil Chazelle seine
Figuren dabei aber eher als Funktionsträger versteht und eine
Unvereinbarkeit voraussieht, was Erfolg und Glückseligkeit angehen,
schleichen sich dort schon frühe Anzeichen hinein, wo sich jeder
Zauber nur kurzzeitig ins Larger-than-Life-Format hineinsteigern
kann, ehe der Pathos zum Reality Check (siehe allein Sebastians Thema
„City of Stars“) das Miteinander erheblich verkompliziert.
Beim
ersten gemeinsamen Stepptanz z.B. fällt schon auf, wie sehr sich der
Regisseur und seine Darsteller regelrecht abmühen, dem Old Hollywood
zu entsprechen; keine Leichtigkeit evozieren, weil sie den
Charakteren schon nicht vergönnt ist, die den magischen Realismus
eben auch nur als Vorwand ihrer verzweifelten Hoffnung wegen
einsetzen. Natürlich sieht das trotzdem ansprechend kadriert und
farbenfroh aus, wie die von Haus aus charmante Paarung von Gosling
und Stone ohnehin schon schwärmerische Erwartungen ins Narrativ
implantiert sowie teilweise erfüllt: Händchenhalten im Kinosaal,
ein herrlicher Tanz über den Wolken, Wertschätzung des Jazz als
universelle Sprache, gegenseitiges Unterstützen im pursuit of
happiness (für sie: ein eigenes Theaterstück; für ihn: eine eigene
Bar). Je näher man aber an die jeweiligen Ziele herankommt, desto
unausweichlicher findet die Distanz vom spielerischen Liebäugeln à
la Demy statt, das im Grunde nun eher der Prämisse sowie den
Konflikten von Billy Crystals semi-spießigen „Forget Paris“
folge leistet. Dort hieß es dann auch: Zusammen glücklich in
unterschiedlichen Karrierezweigen, mit dem Mann auf Tour und der Frau
auf dem Weg in die Midlife Crisis – kann das funktionieren oder ist
es zum Scheitern verurteilt? Für eine Weile glaubt man, dass
Chazelle jenem Versagen Paroli bieten will und das Unbehagen im
Weiterkommen Sebastians stilisiert, welcher für die Band „The
Messengers“ via John Legend die gefühlt übelste Neuerfindung des
Jazz anspielen muss. Das untermauert wiederum aufs Äußerste seine
wie Chazelles Hinwendung zur puren Kunst, dass selbst Mia entsetzt
die Lauscher aufstellt. Selbst sobald sich die Wege unseres Paares im
Streit trennen, hilft er ihr trotzdem noch aus, mit ihrem Talent in
der A-Liga der Schauspielerei anzukommen, wofür auch eines der
schönsten Stücke im Sturm und Drang für die Künstler, Revoluzzer
und Träumer dieser Welt von Frau Stone vorgetragen wird. Genauso
selbstverständlich und abgeklärt, beinahe entmenschlicht und
eigentlich auch ohne stimmige Motivation, einigt man sich sodann aber
darauf, dass jeder fortan für sich selbst ohne den Anderen sorgen
wird.
Jahre
später steckt der Wehmut zwar noch in den Knochen und verliert sich
zum Abschied nochmals vollends in die grandiosen Fantasien, die uns
Kino bietet und erfüllen kann - allerdings endet Chazelle dann doch
auf einer Note, die unbefriedigend in die Realität entlassen will,
um die Grenzen zwischen Illusion und Desillusionierung klar zu
stellen. Hauptsache, die Karriere stimmt, ganz gleich, wie
erbarmungslos der Verzicht aufs Glück eben jenes schon im Kopfkino
zerreißt. Insgesamt verhält es sich mit diesem Film, wie es einem
schon (um entsprechend bei klassischen Beispielen des frühen
Hollywood zu bleiben) mit der Ayn-Rand-Verfilmung „Ein Mann wie
Sprengstoff“ ging: Die Inszenierung unternimmt durchweg großartige
Gefühlsveräußerungen in Optik, Spiel, Musik und schierer Dynamik,
die innewohnende Ideologie - mit ihrem unbedingten Ehrgeiz von der
Bindung wahrer Liebe weg - bleibt jedoch so unnahbar wie sie schon
durch kalkulierte Charakterfolien befremdlich wirkt. Bei Rand war
immerhin von Fortschritt und neuen Kunstformen die Rede, hier wird’s
hingegen so hardcore ewiggestrig, dass Sebastians Urteil über Mia,
sie sei ein Baby, genauso gut auf ihn zurückfällt; überhaupt auf
eine Generation an Millennials, die teils überheblich hip auf Retro
schwört und sich dennoch über den regressiven Trump aufregt.
