DK,
2016. Regie: Mads Matthiesen. Buch: Anders Frithiof August, Mads
Matthiesen, Martin Zandvliet. Mit: Maria Palm, Ed Skrein, Yvonnick
Muller, Dominic Allburn, Virgile Bramly, Marco Ilsø,
Leonardo Lacaria u.a. Länge: 108 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16
Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:
Emma
sieht fantastisch aus, was für ihren Traumjob als Model schon mal
eine ideale Voraussetzung ist. Hoffnungsvoll reist sie aus der
dänischen Kleinstadt, in der sie lebt, nach Paris, um den großen
Karrieresprung zu schaffen. Bei ihrer Ankunft wird sie schnell
enttäuscht, denn außer unfreundlichen Agentur-Mitarbeitern, einem
kleinen Zimmer als Unterkunft und großer Frustration bei ihrem
ersten Fotoshooting erlebt sie in der riesigen Hauptstadt Frankreichs
nicht viel. Als sie sich an einem Abend im Club an Fotograf Shane
ranmacht und mit ihm im Bett landet, folgt auf der Stelle das nächste
Shooting. Türen öffnen sich für Emma, aber auch einige Gefahren
und Abgründe, je tiefer sie in die Branche eintaucht...
Meinung:
Als
Model ist ein Leben im Luxus vorprogrammiert, so scheint es
zumindest. Blickt man auf die freudestrahlenden, makellosen Gesichter
und Körper in den Hochglanzseiten der Magazine, auf glamourösen
Werbereklamen oder in Fernsehbeiträgen, entsteht schnell der
Eindruck, eine Karriere auf dem Laufsteg, vor den Linsen angesagter
Fotografen und als Dauergast bei rauschhaften Partys sei der ganz
große Traum, den überwiegend sehr junge Frauen völlig zu Recht
anstreben sollten.
Er ist der Einstieg für Emma in eine neue Welt
Die
Realität ist aber wie so oft eine andere, denn nicht umsonst hat die
Mode-Industrie längst den Ruf eines gnadenlosen Haifischbeckens, in
dem mit den Körpern der vor allem anfangs eingeschüchterten,
überforderten Models wie mit Waren gehandelt wird. Da fast jedes
Mädchen, das eine ernsthafte Karriere in dieser Branche anstrebt,
das nötige Aussehen dazu mitbringt, ist glatte Attraktivität schon
lange zum Standard geworden. Hinter den Kulissen kommt es viel mehr
darauf an, wie weit man bereit ist zu gehen, wo die persönlichen
Grenzen liegen und in welchem Maße man das eigene Selbstwertgefühl
ausblenden kann, um kein noch so schmutziges Angebot auszuschlagen.
Als Emma zu Beginn in "The Model" aus einer dänischen
Kleinstadt nach Paris reist, ist sie voller Erwartungen und
Hoffnungen. Wie sich wenig später herausstellt, besteht ihr größter
Traum darin, einmal auf dem Catwalk für Chanel modeln zu dürfen.
Von diesem Ziel könnte sie bei der Ankunft aber kaum weiter
entfernt sein. Bei ihrem ersten Treffen in der Agentur, zu dem sie
sich verspätet, wird sie kalt empfangen, ihre Unterkunft ist ein
recht mickriges Zimmer, das sie sich zudem noch mit einem anderen
Mädchen teilen muss und das erste Fotoshooting verläuft
katastrophal.
