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Review: THE KILLING (Staffel 3) - Emotionale Verkrüppelung muss halt einfach sein

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Fakten:
The Killing – Staffel 3
USA. 2013. Regie: Dan Attias, Kari Skogland, Ed Bianchi, Jonathan Demme u.a. Buch: Veena Sud, Dan Noak, Coleman Herbert, Brett Conrad u.a. Mit: Mireille Enos, Joel Kinnaman, Amy Seimetz, Elias Koteas, Peter Sarsgaard, Gregg Henry, Hugh Dillon, Max Fowler, Bey Taylor-Klaus, Aaron Douglas, Jewel Staite, Liam James, Grace Zabriskie u.a. Länge: 12 Episoden a ca. 42 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Ein Jahr nachdem der Rosie Larsen-Fall abgeschlossen wurde, ist Sarah Linden nicht mehr als Ermittlerin bei der Mordkommission tätig. Ihr Ex-Partner Detective Stephen Holder sucht derweil nach einem Mädchen, das von zu Hause ausgerissen ist. Seine Suche führt ihn zu einer Reihe von grausamen Morden, die mit einer früheren Ermittlung von Linden in Verbindung stehen könnten. Obwohl damals ein Täter gefasst und verurteilt wurde, scheint der wahre Mörder noch aktiv zu sein. Linden kehrt zurück, um zusammen mit Holder den Serienkiller zu fassen.





Meinung:
Das hat gedauert. Nachdem die ersten beiden Staffeln von „The Killing“, die sich rund um den Mordfall Rosie Larsen drehten vor längerem hirzulande erschienen, mussten Fans der Serie doch nun recht lange auf die Heimkino-Veröffentlichung der dritten Staffel warten. Nun hat das Warten aber endlich ein Ende und die Fans sowie neugierige Krimiliebhaber bekommen endlich das Ermittler-Duo Sarah Linden und Steven Holder zurück, natürlich erneut verkörpert von Mireille Enos („World War Z“) und Joel Kinnaman („Suicide Squad“).


Linden und Holder bekommen wieder einiges zu tun
Die beiden Cops müssen nach dem Ende des Larsen-Falles aber erst wieder zusammenfinden. Ist das geschehen fällt auf, dass die charakterliche Entwicklung von Linden und Holder leider Gottes in dieser Staffel ziemlich stagniert. Neue Facetten ihrer Persönlichkeit werden nicht gebildet. Alles bleibt beim Alten. Das Holder eine ernstzunehmende Beziehung hat und Linden nicht mehr bei ihrem Sohn ist, wir vereinzelt aufgegriffen verbleibt meist aber in einer dramaturgischen Starre hängen, was nicht schlecht ist, dieser Staffel aber einiges an emotionaler Spannung wegnimmt. Darüber hinaus fehlt diesem Fall die Wechselwirkung zwischen der Ermittlungsarbeit und der Trauerbewältigung der Opferfamilien. Das war in den ersten beiden Staffeln klar die größte Stärke. Staffel 3 bietet zwar mit Danette Leeds (Amy Seimetz, „The Sacrament“) eine Figur, die sich nach und nach damit auseinandersetzen muss, dass sie zum einen als Mutter versagt hat und zum anderen, dass ihre Tochter wohl ermordet wurde, die Aufmerksamkeit und die Intensität die es aber noch bei Familie Larsen gab, wird aber nie erreicht. So bietet diese Season zwar wirklich gute Krimiunterhaltung - die mit der serienbekannten Tristesse und guten Darstellern aufwarten kann -, die Klasse der Vorgängerstaffeln aber nie erreicht. Das wäre vielleicht auch etwas zu viel verlangt. Fans von Linden und Holder werden hier so oder so bestens bedient und das soll bedeuten, dass beide Figuren wieder ordentlich emotional durch den Dreck gepeitscht werden. Emotionale Verkrüppelung muss bei „The Killing“ halt einfach sein.


