Review: Die Schlange im Regenbogen - Angst und Schrecken auf Haiti



                                                                     
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Fakten:
Die Schlange im Regenbogen (The Serpent and the Rainbow)
USA, 1988. Regie: Wes Craven. Buch: Richard Maxwell, Adam Rodman, Wade Davis (Vorlage). Mit: Bill Pullman, Cathy Tyson, Zakes Mokae, Paul Winfield, Brent Jennings, Conrad Roberts, Badja Djola u.a. Länge: 98 Minuten. FSK: Freigegeben ab 18 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Im Auftrag einer Pharmafirma reißt Dr. Dennis Alan nach Haiti, auf der Suche nach einem Pulver, einem womöglich revolutionären Narkotikum, das seinen Ursprung im Voodoo-Kult hat und die Schwelle zwischen Leben und Tod im wissenschaftlichen Sinne ganz neu definieren könnte. Dort angekommen befindet er sich schnell in einem surrealen Alptraum aus Schreckensdiktatur und befremdlichen (Aber)Glauben, der ihn an die Grenzen der eigenen Wahrnehmung führt. Und an die des Todes…

                                                                             
Meinung:
„Auf Tahiti gibt es Dinge, die wir sogar vor uns selbst bewahren.“

Ein bis heute umstrittenes und immer wieder heiß diskutiertes Werk. Interessant gescheitert oder zu Unrecht verkannter Kultfilm? Eher Letzteres, wenn es nur diese zwei Optionen geben sollte. Objektiv betrachtet bestimmt die ambitionierteste und in seinem Vorhaben spannendste Arbeit von Wes Craven, die nur in der Kombination seiner Elemente manchmal nicht ganz rund wirkt und am Schluss leider unnötig aus dem Ruder läuft.


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Sie dürfen die Braut küssen
Es gibt immer noch eine erstaunlich geringe Anzahl von Filmen, die sich mit einem der wenigen, noch nicht endgültig entschlüsselten und dadurch enorm gespenstischen Phänomenen auseinandersetzen: Dem Voodoo und seinen realen Zombies. Den lebenden Toten, die nicht durch simple Bisswunden zu Hirn-fressenden Freaks werden, sondern arme Seelen „verzaubert“ durch unerforschte, aber offenbar sehr effektive Praktiken, die die moderne Schulmedizin vor Rätsel stellen. Genau diese lukrative Wissenslücke soll der Karibik-Indiana-Jones Dennis Alan (Bill Pullman, experimentierte während der Dreharbeiten rein investigativ selbst mit dem ein oder anderem Zauberzeug) im Auftrag der Pharmaindustrie schließen, denn dieser Magic-Shit lässt sich zu purem Gold veredeln, wenn er nicht mehr nur den Wilden aus Takatukaland vorbehalten ist.


Die Spesenabrechnung wird heftig
Angekommen im exotisch-schönen, aber unter der blendenden Oberfläche durch eine radikale Militärdiktatur hoffnungslos unterjochten Inselparadies versumpft der Zivilisation-clevere Skeptiker langsam in einem kaum noch zu trennendem Trip aus ganz realem Terror und mystisch-obskuren Ritualen. Voodoo ist hier keine billige Jahrmarktattraktion, es gehört zu ihrer Kultur. Wird mehr respektiert als gefürchtet, kann in verantwortungsvollen Händen gar eine sinnvolle, eine gute Sache sein. Ganz bestimmt aber nicht in denen von raffgierigen Konzernen (wie sie Alan vertritt) und noch weniger in denen von Präsident Jean-Claude „Baby Doc“ Duvalier, dessen Chief der Geheimpolizei und somit oberster Folterknecht gleichzeitig auch ein hoher Priester der schwarzen Magie ist. Die Schlange im Regenbogen ist (lange) kein üblicher Horrorflick, mehr eine reizvolle Mixtur aus Abenteuerfilm, Politthriller und surrealem Drogenrausch, dessen gesamte phantastischen Elemente sich jederzeit auf die sinnes-benebelnden Kräfte zurückführen lassen, die nur übernatürlich erscheinen, aber so real sind wie alles auf dieser Welt. Lediglich kaum erforscht. Zombifizierung ist kein Hokuspokus, nur in diesem Fall eine äußerst perfide Variante politische Gegner wie andere unbequeme Störenfriede ruhig zu stellen und ein Signal zu setzen an das Volk, das es versteht. Im Gegensatz zu uns oder unserem mit fortlaufender Zeit komplett überforderten Helden, der sogar sein eigenes Begräbnis bei vollem Bewusstsein miterleben darf.


Craven kitzelt in ausgewählten Momenten Großes aus dem Material heraus und findet gelegentlich einen cleveren Mittelweg aus Sachlichkeit und Psychedelik, Politparabel und Genrefilm, verhaspelt sich nur gegen Ende gewaltig. Wohl aufgrund von Studiodruck wurde einiges verschlimm-bessert, das Finale passt überhaupt nicht zum Grundgedanken des Films und ist dann doch nur die Geisterbahn-Sause vom Rummelplatz, von der sich das vorher Gezeigte bewusst entfernte. Nicht das erste Mal in solchen Fällen. Auch der Ur-Vater der realistischen Zombiefilme, Ich folgte einem Zombie von 1943, erlag zum Schluss dem Reiz, seine eigene Stärke zu Gunsten von (angeblicher) Publikumswirksamkeit an die Wand zu fahren. Es sind im Verhältnis nur wenige, dafür wichtige Minuten, die echt wehtun. Dafür kann Wes Craven wohl kaum was, aber er, wir und das endgültige Werk müssen damit notgedrungen leben. Reizvoll, oftmals stimmig und respektable bleibt sein Film dennoch. Ein sehr guter Versuch, der sich holpernd ins Ziel schleppt.

6,5 von 10 Nägeln durch den Hoden

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