Gehören wir nicht alle irgendwie dazu? Chazelle lässt seinen (ganz
gleich, ob so gewollten) Film als Repräsentation des Zeitgeists ganz
interessant aufschlagen, wie widersprüchlich sich der Bezug zu
seinen Idealen und dem Verständnis über die heiß geliebte Leinwand
hinaus ergibt. Das Paradoxe und Irrationale im alltäglichen Umgang
werden schließlich ohnehin mehr und mehr zum Mainstream, positiv bis
negativ das Phänomen einer Ära an Ungewissheiten oder gefühlten
Wahrheiten links wie rechts, die sich selbst in der Traumfabrik
Hollywood nicht mehr einzuleben verstehen scheint, so sehnlichst der
Wunsch danach auch nach draußen dringt.
Problematisch ist bei
Chazelle dann allerdings das ultimative Einverständnis zur
Entsagung, das sich mit den Verhältnissen zufriedengibt, obwohl das
Herz blutet, als lebe man noch in Melodramen der vierziger Jahre.
Nostalgie ist je nach Kontext eben auch nicht einwandfrei, erst recht
bittersüß, wenn sich ein Chazelle am Zwang dazu verausgabt.
Ironischerweise bleibt es allerdings spannend, was danach, jenseits
wie mitten im „La La Land“, noch als Filmemacher aus ihm wird.
Fakten: The Big Short
USA. 2015. Regie: Adam McKay. Buch: Charles Rudolph, Adam McKay, Michael Lewis
(Vorlage). Mit: Steve Carell, Ryan Gosling, Christian Bale, Brad Pitt, Melissa
Leo, Hamish Linklater, Finn Wittrock, Rafe Spall, Jeremy Strong, Byron Mann,
Marisa Tomei, Max Greenfield, Tracy Letts, Karen Gillian, Selena Gomez, Anthony
Bourdain, Margot Robbie, John Magaro u.a. Länge: 130 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Ab 14. Januar
2016 im Kino.
Story: Als alle den Untergang nicht kommen zu sehen scheinen bzw. es
verdrängen, setzt eine Gruppe von Unerschrockenen 2008 gegen den allgemeinen
Trend und auf das Platzen der Immobilienblase. Als dieses dann eintritt und die
Weltwirtschaft an den Rand des Abgrundes katapultiert, können sie sich über Millionengewinne
freuen.
Meinung: Ist
es bewundernswert oder eher furchteinflößend wie scheinbar lapidar immer wieder
über die Wirtschaftskrise von 2008 berichtet wird? Vermutlich etwas von beidem.
Dennoch hat das Platzen der US-Immobilienblase nicht nur für einen lauten
Knall, sondern auch für sozialen Schrecken und Rezession gesorgt, die man Jahre
später immer noch zu spüren bekommt. Allerdings ist dieses negative Ereignis
verblasst. Die Schuld der Banken, die Maschinerie der Gier und die Blindheit
vor der Wahrheit wurden vergessen, überspielt und verdrängt. Ein wunderbarer
Nährboden also fürs Kino, welches nach Oliver Stones Klassiker „Wall Street“
aus dem Jahre 1987 die Welt der Börse und Spekulationen wieder für sich
entdeckte. Doch dabei blieben die Geschädigten der Rezession, die Mittelschicht
die quasi über Nacht alles verlor, im cineastischen Schatten verborgen. In
Hollywood-Produktionen traute sich lediglich Jason Reitman in seiner
gesellschaftskritischen Tragikomödie “Up in the Air“ die wahren Opfer der Krise
zu Wort kommen zu lassen. Doch auch in diesem Werk konzentrierte sich die
Geschichte letztlich um die Menschen, die von der Krise profitieren oder diese
mitverschuldet haben. Nobelkrawatte vor Blaumann, so lautet die profane Devise.