In Staffel 3 wirkt dies zwar hin und wieder etwas zu aufgesetzt, funktionieren tut es dennoch recht gut, nur fehlt – wie bereits erwähnt – eine echte Wechselwirkung zwischen Ermittler und Opfer. Dafür, soviel sei hier verraten, wird der Fall innerhalb der Staffel abgeschlossen und nicht auf unschöne Art und Weise in die Länge gezogen (so wie es bei den Vorgängerstaffeln der Fall war). Die Fortführung von „The Killing“ setzt auf alte Stärken, nutzt diese aber nicht konsequent genug aus. Das Ergebnis ist verglichen mit dem, was einst der Standard der Serie war eher ernüchternd. Losgelöst von den Erwartungshaltungen bietet Staffel 3 aber solides wie hochdramatisches Futter für alle Fans von psychisch angeknacksten Ermittlern und gut gemachten Krimis.


6 von 10 gebrochenen Ringfingern

Review: ORPHAN – DAS WAISENKIND – Ein kleines Mädchen zerstört Familien

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Fakten:
Orphan – Das Waisenkind (Orphan)
USA, Deutschland, Kanada, Frankreich. 2009. Regie: Jaume Collet-Serra. Buch: Alex Mace, David Leslie Johnson. Mit: Vera Farmiga, Peter Sarsgaard, Isabelle Fuhrman, CCH Pounder, Jimmy Bennett, Aryana Engineer, Margo Martindale u.a. Länge: 123 Minuten. FSK: Ab 16 Jahren freigegeben. Auf DVD und Blu-Ray erhältlich.


Story:
Das Ehepaar Coleman adoptiert ein junges Mädchen, nachdem ihr drittes Kind eine Totgeburt war. Der Name des Mädchens ist Esther (Isabelle Fuhrman), ein scheinbar liebenswertes Kind, außerordentlich intelligent für ihr Alter, vielleicht ein wenig altmodisch. Doch nicht nur die Kleidung ist anders, schon bald merkt Kate Coleman (Vera Farmiga), dass irgendetwas mit Esther nicht stimmt. Wo sie auftaucht, passieren schreckliche Dinge. Unfrieden, Streit, Verletzungen. Als sich diese Aura auch auf den Familiensegen überträgt, glaubt Kate, dass in Esther das wahre Böse steckt – doch niemand glaubt der einst alkoholkranken, depressiven Frau. Nicht einmal ihr Ehemann (Peter Sarsgaard). Esthers Plan scheint aufzugehen…






Meinung:
So geht Horror. Ein Ausnahmefilm in einem Genre, in dem sonst nur selten auf echte Plausibilität, Sinn und Realismus Wert gelegt wird. Meist werden irgendwelche völlig irrsinnigen Storylines zusammengeschustert und wenn den Machern dann nichts mehr einfällt, spätestens dann werden Satan, Monstern, ein großer Kanister Kunstblut oder sonstiger Nonsens mit in den Film gestopft, die dann als Erklärung für den Möchtegerngrusel herhalten müssen. Anders verhält es sich bei „Orphan – Das Waisenkind“. Endlich mal wieder ein Horrorfilm, der eine in sich schlüssige Geschichte enthält, der ohne übersinnliche Erscheinungen auskommt und der dennoch eine unheimliche Stimmung aufbaut. Teuflischer Schrecken mit einer „irdischen“ Erklärung, die das alles noch viel bedrohlicher erscheinen lässt.


