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Review: REPORTER DES SATANS - Wenn nur noch Zynismus hilft

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Fakten:
Reporter des Satans (Ace in the Hole)
USA.1951. Regie: Billy Wilder. Buch: Walter Newman, Lesser Samuels, Billy Wilder, Victor Desny (Story).
Mit: Kirk Douglas, Jan Sterling, Robert Arthur, Porter Hall, Frank Cady, Richard Benedict, Ray Teal, Lewis Martin u.a. Länge: 111 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Kirk Douglas mimt einen Reporter, der ziemlich weit oben war und dann ebenso weit fiel. Bald schon wittert er die Chance, die perfekte Story, um wieder da mitzumischen, wo er seiner Meinung nach hingehört: im Medien-Olymp.





Meinung:
„I can handle big news and little news. And if there is no news I’ll go out and bite a dog.“

Als Chuck Tatum (richtig stark: Kirk Douglas) das in einem Vorstellungsgespräch bei einer Lokalzeitung sagt, hält man es für einen Witz. Allerdings dauert es nur ein paar Minuten, bis dem Zuschauer von Wilder deutlich gemacht wird, wie wenig Humor in diesem Beruf steckt.  „Tell the Truth“ steht eingerahmt an den Wänden der Redaktion. Eine ältere Dame sagt stolz, sie hätte es selbst gemacht. Chuck tut so, als wäre er beeindruckt. Für ihn gibt es nämlich Wichtigeres, als die Wahrheit. Zum Beispiel sein Ansehen, sein Selbstvertrauen, seine Karriere. Er war bei den größten Zeitungen, wurde jedoch wegen persönlicher Delikte stets gefeuert - und findet sich nun bei einem Käseblatt wieder. Doch schon bald trifft er auf eine Geschichte, die wie dafür geschaffen ist, medial ausgeschlachtet zu werden. Und die Gelegenheit lässt er sich nicht entgehen.


Chuck bei der Arbeit
REPORTER DES SATANS ist zwar ein Filmtitel, der viel besser ins Grindhouse-Kino passen würde, aber doch, irgendwie macht das Sinn. Chuck spielt mit dem Leben. Er ist scheinheilig, verlogen und egoistisch. Nicht „Tell the truth“ ist seine Maxime, sondern „Thi
s is the way it reads best, this is the way it’s gonna be!“. Der originale englische Titel ist allerdings bei Weitem zynischer. ACE IN THE HOLE, also das As im Ärmel. Das Ace, das hier gemeint ist, ist die Person, die in einem Loch in einer Höhle eingeschlossen steckt. Dieser Mensch kämpft mit dem Leben, für Chuck ist er jedoch bloß eine Stufe in der Karriereleiter. Nach einer Weile, wenn die mediale Aufmerksamkeit des Landes ganz und gar in diesem kleinen Ort zugegen ist, entsteht ein eigener Kosmos, eine eigene kleine Welt. Und ihr Zentrum ist Chuck Tatum. Er wird zu einem Interview gebeten. Anstatt Interviewer ist er nun Interviewter. Seinem Kollegen sagt er, er wolle den netten Herren von der Presse mal einen Besuch abstatten. Da wird klar, dass er schon kein Teil der Presse mehr ist. Er hat sich abgenabelt, weiterentwickelt. Hat eine neue Form angenommen, neue Regeln. Er steht über den Reportern. Reporter schreiben, was passiert ist. Tatum legt fest, was passiert. Er hat sich erhoben und über die Reporter hinweggesetzt. Er ist eine seltsame Erscheinung aus Gott, Rockstar, Richter, Zeuge und Geschworenem. Aber nur solange, und auch das zeigt Wilder gnadenlos brutal, nur so lange, wie die Geschichte von Interesse ist. Sobald die Geschichte abgeschlossen ist, sind auch ihre Erzähler nicht mehr von Bedeutung, sondern wertlos. Wie die Zeitung von gestern, in die Fisch eingewickelt wird. Would you like to have a 1000-Dollars-Newsman? You can have me for nothing.“


Aber Billy Wilder wäre nicht Billy Wilder, wenn er es dabei belassen würde. Er schaut nämlich nicht nur auf die gierige Medienmaschinerie, sondern auch auf ihr Gegenstück. Die beiden Teile, die wie ineinandergreifende Zahnräder funktionieren und ohne einander nicht existieren könnten. Die Medien und die Menschen. Was begeistert uns so sehr an schlechten Nachrichten? Hören wir gerne von Leid? Liegt es daran, dass wir gerne daran erinnert werden, wie gut wir selbst es doch haben? Ist dieses Verlangen so stark, dass uns das Leid anderer nicht nur egal ist, sondern dass wir es als Unterhaltung benutzen?