Gewissen gegen Kapital
Auch in „The Big Short“ stehen Banker im Fokus. Basierend auf dem gleichnamigen
Sachbuch von Autor Michael Lewis, erzählt und erklärt uns Regisseur Adam McKay
(„Die etwas anderen Cops“) wie es zum großen Crash von 2008 kam und wie es
einige Banker schafften aus dieser Krise noch Kapital zu schlagen. Alleine die
Tatsache, dass ein paar Geschäftsleute die größte Wirtschaftskrise der letzten
Jahre auszunutzen wussten, um sich abschließend Schecks in Höhe von bis zu 47
Millionen US-Dollar in die Tasche stecken zu können, hat etwas sehr zynisches.
Nun kann man gewiss darüber streiten ob Zynismus gegen Zynismus hilft, aber
genau nach diesem Prinzip ist „The Big Short“ aufgebaut. McKay verwebt bissige
Kommentare in die Handlung, die zum einen das System der Banken offenbart,
gleichzeitig aber auch die Gier ans Licht zerrt. Dazu fügt er noch eine gute
Dosis Popkultur hinzu, etwa wenn es darum geht Sachverhalte und/oder Abläufe so
zu erklären, dass es nicht nur Finanzexperten verstehen. Eine Maßnahme, die
„The Big Short“ dreimal anwendet und damit eine weise Entscheidung getroffen
hat. Denn zum einen lockern die Gastauftritte der Prominent die Handlung auf,
zum anderen gelingt es dem Film dadurch wirklich eine Form der
Verständlichkeit. Bei all den Abhandlungen rund um wirtschaftliche Krisen, die
es im Kino zu sehen gab, gehört „The Big Short“ zweifelsohne zu denen, die sich
nicht dafür zu schaden sind, ihrem Publikum in satirisch aufgeladener
Erklärbar-Form begreifbar zu machen, was eigentlich genau schief lief.
Der Untergang reißt jeden mit
Eine feine Sache, die McKay dazu nicht inflationär einsetzt, sondern sie
punktgenau verwendet. Doch eine Verständlichkeit für den Prozess und der Krise
zu generieren, ist nicht die einzige Zielmarkierung, die „The Big Short“
anstrebt. Ebenfalls ein Vorsatz des Films ist das Porträtieren der Banker, die
den Crash kommen sahen und daraus Profit schlagen konnten und weil der A-Sager
auch immer B sagt, beinhaltet „The Big Short“ dementsprechend auch einen scharfen
Blick auf das (berufliche) Umfeld. Dabei pendeln die Darstellungen der Banker
drastisch. Während Ryan Gosling als Greg Lippman, der dazu als Erzähler
fungiert, als Vorzeige-Yuppie herhalten muss, darf Steve Carrel als Steve
Eisman versuchen so etwas wie ein intaktes Gewissen gegen den Rest der Wall
Street zu profilieren. Komplett aus dem Rahmen fällt dagegen Christian Bale als
Dr. Michael Burry, ein einäugiger Finanzexperte der unter Asperger leidet und
im Strandoutfit in seinem Büro sitzt und seine Kollegen mit Death Metal
beschallt. Diese Figuren zeigen bereits, dass McKay die gierigen Fratzen der
Kapitalwelt nicht nur als Zielobjekt hat, sondern auch als Vorbild für die
Stimmung, die „The Big Short“ verbreiten soll, nutzt. Alles ist immer etwas zu
hektisch, die Kamera und der Schnitt benehmen sich teilweise wie in einem
Kriegsfilm (wie passend dass sich der „The Hurt Locker“-Kameramann Barry Aykroyd
für die Bilder verantwortlich zeichnet) und die Arroganz und Gier suppt durch
die Hautporen jedes gezeigten Bankers. Dabei kleidet „The Big Short“ die Gier
in viele Facetten. Oftmals erweist sich auch der Wunsch nach Erfolg als Synonym
für dollarbeflügelten Appetit.