Kate (Farmiga) und John (Sarsgaard) mit Adoptivtochter Esther
Ein kleines Mädchen, etwas altmodisch gekleidet, aber wohlerzogen und hochintelligent, wird von einer Familie – Papa, Mama und die beiden Kinder – adoptiert. Doch das Mädchen, das sich selbst als „anders“ bezeichnet, soll schon bald alles in ihrer Umgebung kalt lächelnd terrorisieren und nicht nur den Frieden in der Familie zerstören. Eine simple, aber unheimlich spannende Geschichte, die auch ansprechend und niemals billig aussieht und mit Peter Sarsgaard und Vera Farmiga mit zwei hervorragenden Darstellern aufwarten kann, die auch wissen, was sie tun und mehr können als nur wild umher zu kreischen. Sie geben dem Film Persönlichkeit, die sonst so oft fehlt. Gerade Farmiga weckt die Emotionen im Zuschauer, sie lässt uns mitfühlen und so einen Bezug zu ihr aufbauen, der uns die Entwicklung der Story noch intensiver miterleben lässt. Getoppt wird Farmigas Leistung nur noch von der jungen Isabelle Fuhrman, die es schafft, gleichzeitig das wahre Böse zu verkörpern und dennoch so süß zu sein, dass man ihr doch nicht ernsthaft böse sein kann. Ihre Darstellung umfasst so viele verschiedene Facetten, dass man eigentlich nur staunen kann, wie ihr diese glaubwürdige Vielfalt gelingen mag. Eine wahre Meisterleistung.


Doch Esther scheint kein unschuldiges Mädchen zu sein
Dazu kommt der der Verzicht auf übertriebene Effekte. Wo sonst oft die Gliedmaßen durch die Luft schwirren, das Blut nur so spritzt und auch sonst der Versuch gemacht wird, die Story durch Effekte zu kaschieren, da wird hier mit Bedacht vorgegangen. Klar, auch hier gibt es Blut und auch hier gibt es den ein oder anderen Jump-Scare, stets aber mit Bedacht eingesetzt, mit einem guten Gespür dafür, wann es nötig ist und wann nicht. Stattdessen wird viel mit der Atmosphäre gespielt. Die zunächst warm erscheinenden Farben werden immer kälter, ähnlich wie die vorherrschende Stimmung. Stattdessen wird der Paranoia-Regler immer weiter nach oben geschoben, die zunächst kaum merkliche Bedrohung wird immer realer und besonders die von Schuldgefühlen geplagte Mama Kate wird immer mehr in die Verzweiflung getrieben. Dass das alles auch noch richtig hochwertig aussieht und niemals billig, das dürfte nicht verwundern und ist dem Film dennoch sehr hoch anzurechnen. Die Musik von John Ottman, der sich nicht nur im Horrorfilmbereich hervorgetan hat, sondern auch bereits in „Die üblichen Verdächtigen“ oder zuletzt in „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“ für die musikalische Untermalung zuständig war, tut ihr Übriges, um die bald zum Zerreißen gespannte Stimmung noch weiter ins schier Unerträgliche zu steigern.


Optisch toll, spannend, unheimlich und tatsächlich logisch und ohne unnötigen Splatter oder Teuflisches ist „Orphan – Das Waisenkind“ eine wahre Überraschung in der großen Menge an Schwachsinnsproduktionen a la „The Innkeepers“ oder „Evil Dead“, in denen die „Bedrohung“ so sehr an den Haaren herbeigezogen ist, dass sie lediglich ein müdes Lächeln heraufbeschwören kann. „Orphan“ hingegen baut seinen Gruselfaktor langsam auf, achtet dabei auf plausible Erklärungen, nimmt Fahrt auf, steigert sich immer mehr, bis er schließlich in einem unaufhaltsamen und spannenden Finale explodiert. Ein seltener Ausreißer, der spannend ist und in seinen besten Momenten den Zuschauer atemlos, gespannt und tatsächlich zitternd zurücklässt.


8,5 von 10 Bilder an der Wand


Review: THE SALTON SEA – Identitätsverlust als Racheakt

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Fakten:
The Salton Sea
USA. 2002. Regie: D.J. Caruso. Buch: Tony Gayton. Mit: Val Kilmer, Vincent D’Onofrio, Adam Goldberg, Luiz Guzman, Doug Hutchinson, Glenn Plummer, Anthony LaPaglia, Peter Sarsgaard, Deborah Kara Unger, Meat Loaf, Chandras West, Shalom Harlow u.a. Länge: 100 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD erhältlich.