8,5 von 10 gebissenen Hunden


von Smooli 

Review: ZEUGIN DER ANKLAGE - Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit...

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Fakten:
Zeugin der Anklage (Witness for the Prosecution)
USA, 1957. Regie: Billy Wilder. Buch: Billy Wilder, Harry Kurnitz, Lawrence B. Marcus, Agatha Christie (Vorlage). Mit: Charles Laughton, Tyrone Power, Marlene Dietrich, Elsa Lanchester, John Williams, Henry Daniell, Ian Wolfe, Torin Thatcher, Norma Varden, Una O’Connor, Francis Compton, Philip Tonge, Ruta Lee u.a. Länge: 112 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD erhältlich.


Story:
Starverteidiger Sir Wilfrid hat gerade eine schwere Herzattacke hinter sich und soll es eigentlich etwas ruhiger angehen lassen. Genau jetzt bekommt er jedoch einen ganz großen Fall. Leonard Vole wird beschuldigt, eine wohlhabende, ältere Witwe erschlagen zu haben, um an ihr Erbe zu kommen. Die einzige Entlastungszeugin ist seine Ehefrau Christine. Sir Wilfrid ist sicher, ihn trotzdem vor dem Galgen zu retten. Bis sich Christine im Zeugenstand plötzlich um 180 Grad dreht...







Meinung:
Ein Filmklassiker, dem dieses Prädikat mehr als gebührt. „Zeugin der Anklage“ von Billy Wilder ist die zweite Filmversion von Agatha Christies Geschichte, die vorher lediglich als britische TV-Produktion verfilmt wurde, welche sich jedoch rein auf die literarische Vorlage bezog. Wilders Film orientiert sich an dem äußerst erfolgreichen Bühnenstück, das einige Jahre vorher uraufgeführt wurde und diverse Änderungen enthielt, die auch der Film beinhaltet (u.a. das Ende betreffend, ohne etwas zu verraten). Wilder erlaubte sich sonst auch noch einige Abweichungen, die dabei den Kern der Geschichte nicht veränderten, sondern sogar als äußerst sinnvolle Ergänzungen zu betrachten sind, z.B. die Figur der Miss Plimsoll, ohne die der Film viel von seinem Humor einbüßen würde.

Sir Wilfrid ganz in seinem Element.
Gerade dieser ist eine der eher ungewöhnlichen Stärken von „Zeugin der Anklage“. Für das Genre, nicht seinen Regisseur. Der Film beginnt enorm heiter, unbeschwert, als würde man sich in einer Komödie befinden. Die spitzen Wortduelle zwischen Charles Laughton als kantiger, gerade aus dem Krankenhaus entlassenen Anwalt Sir Wilfrid und (Ehefrau) Elsa Lanchester als gluckige Krankenpflegerin Miss Plimsoll sind ein frühes Highlight. Auch wenn diese Figur etwas überzogen wirken mag, das Zusammenspiel der Beiden ist herrlich und Laughton gewinnt mit seinem rauen Charme blitzschnell die Sympathie des Publikums. Das dieser Humor nie fehl am Platz wirkt, ist Billy Wilders präzisen Timing und Gespür zu verdanken, wie er ihn durchgehend in den eigentlichen Justizthriller-Plot einwebt, ohne das er als störend empfunden wird. Nicht einfach, schnell kann das kippen, diese Gefahr läuft der Film keine Sekunde. Sobald sich das Geschehen in den Gerichtssaal verlagert, wird „Zeugin der Anklage“ nicht nur hochspannend und enorm packend, Wilder stellt zudem unter Beweis, dass er die ernsten und amüsanten Töne gleichzeitig spielen kann und jederzeit versteht, wann er sie zurücknehmen muss. „Zeugin der Anklage“ verliert sich nicht in seinem unterhaltsamen Grundton und demonstriert, wie auch heute noch ein cleverer, intelligenter Thriller funktionieren sollte.