Am Ende kann es einem als Zuschauer durchaus passieren, dass man sich mit ein
paar Jung-Unternehmern freut, obwohl deren größter Tag und Erfolg ihres jungen
Lebens doch gleichzeitig auch den wirtschaftlichen Untergang bedeutet. Eine
Zwickmühle, die Adam McKay leider nicht immer wirklich konsequent und kraftvoll
genug ausspielt, sie aber definitiv besser einzusetzen weiß (vor alle im
satirischen Bereich) als Martin Scorsese mit seinem „The Wolf of Wall Street“.
Am Ende bleibt also ein zwielichtiger wie allerdings auch zufriedenstellender
Eindruck zurück. Ganz wunderbar gelingt es „The Big Short“ aber eine Botschaft
zu hinterlassen, die so gut verständlich wie auch wahrhaftig und unumstößlich
wirkt, auch weil sie sich so nahtlos in unsere heutige Zeit einfügt: Sorry,
we’re fucked! Pessimismus der Spaß macht.
Fakten: Lost River
2015. USA. Regie und Buch: Ryan Gosling. Mit: Christina Hendricks, Eva Mendes, Saoirse Ronan, Ben
Mendelsohn, Iain De Caestecker, Matt Smith, Reda Kateb, Barbara Steele, Ben Mendelsohn u.a. Länge: 105 Minuten.
FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Ab 8. Oktober 2015 auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story: Billy und ihr Sohn Bones müssen sich in fremde Welten wagen, als ihnen der
Bankrott droht. Sie bekommt einen Job in einem Nachtlokal, das vorsichtig
ausgedrückt „andersartig“ ist und er versucht den Fluch zu brechen, der über
der Familie und ihrem Wohnort zu Lasten scheint.
Meinung: „A Ryan Gosling Film“
steht in großen Buchstaben auf der Leinwand. Dahinter zu sehen: ein loderndes
Feuer. Das mag sicherlich nicht die bescheidenste Variante sein, um sein
Regie-Debüt anzukündigen, aber auch nicht die schlechteste. Zumal macht es
gleich zu Beginn deutlich, dass Gosling es ernst meint, dass er sich nicht nur
die Zeit vertreiben will und vor allem ist sofort erkennbar, von wem Gosling
seine Kenntnisse, seinen Stil und seine Vorlieben hat. Die harten Kontraste,
das rote Licht, das von den Bildern eingesogen wird. Dann mal wieder das blaue
Licht. Eine düstere Welt, die zwar kaputt und armselig, aber nicht ohne Werte
zu existieren scheint. Sogar die Musik kommt einem bekannt vor. All das schreit
förmlich nach Nicolas Winding Refn (der auch an zweiter Stelle der „Special
Thanks“-Kategorie im Abspann steht). Thematisch geht Goslings Geschichte jedoch
vornehmlich andere Wege.
Andere Wege, größere Wege, die leichter zu finden, leichter zu befahren sind
und leichter zum Ziel bringen. Und so nutzt er die ersten paar Sekunden, um
Kulisse nach Kulisse zu zeigen. Eben die einfachste Form, um dem Zuschauer das
Setting zu verdeutlichen. Amerika. Detroit. Ruinen. Kapitalismus im Endstadium.
Der amerikanische Traum ist zum Synonym für das Wunschdenken geworden. Und auch
wenn die Figuren es nicht wahrhaben wollen, haben sie es wohl schon lange
akzeptiert. Sie leben in einem Ort, an dem niemand mehr interessiert ist.
Propaganda-Videos über die Vergangenheit der Gegend versuchen aus einer
Geschichte der rücksichtslosen Zerstörung, eine der Neufindung zu machen. Aber
letztendlich ist auch daran niemand interessiert. Ein Ort, in der die einzige
machtvolle Instanz ein Jugendlicher namens Bully ist, der selbst seine Freunde
misshandelt und entstellt, bis sie aussehen, als würden sie direkt aus einem
Albtraum kommen. Und das ist gar nicht mal so weit gefehlt. In den Werken von
Refn kommen die surrealen Elemente in den Wesen der Figuren zum Vorschein. Hier
sind sie ein fester Bestandteil der Handlung.