Story:
Jazzmusiker Danny muss mitansehen wie zwei Killer seine Frau ermorden. Getrieben von Schuld- und Rachegefühlen, gibt er sich ganz den Drogen hin und versackt in der Unterwelt von Los Angeles. Danny erkennt, dass er einen Ausweg aus dieser Hölle finden muss. Ein lukrativer Drogendeal, mit dem er das ganz große Geld machen kann, kommt da sehr gelegen. Doch so gerät Danny auch in Personenkreise, die sein Leben nicht gerade sicherer machen.





Meinung:
Über einem jeden Film, der sich dem altbewährten Rache-Motiv bekräftigt, kursiert eine alles entscheidende Frage: Wie weit ist man bereit zu gehen, um seine Rache zu vollstrecken? Entscheidend ist diese Frage deshalb, weil sie die Essenz dieses menschlichen Bedürfnisses bündelt und einem Filmprojekt immer geradewegs in das Gesicht blickt. Nun ist aber nicht immer direkt gesagt, dass ein Rache-Film seine Sujet durchaus reflektiert behandelt. Er könnte sich auch in reaktionäre Untiefen schleusen und die Vergeltung ganz alttestamentarisch verüben. Für einen Genre-Streich ein durchaus legitimer Weg und in (trotzdem) charmanten 1980er Jahre-Vehikeln Gang und Gäbe, nimmt sich das Werk allerdings ernst und möchte etwas mittels seiner visualisierten Gewalt vermitteln – Dessen Faszination man damit also auch erlegen ist -, dann blicken wir mal wieder in den abgründigen Rausch der ideologischen Verstrahlung. Von „96 Hours“ über „Ein Mann sieht rot“ bis „I Saw the Devil“: Inhaltlich lassen sich Filme dieser Art immer in konkrete Etappen ihrer Bedenklichkeit eingliedern.


Hin- und hergerissen: Danny
„The Salton Sea“ ist ebenfalls Rache-Thriller, wie er auch das Drama-Segment dieser Fasson wirkungsvoll zu bedienen weiß. Es ist die eingangs erwähnte Frage, die „The Salton Sea“ von Minute zu Minute deutlicher formuliert: Wie weit ist ein Mensch bereit zu gehen, um sein Verlangen nach Rache zu stillen? Doch geht der Film letzten Endes sogar noch einen Schritt weiter, in dem er indirekt und reflexiv das Wort an den Zuschauer höchstpersönlich richtet: Wie weit würdest DU gehen, um einen geliebten Menschen zu rächen? Wie steinig wäre der Pfad, wie steinig dürfte der Pfad sein, der an seinem Ende eine Katharsis bereithalten würde? Danny Parker, der Protagonisten von „The Salton Sea“, hat sogar den persönlichen Identitätsverlust in Kauf genommen und wurde zu einem anderen Menschen. Gespielt wird dieser Danny Parker von einem mit Tattoos übersäten Val Kilmer („Spartan“), der hier einen seiner letzten wirklich überzeugenden Auftritte vorzulegen hat, bevor er sich auf der Karriereleiter mit Siebenmeilenstiefel abwärts bewegte.


D'Onofrio hat den richtigen Riecher
Hier, in einer Doppelrolle quasi, schafft er es glaubhaft, seinen anfangs verlottert wirkenden Charakter weitreichend aus dem emotionalen Fundus seiner individuellen Tragik schöpfen zu lassen und ihn nicht nur vage zu konturieren, sondern durchaus präzise zu akzentuieren. Aber allgemein ist „The Salton Sea“ mit einem tollen Ensemble gesegnet: Da wäre Peter Sarsgaard („Lovelace“) als sein loyaler Junkie-Kumpel Jimmy Finn, der für Nebenrollen prädestinierte Luis Guzmán („Boogie Nights“) und nicht zuletzt Vincent D'Onofrio („Full Metal Jacket“), der als abstoßender Pooh, der Bär eine wahrlich erinnerungswürdige Performance ablegt. Aber nicht nur der Kamera wird geglänzt. D. J. Caruso, der mit „Disturbia“ ein unfassbar müdes „Das Fenster zum Hof“-Neuauflage abgeliefert hat und seinem Spionage-Thriller „Eagle Eye“ optisch vollkommen übersättigte, zeigt mit „The Salton Sea“ inszenatorisch seine wohl stärkste Leistung. Während das Drehbuch von Tony Gayton nämlich ein reinster Hybrid ist, oszillierend zwischen Charakter-Drama, Drogen- und Milieustudie (Ein Gespräch über das synthetische Halluzinogen Methamphetamin ist sein „Breaking Bad“ ja eh salonfähig) und Rache- und Korruptions-Thriller, setzt Caruso jeden Teilbereich adäquat in Szene.