Verlockungen an jeder Ecke und in jedem Wasser
Auch
wenn Mads Matthiesens Film mit handwerklicher Eleganz komponiert
wurde und der Soundtrack hin und wieder durch verführerische
Pop-Songs besticht, wischt der Regisseur den Glanz und Glamour der
Branche früh von der Oberfläche und zeichnet anhand des Werdegangs
seiner überforderten, sensiblen Hauptfigur ein düsteres Bild der
Mode-Welt. Emma erkennt, dass sie sich anpassen und im moralisch
korrumpierten Spiel teilnehmen muss, welches von einem Großteil der
Schlüsselfiguren in diesem Beruf ausgeübt wird. Nachdem sie mit dem
Fotografen Shane, der sie beim Shooting zuvor noch rücksichtslos
fallen ließ, ins Bett steigt, öffnen sich plötzlich einige Türen,
durch die das Mädchen hoffnungsvoll hindurchgeht. Von nun an
entwickelt sich "The Model" aufgrund von abgründigen
Obsessionen, erbitterter Eifersucht und geheimen Seitensprüngen zu
einem Drama, welches etwas zu sehr in Richtung Soap-Opera anstelle
präziser Entlarvung der Szene abschweift. Das Bedürfnis von Emma
nach Zwischenmenschlichkeit, dem Gefühl, dass sie jemand einfach nur
verständnisvoll in den Arm nimmt, spiegelt sich in den Gesichtszügen
von Hauptdarstellerin Maria Palm, die selbst Model ist und hier ihr
Schauspieldebüt gibt, überzeugend wider. Trotzdem wird sie vom
Drehbuch zu oft in vorhersehbare Erzählrichtungen gepresst, wodurch
ihre Entwicklung vom Mauerblümchen über ein selbstbewusstes,
verführerisches Model hin zur gebrochenen, verzweifelten
Persönlichkeit kaum überrascht und mit erwartbaren Konsequenzen
aufwartet, denen hinsichtlich Radikalität der letzte Schliff fehlt.
"The
Model" ist somit ein inszenatorisch überzeugendes Drama, das
die ernüchternde Tristesse sowie den verkommenen Konkurrenzgedanken
des harten Aufstiegs in der Model-Branche glaubwürdig aufzeigt. Mit
dem abgründigen Potential hat Regisseur Mads Matthiesen allerdings
zu wenig gewagt, weshalb sein Werk trotz entlarvender Spitzen etwas
zu sehr wie eine Hochglanz-Soap-Opera wirkt, die auf vorhersehbare
Entwicklungen setzt.
Fakten: Men & Chicken (Mænd
& høns)
DN, BRD. 2015. Regie und Buch: Anders Thomas Jensen. Mit: David Dencik, Mads
Mikkelsen, Søren Malling, Nicholas Bro, Nicholaj Lie Kaas, Bodil Jørgensen, Ole
Thestrup, Lisbet Dahl, Rikke Louise Andersson, Lars Petersen u.a. Länge: 104
Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Ab 4. Dezember 2015 auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story: Gabriel und Elias sind Brüder, wie sie unterschiedlicher nicht sein
könnten: Der eine lehrt Evolutionspsychologie und Philosophie an der
Universität, der andere beschäftigt sich stattdessen hemmungslos mit Nichtstun
und Masturbieren. Nach dem Tod ihres Vaters erfahren sie, dass dieser gar
nicht ihr biologischer Vater war. Ihr leiblicher Vater, der mittlerweile fast
100 Jahre alt ist, soll sich auf der entlegenen Insel Ork aufhalten. Angekommen
auf der dem kleinen Eiland warten weitere Überraschungen auf Gabriel und Elias:
Nachdem sie zunächst auf den pragmatischen Bürgermeister und seine neurotische
Tochter stoßen, treffen sie auf ihre verstörten und handgreiflichen drei
Halbbrüder Franz, Josef und Gregor, die sich lieber mit ausgestopften Tieren,
als mit Menschen umgeben.
Meinung: Wenn man über das
großartige skandinavische Kino redet, werden meist die Namen Lars von Trier und
Susanne Bier genannt, doch einer bleibt dabei oftmals außen vor: Anders Thomas
Jensen. Der werte Herr schrieb aber unzählige Drehbücher zu herausragenden Filmen
(einige auch für, bzw. mit Susanne Bier) und durfte mit „Flickering Lights“, „Dänische
Delikatessen“ und „Adams Äpfel“ auch beweisen, dass er ein überaus fähiger
Regisseur ist, vor allem wenn es um rabenschwarze, absurde Komödien geht. Nun,
nach über zehn Jahren des Wartens dürfen sich die Fans und alle Freunde von
abseitigen Komödien freuen, denn mit „Men & Chicken“ kehrt Jensen endlich wieder
als Regisseur zurück. Das Ergebnis darf sich bereits jetzt zu einer der wohl
besten Komödien des Jahres zählen, neben Josh Lawson charmanter Episodenkomödie
„Der kleine Tod. Eine Komödie über Sex“.