Es ist erst endgültig vorbei, wenn die blonde Lady singt.
Wilder gelingt das Kunststück, sein Publikum in vermeidlicher Sicherheit zu wiegen, mit Erwartungshaltungen zu spielen und ohne Vorbereitungen eine Überraschung nach der anderen aus dem Hut zu zaubern, ohne das das Gesamtwerk darunter leidet, überfrachtet erscheint. Daran sollten sich viele heutige Thriller ein Beispiel nehmen, die einen oft sehr ungeschickt mit gezwungen wirkenden Twists erschlagen. Bei „Zeugin der Anklage“ wird alles behutsam und raffiniert entwickelt, sich nicht zu früh enttarnt und letztlich ist jeder Punkt erschreckend logisch, ausgeklügelt und bis ins Detail – sei es von den Figuren wie den Filmschaffenden – perfekt durchdacht. So abgebrüht und geduldig zeigen sich wenige Werke, in Anbetracht seines Entstehungszeitraum umso bemerkenswerter.


Letzter Punkt in einem fast als perfekt zu betrachtenden Gesamteindruck sind die Darsteller. Der bereits erwähnte Charles Laughton liefert eine grandiose Performance und lässt seine Kollegen fast erblassen. Was nicht an ihnen selbst liegt. Tyrone Power als Angeklagter und Marlene Dietrich als dessen bis zum Schluss undurchsichtige Ehefrau spielen groß auf. Speziell das lange enorm unterkühlte und berechnend wirkende Spiel der Dietrich passt perfekt auf ihre Rolle. Spätestens wenn am Ende alle Masken fallen wird einem erst bewusst, wie gut ihre Leistung wirklich einzustufen ist. Das ist beinah schon zu viel an Information, denn wie schon während des Abspanns aus dem Off gemahnt wird, niemanden sollte das Finale verraten werden. Einfach ansehen. Nicht weniger als ein Meisterwerk, zeitlos und erhaben.

9 von 10 blauen Briefen.


Review: FRAU OHNE GEWISSEN – Die Blaupause des amerikanischen Film Noir

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Fakten:
Frau ohne Gewissen (Double Indemnity)
USA. 1944. Regie: Billy Wilder. Buch: Billy Wilder, Raymond Chandler (Vorlage).
Mit: Fred MacMurray, Barbara Stanwyck, Edward G. Pressman, Porter Hall, Jean Heather, Tom Powers u.a. Länge: 107 Minuten. FSK: freigegeben ab 6 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Walter Neff, ein Versicherungsvertreter nimmt verletzt eine schwerwiegende Beichte auf. Es ist seine Geschichte rund um einen Versicherungsbetrug, einen Mord und eine Frau ohne Gewissen.






Meinung:
Ermattet hängt er im Halbdunkeln vor dem Diktierphonographen seines Büros; er, der stattliche Versicherungsangestellte Walter Neff (Fred McMurray). Sein letztes Stündlein hat geschlagen, daran besteht kein Zweifel, doch eines will er der Nachwelt in jedem Fall vor seinem Dahinscheiden noch hinterlassen: Ein Geständnis seiner unmoralischen Taten. Und dieses Schuldbekenntnis wiegt so schwer, dass es nicht allein Walter jeder sittsamen Reinheit entzieht, es löst bereits zu Anfang den Ausgang des Films auf; das Ende von Walter, der sich im weiteren Verlauf als Hauptdarsteller von Billy Wilders vierter Arbeit „Frau ohne Gewissen“ zu erkennen gibt. Raubt dieser Kniff nun auch nur einen Bruchteil der Spannung der folgenden 100 Minuten? Nicht im Geringsten, denn Billy Wilder und sein Co-Autor, der Hardboiled-Autor Raymond Chandler, haben einen Drehbuch verfasst, in dem nicht nur die geschliffenen Dialoge bezirzen, die Geschichte ist dazu auch nicht an der erwähnten Ausgangslage interessiert, sondern einzig und allein an den Schritten, die zu dieser Situation geführt haben.