Ob in ausgeglichenen Einstellungen, Farbfiltern oder mit die Realität (oder die Illusion dieser) entfremdenden Zeitraffern: „The Salton Sea“ ist auch ein Film, der sensorische Reize bedient, der seinen thematischen Fäden zwar nicht immer unter einen passenden Hut bringt, gerne auch mal abschweift (Heist-Szene), sich aber immer ambitioniert gibt und dem Zuschauer durchaus etwas liefern möchte, was ihn im besten Fall zum Nachdenken anregen könnte. In „The Salton Sea“ ist es der Punkt, an dem sich Danny Parker nach seinem wahren Ich fragt, aber keine Antwort weiß, der den Zuschauer beschäftigt. Nicht, weil wir uns genau mit dieser Frage auseinandersetzen wollen. Es ist viel interessanter zu wissen, wie das Leben des Danny Parker aussehen soll, wenn er seinen Plan in die Tat umgesetzt hat? Wenn er endlich ein Kapitel abschließen kann, für das er schon Jahre zuvor einmal alles aufgegeben hat. Wird es ein neues Kapitel geben?


6,5 von 10 Schalen Cornflakes mit Gehirn


von souli

Review: BLUE JASMINE – Cate Blanchett ist zum Niederknien

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Fakten:
Blue Jasmine
USA. 2013. Regie und Buch: Woody Allen. Mit: Cate Blanchett, Mit: Cate Blanchett, Alec Baldwin, Sally Hawkins, Bobby Cannavale, Andrew Dice Clay, Louis C.K., Peter Sarsgaard, Michael Stuhlbarg, Max Casella, Alden Ehrenreich, Tammy Blanchard, Joy Carlin u.a. Länge: 98 Minuten. FSK: freigegeben ab 6 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Jasmine Francis gehört einst zur High Society von New York. Doch nun muss sie nach San Francisco zu ihrer Schwester ziehen und lernen ein neues, eigenständiges Leben zu führen, ohne Luxus und Überfluss.





Meinung:
Woody Allen ist einer der letzten großen Autorenfilmer, die das gegenwärtige Kino noch zu bieten hat. Mit „Die Stadtneurotiker“ wurde der europäischste unter den amerikanischen Filmemacher 1978 über Nacht zur Ikone seiner Zunft und schrieb sich auf die Agenda, jedes Jahre einen neuen Film zu veröffentlichen – Was er auch bis heute einhalten sollte. Seit seinem Ausflug in das sommerliche Spanien mit „Vicky Cristina Barcelona“ aber kehrte der gebürtige New Yorker seinem Heimatland den Rücken zu und tobte des Weiteren unbeschwert und Hand in Hand mit der nostalgischen Verklärung jener Metropolen durch die kulissenhaften Settings von Rom und Paris. Natürlich wussten auch diese Werke in summa zu überzeugen, doch der scharfsinnige Intellekt des Meisters der pointierten Dialoge blieb unausgeschöpft und die Sehnsucht nach geschliffener Präzisionsarbeit – auch aus psychologischer Sicht – wuchs wie der Missmut seiner zahlreichen Fans stetig. „Blue Jasmine“ aber gelobte Besserung, denn mit den Europareisen war Allen es leid und der Weg zurück in die Staaten, auch in sein geliebtes New York, erschien wie eine Befreiung von den abgedroschenen Postkartenmotiven.