Dänische Gentlemen beim erholsamen Tennissport
Erneut holt Anders Thomas Jensen die üblichen Verdächtigen seiner früheren
Filme zusammen, ganz vorne der zum internationalen Star mutierte
Ausnahmedarsteller Mads Mikkelsen, der hier so frei und herrlich aufgedreht
agieren darf wie selten zuvor. Aber er ist nur ein Teilstück des großartigen Ensembles,
das aus einer Vielzahl bekannter Darsteller aus dem hohen Norden besteht. Sie
alle geben sich der hemmungslos skurrilen Geschichte, die Jensen, wie bei
seinem vorherigen Regieeinsätzen auch, geschrieben hat, hin - und zwar idealistisch.
Es ist deutlich zu spüren, dass „Men & Chicken“ eine Produktion aus
Leidenschaft ist, eine Art freundschaftliches Wiedersehen, auf dass sich die
Fans der Akteure und von Anders Thomas Jensen durchaus freuen dürfen, auch wenn
es diesmal vielleicht nicht ganz in die Königklasse des Komödiengenres reicht,
in der vor allem „Adams Äpfel“ einen Ehrenplatz inne hat. Dass „Men &
Chicken“ nicht ganz die Qualität, bzw. die Erwartungen erfüllen kann, liegt
paradoxerweise an einer größten Stärke des Films: seine Absurdität.
Gabriel muss erkennen, dass seine Halbrüder recht bissig sind
Während „Adams Äpfel“ durchaus emotionale Verbindungen zum Publikum erreichte,
fällt es bei „Men & Chicken“ durchaus schwer einen empathischen Kontakt zu
den Figuren zu erkennen. Denn Anders Thomas Jensen vierter Spielfilm wird vor
allem gegen Ende so massiv durchgedreht in seinem Handlungsverlauf, dass auch
der letzte Rest eines zum mitfühlen einladenden dramaturgischen Unterbau
schlicht und ergreifend weggerissen wird. Kein Wunder, denn aus der von Beginn
an bizarren Stoty wird nach und nach das reinste Kuriositätenkabinett und es
ist kaum zu glauben, mit welcher Chuzpe und kecken Selbstverständlichkeit
Anders Thomas Jensen bei „Men & Chicken“ fast schon spielerisch teils
derbste Verrücktheiten integriert. Doch wie gesagt, je doller der übertriebene
Wahnsinn, desto oller die eigentlich Verbindung zwischen Publikum und Figuren.
Das war das Großartige bei „Adams Äpfel“: die harmonische Symbiose aus bösem
Witz und durchgedrehten Rollen wie dem adipösen, kleptomanischen Ex-Tennisprofi,
der trotz all seiner absonderlichen (wie auch abschreckenden) Eigenheiten immer
noch Empathie erwecken konnten. Das fehlt „Men & Chicken“ leider.
Allerdings ist es kein wirklich schmerzhafter Verlust.
