Review: WER IST HANNA? - Thriller trifft auf Coming-of-Age


Fakten:
Wer ist Hanna? (Hanna)
USA, Groß Britannien, BRD. 2011. Regie: Joe Wright. Buch: Seth Lochhead. Mit: Saoirse Ronan, Cate Blanchett, Eric Bana, Tom Hollander, Jason Flemyng, Dee Bradley Baker, Olivia Williams, Gudrun Ritter, Paul Birchard, Martin Wuttke, Vicky Krieps, Michelle Dockery, Sebastian Hülk, Martin Goeres, Jessica Barden, John MacMillan, Cyron Bjørn Melville, Adam Markiewicz, Nathan Nolan, Jamie Beamish, Tim Beckmann, Paris Arrowsmith, Peter Brownbill, Marc Soto, Álvaro Cervantes u.a. Länge: 111 Minuten. FSK: Ab 16 Jahren freigegeben.


Story:
Hanna, eine junges Mädchen im besten Teenager-Alter, führt kein normales Leben. Seit frühster Kindheit hat ihr Vater Erik sie zur perfekte Killerin ausgebildet, denn die beiden sind ständig auf der Flucht vor Eriks ehemalige Kollegen von der CIA. In der eisigen Kälte Nord-Europas haben sich Vater und Tochter versteckt, doch Erik muss den sicheren Ort verlassen und Hanna ist erstmals auf sich alleine gestellt.


Meinung:
Wer ist Hanna?
Hanna ist ein geheimnisvolles Mädchen, im besten Teenager-, Pubertätsalter, aber für so etwas hat sie keine Zeit und trotz der Weite der finnischen Schnelllandschaft, in der sie seit klein auf lebt, keinen Raum. Denn Hanna wurde von ihrem Vater trainiert. Tag für Tag hat er sie auf etwas vorbereitet und nun, da Hanna alt und gut genug ist, beginnt es: ein mörderisches Hatz um Leben und Tod. Für Hanna der steinige wie gefährliche Weg zur Wahrheit und ich habe jede Minute mit gefiebert.



Auf der Flucht kann Hanna zeigen was sie alles kann
Dafür u.a. verantwortlich war diese raue aber dennoch leicht (alp)träumerische Atmosphäre. Alle Handlungsorte des Films, sei es das verschneite Finnland, das heiße Marokko oder die sterilen Gewölbe eines Headquarters, alles wirkt immer etwas surreal und verzerrt. Aber es passt, denn das „Wer ist Hanna?“ mit der Symbolik und Metapheristik des Grimm’schen Märchens hantiert, ist kein Geheimnis, eher im Gegenteil. Im Film gibt es böse Wölfe, gemeine Hexen, Lebkuchenhäuser, weise Könige, nur im Gewand eines modernen Thrillers. Dies ist nicht immer sehr subtil, aber hochgradig stimmungsvoll und dazu umweht der Film immer dieses „Mal was anderes“-Gefühl. Ein gutes Beispiel: Tom Hollander (bekannt aus „Fluch der Karibik 1 -3“) als leicht tuckischer Schurken-Sidekick, der mit seiner leicht asozialen wie nonchalanten Art weitaus mehr Bedrohung erzeugte, als andere Bad Guys der letzten Kino-Jahre. Dagegen wirkt Cate Blanchett als CIA-Hexe etwas fahl, aber es gelingt ihr und dem Film dennoch sie als große Gegenspielerin jederzeit interessant und präsent zu halten. Okay, dafür nutzt der Film einfachste Mittel und Charakterisierungen, aber es funktioniert bestens. Alleine die Erinnerung, wie sich Mrs. Blanchett im Film die Zähne reinigt, erzeugt in mir ein schauriges Gefühl. Die anderen Figuren bleiben ähnlich blass, besitzen aber Kontur. Da der Film „Wer ist Hanna?“ heißt, nicht „Wer ist Hanna und die Leute die sie trifft?“ (Sequel?) und die Macher zumindest bemüht waren, nicht nur Stereotype abseits von Hanna zu präsentieren, fand ich diesen Makel nicht sonderlich schlimm. Lediglich eine Figur, eine Bekanntschaft von Hanna, wirkte zu Reißbrettartig. Viel stereotyper fallen da leider die Wendungen aus. Hier hat man wirklich Potenzial verschenkt, aber hey, spannend ist es trotzdem und dies nicht zu knapp.

Im Kern ist „Wer ist Hanna?“ freilich gar nicht mal so außergewöhnlich. Der Film mischt Spionage mit Comig-of-Age und die ganze Wahrheit über Hanna ist im Grunde auch nicht mehr als Massenware, aber die Umsetzung stimmt halt einfach und damit meine ich nicht nur das Flair. Auch die Actionpassagen sind gelungen und dazu noch wunderbar gefilmt: dynamisch ja, hektisch nein. Es hat mir einfach sehr gefallen, dass der Film nicht versucht alles immer modern on top zu inszenieren, so sind die Szenen, in denen sich Hanna mit der heutigen Welt auseinandersetzen muss zwar hier und da recht amüsant, aber in ihrer Inszenierung eher darauf bedacht sich aufrichtig mit den Gefühlen der Titelheldin auseinanderzusetzen. Eine starke Leistung der Hauptdarstellerin rundet dieses sehr positive Bild ab. Ebenfalls zum sehr guten Gesamtbild zählt der tolle Soundtrack der Chemical Brothers. Verzichtet Wright auf trendy Kamera-Gewackel, so gibt es wenigstens trendy Musik. Warum auch nicht? Der Score ist fulminant, vielseitig und bietet einen hervorragenden akustischen Anstrich. Mein Soundtrack des Jahres.

C. Blanchett als CIA-Hexe
Regisseur Joe Wright ist einfach klasse. Bis auf „Der Solist“ hat der Brite noch keine Enttäuschung abgeliefert. Doch Joe Wright wird eigentlich mit feudalem Drama, elegantem Ausstattungskino in Verbindung gebracht, aber nicht einen Film wie „Wer ist Hanna?“. Doch er hat seine Thriller-Taufe bestanden. Denn auch hier versteht es Wright eine fesselnde Story zu erzählen und grandiose Bilder zu erschaffen: mal organisch, mal opulent, immer mitziehend. Die Märchen-Thematik kommt darüber hinaus überall gut zur Geltung. Im grellen Weiß einer unwirklichen Schneelandschaft, genauso wie im urban-metropolen Berlin. Beeindruckend. Leider überspannt der Film es mit den Märchen gegen Ende. Die Anspielungen, die „Wer ist Hanna?“ vornimmt sind immer offenkundig, aber kurz vorm Finale wird’s dann doch zu viel und vor allem zu plump. Doch dann ist der Film eigentlich auch schon zu Ende. Ein seltsamer Film, genau wie seine Heldin, aber auch genau so faszinierend.


„Wer ist Hanna?“ Die falsche Frage. „Wie ist Hanna?“ passt besser. Die Antwort: „Hanna“ ist atmosphärisch, gewiss nicht ohne Fehler, aber durchgängig fesselnd und obwohl der Film eigentlich nicht so speziell ist, wie es scheint, fühlt er sich dennoch wunderbar neuartig und vor allem individuell an.

8 von 10

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