Erst einmal eine Zigarette
Wo viele den Ursprung des Film Noir in „Frau ohne Gewissen“ erkennen wollen, ist Billy Wilders Meisterwerk dann vielleicht nicht die alleinige Wurzel der Schwarzen Serie, doch Wilder revolutionierte das Genre, in dem er Motive kreierte, die den Film Noir in seiner Struktur und Bedeutung charakterisieren und ihn so zur „Essenz“ des definierten Terminus machen. Mit Walter steht aber kein kettenrauchender Detektiv im Mittelpunkt, der mit unterkühlter Mentalität durch das Szenario streift, sondern ein Durchschnittstyp mit einem Durchschnittsjob. Doch wie jeder Mann träumt auch er von einer attraktiven Frau an seiner Seite und möglichst viel Geld in der Tasche. Und Ersteres sollte auch in den Bereich des Möglichen rutschen, nachdem er Phyllis Dietrichson (Barbara Stanwack) über beruflichen Wegen kennenlernt und vom verführerischen Klimpern ihrer Wimpern in ihren Bann gezogen wird. Phyllis wurde zum archetypischen Inbegriff der Femme Fatale; ein emanzipiertes Luder, dass ihre weiblichen Reize nach Belieben ausspielen konnte und jeden noch so standhaften Mann durch gezielte Manipulation ihr unterwürfig machte.


Diese Review wird Ihnen präsentiert von der Tabaklobby
Und bis Walter überhaupt realisiert, in Phyllis was durchtriebene Machenschaften sie ihn verstrickt, hat er sich schon zu sehr im reizenden Anblick ihres Knöchelkettchens verloren. In einer Zeit, in der Hollywood jeder moralischen Verwerflichkeit den Zugang verweigerte, inszeniert Billy Wilder einen Film, der sich vor Habgier, sexuellen Andeutungen und der Skrupellosigkeit kaum retten kann. Und es war nicht nur das umgeschrieben Ende, dass ihm die Chance ermöglichte, dieses Projekt zu verwirklichen, sondern die schon zu Beginn vorweggenommene Strafe Walters: Er bekommt, jedenfalls in den Augen der damaligen Sittenwächter, was er auch verdient. Das dies gewiss nicht Wilders Intention war und es hier um weit mehr geht, als um die Sanktion eines Verbrechers, ist selbstverständlich. Vielmehr porträtiert der Meister des scharfzüngigen Wortwechsels den psychischen Zerfall eines in seiner Obsession versinkenden Mannes, der dem femininen Beelzebub glattweg in Arme läuft und damit nicht nur seinen, sondern auch ihren Untergang besiegelt. Walter ist das Instrument von Phyllis Gier nach materiellem Reichtum, vollends saugt sie diesem Mann den klaren Menschenverstand jedoch nicht aus.


Richtig angespannt werden Gegebenheiten aber erst dann, wenn Barton Keyer (Edward G. Robinson) die Bildfläche betritt und den Mord an Phyllis' Ehemann aufklären soll. Dieser Barton ist ein unkorrumpierbarer Schnüffler, idealistisch durch und durch, und verbohrt darauf, die Wahrheit zu finden. Er ist einer dieser Typen, die selbst im kargsten Ödland durch ihren Instinkt und die analytische Akribie noch auf eine feuchte Stelle stoßen. Und wenn Barton seinen Riecher ausstreckt und dadurch, ohne es zu wissen, Walter deckt, ihm aber doch immer näher auf die Schliche kommt, dann ist das Suspense vom Feinsten. Darin zeichnet sich auch die Qualität des nuancierten und mit ironischen wie mehrdeutigen Zwischentönen gestreckten Skrips aus, denn wir fiebern hier mit einem Menschen mit, wünschen uns insgeheim, dass der Plan doch irgendwie aufgehen möge, der für seine Handlungen zur Rechenschaft gezogen werden muss. Schlussendlich aber ist es nicht das Rechtssystem, welches die Charaktere richtet, sie richten sich im Angesicht der Enttäuschung und der Ausweglosigkeit eigenständig. Und damit schließt sich das kontrastreiche Schattenspiel und versackt in finsterster Nacht.


8,5 von 10 letzten Umarmungen


von souli

Review: DAS APPARTEMENT - Billy Wilder und die Unmoral der Großstadt

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Fakten:
Das Appartement (The Apartment)
USA. 1960. Regie: Billy Wilder. Buch: Billy Wilder, I.A.L. Diamond. Mit: Jack Lemon, Shirley MacLaine, Fred MacMurray, Ray Walston, Jack Kruschen, David Lewis, Hope Holiday, Naomi Stevens, Johnny Seven, Joan Shawlee, Willard Waterman, Edie Adams, David White u.a. Länge: 125 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD erhältlich.