Zwei Brüder, die sich die Liebe zu Tieren teilen
Denn auch wenn „Men & Chicken“ vielleicht nicht das gesamtgroße Highlight
geworden ist, welches viele erwartet haben, so erfüllt die Komödie - die
durchaus versucht auch eine tragische Komponente in all die dargebotenen Anomalitäten
einzufügen - doch über genau die humoristische Qualität, die Fans von Anders
Thomas Jensen erwarten. Auch sein neuster Film ist voller grandioser Komik, die
scheinbar keine Grenzen kennt. Da wird sich mit Holzlatten, ausgestopften
Vögeln und Großküchenkochtöpfen verprügelt bis das Blut fließt, werden abstruseste
Dialoge sowie Monologe gehalten und die Bibel so rezitiert, dass die Geschichte
von Gott und Abraham plötzlich in einem realistischen wie psychologischen
Kontext erstrahlt. Das alles und noch vieles mehr lädt zum schallernden Lachen
genauso ein wie zum konstanten Schmunzeln. Vor allem aber herrscht eine wohlige
anarchische Kraft. Hier kann einfach alles passieren. Da werden Erwartungen
ohne Wenn und Aber erfüllt, nur um kurze Zeit später wieder den
Vorhersehbarkeiten den Stinkefinger zu zeigen. „Men & Chicken“ ist kein
herausragender Film, aber eine herausragende Komödie, die übrigens hier und da sogar an Tobe Hoopers Horror-Meisterwerk "The Texas Chainsaw Massacre" erinnert.
„Men & Chicken“ ist ungehemmt amüsant wie rabenschwarz und böse. Ein Schaulaufen
des galligen Humors, der ganz nebenbei eine ganz eigene, fast schon abstrakte
Welt erschafft. Eine Welt mit Nudelholzsammlungen, kuriosen Tiermischwesen und Figuren,
die trotz ihrer grimassenhaften Äußerlichkeiten, schrägen, charakterlichen Merkmale
wie dem stetigen Drang zur Masturbation (nie war Mikkelsen besser) oder ihrer
selbstgewählten sozialen Isolation niemals nur als reinrassige Monster vom Film
portraitiert werden. Für Anders Thomas Jensen sind es Individuen, die sich
anders entwickelt haben als die breite Masse und dennoch der sogenannten Normalität
ähnlicher sind, als es ihr Äußeres oder ihr vordergründiges Verhalten preisgibt.
Die seltsamen Brüder sind vielleicht nicht mehr als eine verzerrte Reflexion
von uns selbst. Und während Gabriel (David Dencik) die Wahrheit sucht, versucht
Franz (Søren Malling) diese zu verdrängen. Diese beiden Verhalten… es gibt
wahrlich nichts Menschlicheres. Hinter all dem frechen, garstigen und scheinbar
unkontrollierten (un)erwachsenen Humor steckt vielleicht nicht mehr und nicht
weniger als Philanthropie.
Dänemark, 2006. Regie: Susanne Bier. Buch: Anders Thomas Jensen. Mit: Mads Mikkelsen, Rolf Lassgard, Sidse Babett Knudsen, Stine Fischer Christensen, Christian Tafdrup, Ida Dwinger u.a. Länge: 119 Minutnen. FSK: ab 12 Jahren freigegeben. Auf DVD erhältlich.
Story:
Jacob arbeitet als Vorsteher eines Waisenhauses in Indien, das von der Schließung bedroht wird. Dann erhält er von Jorgen, einem dänischen Geschäftsmann, ein ungewöhnliches Angebot. Er bietet eine großzügige Spende an, die jedoch an eine seltsame Bedingung geknüpft ist: Jacob muss selbst nach Europa reisen und den Vertrag unterzeichnen. Zufällig fällt Jacobs Ankunft mit der Hochzeit von Jorgens Tochter Anna zusammen und Jorgen bittet Jacob, an der Feier teilzunehmen. Auf der Hochzeit stellt Jacob fest, dass die Mutter der Braut und Ehefrau seines Wohltäters, seine Jugendliebe Helene ist. Als Jacob hört, dass Jorgen gar nicht Annas leiblicher Vater ist, steigt eine unfassbare Ahnung in ihm auf...
Meinung:
Dank Regisseurin Susanne Bier und Autor Anders Thomas Jensen, zwei der wichtigsten und besten Filmemachern Dänemarks, schlägt "Nach der Hochzeit" einen Ton ein, der im US-Kino in dieser Form kaum noch vorstellbar scheint. Eine mit hoher Emotionalität und berührender Tragik durchzogenen Geschichte verzichtet gänzlich auf klebrigen Kitsch und seziert seine Figuren mit sensiblen Tiefgang.