 
Jasmine und ihre Schwester Ginger
Mit „Blue Jasmine“ erfindet Allen weder das Kino, noch seinen eigenen motivischen Stil neu. Das hat der Mann längst nicht mehr nötig, denn auch wenn sich seine Filme in Vergangenheit in ihrer kontextualisierten Ausrichtung immer relativ nahe kamen, war es immer die gewiefte Umsetzung, die Allens Duktus so ungemein vielseitig, empathisch und anspruchsvoll, aber dabei nie träge wirken ließ. Nein, Allen war, ist und bleibt ein Menschenkenner, der mit einem gezielten Schnitt mit dem Seziermesser ganze Gesellschaftsschichten in ihrem charakteristischen Rhythmus demaskieren konnte, auch wenn das auf seiner Europa-Tour leider deutlich zu kurz war und ihm die Illustration der beschwingten Lebensphilosophie der Europäer als fluffige Hommage viel wichtiger erschien. In „Blue Jasmine“ weht ein anderer Wind, ein fröstelnder, ein desillusionierter, ja, ein beinahe nihilistischer Grundtonus, der das Geschehen ebenso vitalisiert und gleichwohl destruiert. Man merkt „Blue Jasmine“ endgültig an, dass Woody Allen als Regisseur an einem Punkt in seiner Karriere angekommen (und vielleicht auch ein Mensch?), in dem sie ohne Illusionen, ohne falsche Zugeständnisse und ohne Hoffnungen auf (Selbst-)Genesung auskommen muss.

 
Vielleicht hilft Alkohol ja
Anhand flüssiger Parallelmontagen zwischen der Arbeiterklasse an der West-, und der dekadenten Upper Class an der Ostküste, schildert Woody Allen den psychischen Zerfall seiner Hauptdarsteller- in. Durch ihren Mann, einen Finanz- und Ehebetrüger, wird Jasmine in den freien Fall manövriert und die Zeiten, in denen sich die recht unnahbar wirkende Mitvierzigerin mit Luxusmarken à la Louis Vuitton, Dolce & Gabbana, Valentino und Chanel eindeckte, werden schlagartig zerbrochen und die snobistische High -Society in New York gegen die geerdeten Verhältnisse in San Franciscos weit weniger glamourösen Mittelschicht eingetauscht: Der materielle Reichtum hat sein bitteres Ende gefunden und Jasmine, ein vollkommen aus der Spur geratenes Häuflein Elend, versucht mittels Rückzug in den Schoße der Familie ihrer Schwester ein neues Leben zu beginnen – Ohne Erfolg. „Blue Jasmine“ bekundet die sich ständig windende Abwärtsspirale, die gläsernen, alkoholgetränkten und tablettenverstrahlten Blicke Jasmines, ihre fragilen Wahrnehmungsstörungen, ihre Neurosen und Psychosen, durch eine sozial-satirische Tonalität, die sich gekonnt durch ironische, sarkastische und zynische Spitzen verständigt und gleichermaßen die Melancholie eines zwischenmenschlichen Zerwürfnisses greifbar macht.


Dass „Blue Jasmine“ in seinem Changieren zwischen tiefer Bitterkeit und leisen Humorspitzen aber wirklich so hervorragend funktioniert, liegt an der phänomenalen Darbietung von Cate Blanchett, die sich der Stereotypisierung der Fratzen der differenten gesellschaftlichen Schichten durch ihre ungemein facettenreiche und ebenso mitreißende Performance ohne Probleme entzieht. Ohne diese Ausdrucksstärke hätte sich „Blue Jasmine“ gegebenenfalls den Vorwurf verifizierbarer Eindimensionalität gefallen lassen müssen, doch was Blanchett hier leistet und damit auch aus dem Drehbuch holt, ist schlichtweg zum Niederknien.


7 von 10 üppigen Nerzmänteln


von souli