Story:
C.C. Baxter arbeitet als Angestellter in einem Büro und versucht, genau wie seine Kollegen, die Karriereleiter zu erklimmen. Mit einem Trick hofft er schneller an sein Ziel zu kommen. So macht Baxter an dem einen oder anderen Abend sei Apartment frei, damit sein Chef dort in aller Ruhe seinen diversen Frauengeschichten nachgehen kann. Als sich Baxter aber in eine Angestellte verliebt, die mit seinem Chef eine langjährige Affäre hat, gibt es Probleme.


 

Meinung:
Wie schon im ein Jahr zuvor erschienenen „Manche mögen's heiß“ serviert Billy Wilder dem Zuschauer oberflächlich ein lockeres Vergnügen, während hinter der munteren Fassade ein ernster Kern auf seine präzise Freilegung wartet, denn seine Anwesenheit ist von Anfang an spürbar, wenngleich nur unterschwellig, und wird von Minute zu Minute immer deutlicher in das Licht getragen. In „Das Appartement“ geht es vordergründig um ein gutmütiges Einzelgängerdasein, welches zum Zahnrädchen der unaufhaltsamen Unmoral der Großstadt degradiert wird. Jack Lemmon ist als Junggeselle C.C. Baxter Dreh- und Angelpunkt der Szenerie und reizt seine schauspielerischen Fähigkeiten in Sachen Mimik und Gestik erneut brillant aus, ihm reicht schließlich schon ein gezielter Blick in die Kamera, um den Rezipienten einen Lacher zu entlocken. Wenn die Kehrseite der Medaille aber immer deutlicher ins Geschehen rückt und Baxter sich in einem Netz aus (Selbst-)Betrug, amoralischer Sitten und egoistischer Jovialität befindet, dann verleiht Billy Wilder den verschiedenen Lokalitäten eine entscheidende Metaphorik, die genau die Mentalitäten reflektiert, die sich um die divergenten Figuren klammern.


Gestresst und unglücklich verliebt. Hach, diese Montage
Der Versicherungskonzern, der eigentlich für eine gewisse Sicherheit stehen sollte, verdeutlicht in seiner inneren maschinellen Monotonie genau das Gegenteil von Zuverlässigkeit, denn Teil einer gewissenhaften Obhut ist hier niemand – vor allem nicht die Führungsetagen. Genau wie das Appartement ein Sinnbild für die Einsamkeit und die – augenscheinliche – Selbstlosigkeit darstellt, welches von Baxter wie ein billiges Motel an seine Vorgesetzten vermietet wird, damit diese ihren Spaß mit leichten Damen ausleben können, während Baxter nach einem anstrengenden Arbeitstag noch in Kauf nimmt, im windigen Park auf einer Bank zu schlafen, nur um die zahlreichen Schäferstündchen in seiner Behausung nicht zu stören, die ihm möglicherweise einen Karriereaufstieg ermöglichen könnten. Es entsteht ein Geflecht aus zwischenmenschlichen Konflikten, die nach Einsicht verlangen und Baxter, dessen Leben sich nicht nur in der Prämienabteilung um Vergütungen dreht, ist längt der liebenswerte Katalysator in dieser bissigen Gesellschaftskritik, die die moralischen Defizite im bürokratischen System durch humane Schwächen entblättert, ohne aber von einer Bergpredigt seitens Wilder dirigiert zu werden.


„Das Appartement“ ist – mal wieder – ein mehr als treffender Film über Menschen und die verschiedenen Abzweigungen ihrer Existenz. Einige scheitern, andere hingegen ziehen das große Los und wenn ein Sektkorken dem Zuschauer für den Bruchteil einer Sekunde den Atem raubt, dann wird Billy Wilder im nächsten Moment schon wieder zu dem Optimisten, für den man ihn einfach lieben muss, ohne das er sich in Unzulänglichkeiten oder schmierigen Kitschklamotten die Zeit vertreibt. Es wirkt selbst dann nicht überheblich, wenn Wilder einen Schminkspiegel zum visualisierten Seelenleben einer zerbrochenen Frau fungiert, denn manchmal kann die Wahrheit so einfach symbolisiert werden und trotzdem den Nagel auf den Kopf treffen. Und wie wir wissen, gab es kaum Regisseure, die besser zielen konnten als Mr. Wilder.

8 von 10 Liebeshöhlen im obersten Stock

von souli