Während Bully „seine“ Stadt terrorisiert, versucht Billy Geld zu verdienen,
damit sie ihr Haus weiterhin abbezahlen kann. Ihr Haus ist eines der letzten,
das in diesem Ort noch bewohnt ist. In der Nachbarschaft wird eines nach dem
anderen von Baggern dem Erdboden gleichgemacht. Auch Billys Haus wird als
mangelhaft eingestuft und bekommt damit die Verurteilung zum Tode. Letztendlich
ein Gnadenstoß. Ein Haus, das nichts mehr wert ist. Aber doch, das Haus hätte
einen sentimentalen Wert, kontert Billy dann. Eine Aussage, über die in diesem
Amerika nicht einmal mehr müde gelächelt wird. Sentimentaler Wert existiert
nicht mehr. Nicht in diesem Ort, nicht in dieser Bevölkerungsschicht. Darauf
hat Billy ganz einfach kein Recht. Sentimentalität ist genau so fehl am Platz
wie Stolz, Hoffnung und Selbstrespekt. Das Licht am Ende des Tunnels ist nicht
die Erlösung, sondern das Höllenfeuer. Feuer ist auch nahezu omnipräsent im
Film. Wie eingangs erwähnt, findet es seinen Platz im Vorspann und sogar im
Abspann ist es zu sehen. Flammen und Funken, die die Nacht erleuchten und die
Dunkelheit erhellen. Schlecht sieht das alles auch nicht aus. Manche Bilder
könnte man sich so an die Wand hängen, wenn man denn wollte.
Das Problem ist allerdings, dass Herr Gosling es nicht schafft, mit diesen
Bildern einen Rhythmus entstehen zu lassen, geschweige denn diese pulsierende
Gestalt, die die Filme von Nicolas Winding annehmen und damit wie ein weiteres
Wesen im Raum wirken. Nein, leider nicht. Dafür wird der Fluss des Films zu oft
durch kleinere Ungenauigkeiten unterbrochen. Kleinere Ungenauigkeiten, die sich
anstauen, zuweilen sogar größer werden und dann am Ende einen bitteren
Nachgeschmack hinterlassen. Der Film ist nicht mutig genug, um einen eigenen
Pfad zu finden. Zusätzlich verwirrend ist die Tatsache, dass Gosling sich bei
der Geschichte, die bestimmt irgendwo ein Stück weit autobiografisch zu
verstehen ist, überhaupt nicht die Geduld nimmt, um Tiefergehendes zu erzählen.
Der Film bleibt, anders als seine Charaktere, lediglich an der Oberfläche. Der
Zuschauer wird relativ schnell in diese Welt katapultiert und dann von Gosling
allein stehen gelassen. Und so beobachtet man dann halbergriffen das Treiben
und zuckt letztendlich mit den Achseln, wenn bis zum Ende eigentlich nichts
Bedeutendes passiert. Geplant, gelungen und vollendet wirkt das nicht.
Dass Ryan Gosling sich visuell und stilistisch an seinen Vorbildern bedient,
ist durchaus legitim und auch passend. Aber wenn er es so deutlich tut, dann
muss er sich auch Vergleiche gefallen lassen. Er zeigt, dass er die letzten
Jahre nicht in der Nase gebohrt, sondern beim Filmemachen ein wenig aufgepasst
hat. Dennoch vermag er es nicht, die relative inhaltsleere, bzw. Schlichtheit
der Geschichte durch seine überstilisierte Bilder zu verdecken. Eine emotionale
Bindung zu den Charakteren wird versucht mittels lauter Musik und Close-Ups
aufzubauen. Spannung und Dramatik werden eher mit Lärm geltend gemacht. Und
auch wenn die Geschichte einen Anfang, einen Mittelteil und einen Schluss hat,
bleibt am Ende eine gewisse Leere im Raum stehen. Ein Gefühl der
Unvollständigkeit und der Bedeutungslosigkeit macht sich breit. Gosling mag das
1x1 des modernen Filmemachens kennen. Aber auch wenn man sich wünscht, dass man
von ihm noch viel erhoffen darf, kommt man nicht über die schmerzende Wahrheit
hinweg, dass sein Debüt enttäuschend war.