Helene und Jacob haben sich viel zu erzählen
Langsam und ohne in Hektik zu verfallen wird der Zuschauer in die Geschichte eingeführt und steht dabei zunächst immer auf der selben Stufe wie Protagonist Jacob. Ihm und uns erscheint es unglaubwürdig, dass alles nur ein Zufall oder hämischer Wink des Schicksals sein soll. Warum kommt ausgerechnet er zu genau diesem Zeitpunkt mit genau diesen Menschen zusammen? Da muss einfach mehr dahinter stecken und wenn dem so ist, aus welchem Grund? Wer steckt hinter dieser merkwürdigen Zusammenkunft und was soll der Nutzen sein? Diese Frage bleibt relativ lange unbeantwortet, bis schließlich das Geheimnis gelüftet wird.
Jorgen hütet ein bitteres Geheimnis
Spätestens an dem Punkt hätte alles scheitern können. Emotional grenzwertige Kitsch-Stolperfallen lauern in jeder folgenden Minuten und es lässt sich nur zu gut erahnen, wie schnell diese den Film zum Verhängnis werden könnten. Es erfordert ungemein viel Inszenierungsgeschick, ein feinfühliges Drehbuch und hervorragende Darsteller, um den Zuschauer zu packen und eben nicht mit Anlauf in dieses Minenfeld rennen zu lassen. Das alles zeichnet "Nach der Hochzeit" aus. Die Figuren wirken von Beginn an und, das ist entscheidend, auch bis zum Schluss ehrlich und authentisch. Jede ihrer Emotionen wirkt niemals überzeichnet oder künstlich, als Zuschauer fühlt man sich nie manipuliert durch überzogene Theatralik oder schablonenhafte Holzschnittfiguren. Das Szenario ist sicherlich nicht alltäglich, mutet auf den ersten Blick vielleicht auch nicht realistisch an, doch Bier gelingt das Kunststück, es genau so wirken zu lassen. Man nimmt es ihr, und auch den Darstellern, uneingeschränkt ab und zwar in jedem Moment. Nie wirkt irgendwas überzuckert oder überdramatisiert, stattdessen lässt man sich gerne mittreißen von einer leisen, menschlichen und letzten Endes auch traurigen Geschichte.
Nach ihrer Hochzeit überschlagen sich die Ereignisse
Großes Lob gebührt dem Darstellerquartett Mikkelsen/Lassgard/Knudsen/Christensen, die ihre Rollen bis in die kleinste Nuance perfekt verkörpern. Jeder noch so kleine Blick wirkt niemals zufällig und wohl überlegt, wird darüberhinaus von Bier auch noch so präzise eingefangen. Es ist wirklich schön zu sehen, wie so viel Gefühl in die Rollen gelegt wird, ohne dabei zu überdrehen oder in oberflächliche Standards zu verfallen. Eine der, wenn nicht die, ergreifenste Szene gehört Rolf Lassgard: Sein letzter Auftritt im Film ist so fantastisch, besser lässt sich das kaum spielen.
"Nach der Hochzeit" hat sicherlich eine etwas konstruierte Geschichte, verkauft sie dafür exzellent. Inhaltlich wäre auch noch mehr drin gewesen, mit einer anderen Inszenierung würde der Film kaum so positiv wirken. Das ist es dann aber auch mit Kritik.
Wer einen Gegenentwurf zur Holzhammerrührseligkeit Marke Hollywood sehen möchte, sei der Film uneingeschränkt ans Herz gelegt.
Fakten:
Eddie - The sleepwalking Cannibal (Eddie)
Kanada, Dänemark. 2012. Regie: Boris Rodriguez. Buch: Alex Epstein, Boris
Rodriguez, Jonathan Rannells. Mit: Thure Lindhardt, Dylan Smith, Georgina
Reilly, Stephen McHattie,Paul
Braunstein, Alain Goulem, Peter Michael Dillon, Jon McLaren, Jolanta Mojsej,
Alexis Maitland, Karl Claude, Corey Charron u.a. Länge: 75 Minuten. FSK: Ab 16
Jahren freigegeben.
Story:
Der dänische Künstler Lars nimmt eine Stelle als Lehrer in einer Kunstschule an,
irgendwo im Nirgendwo der kanadischen Provinz. Dort trifft er neben neuen
Kollegen und Nachbarn auch auf Eddie, einen verschlossenen, traumatisierten Mann,
der nie ein Wort sagt. Mit Eddie teilt sich Lars ein Haus und muss bald
feststellen, dass sein Mitbewohner nachts schlafwandelt und kleine Tiere frisst.
Als Lars eines Tages die Überreste seines Nachbarn findet, den Eddie
bestialisch massakriert hat, findet der Künstler zurück zu seiner Inspiration. Von nun an benutzt Lars Eddie als Muse der etwas anderen Art.
Meinung:
Wenn ein Film den Titel „Eddie - The Sleepwalking Cannibal“ trägt, dann sollte
wohl jeder Zuschauer erahnen können, dass es sich hier um eine verfilmte
Dummheit handeln muss, was gar nicht negativ gemeint ist. Dummheiten sind nicht
zwanghaft schlecht und können durchaus unterhaltsam sein. Die
dänisch-kanadische Ko-Produktion macht auch keinen Hehl daraus, dass sie sich
selber nicht all zu ernst nimmt. Als Sujet des Films von Boris Rodriguez (was
für ein Name!) kann vieles herhalten: Traumata, kreative Blockaden, die
satirische Reflexion des Kunstmarktes und jedes dieser Themen wird auch von „Eddie“
aufgeriffen, es ändert aber nichts daran, dass die Horrorkomödie reiner, grober
Unfug bleibt. Unfug, der sich jedoch nicht rentiert.
Künstler Lars vor seinem größten Feind: der weißen Leinwand
Rodriguez Film wäre ein köstlicher Kurzfilm. Als Spielfilm,
der mit einer Laufzeit von 75 Minuten dennoch recht knapp ausgefallen ist,
funktioniert der schlafwandelnde Kannibale aber nicht. Die Besonerheit von „Eddie“,
seine kuriose Story hält nicht mehr als ein paar Minuten durch. Recht bald ist
alles gesagt und wurde alles getan, was folgt ist pure Repetitive. Ein blutiger
Gag wird ständig wiederholt, bis jeder Funke Witz in ihm er loschen ist. Dann
offenbart der Film, dass er es sich zu einfach gemacht hat, in dem er sich nur
auf eine irrwitzige Idee konzentriert hat und alles andere schleifen lässt. Es
reicht nicht aus nur leichten Splatter zu präsentieren, um „Eddie - The Sleepwalking
Cannibal“ aus seiner schnell hervortreteten Stagnation zu reißen. Auch die Figuren
helfen da nicht weiter. Sie wirken im Kontrast zur Geschichte zwar allesamt
etwas gesetzter, sind aber gleichzeitig auch ohne Reiz und erzeugen nicht mehr
als Gleichgültigkeit und gleichgültig ist hier vieles, zumindest nach gut 20
Minuten, wenn Boris Rodriguez beginnt sich zu wiederholen.
„Eddie“ ist als Idee skurill und bekloppt, als umgesetzter Film aber sträflich
öde und trotz seines propagierten Kannibalismus erstaunlich zahm. Wer ein
Splatterfest erwartet wird enttäuscht. Rodriguez konzentriert sich mehr auf die
Komik, die Gewaltszenen sind kurz und sollten in Zeiten, in denen im Fernsehen Serien
wie „The Walking Dead“ oder „Spartacus“
laufen keinen Splatterhead hinterm Ofen hervorlocken. „Eddie - The sleepwalking
Cannibal“ erscheint in Deutschland mit einer FSK16-Freigabe und ist ungekürzt.
Aber auch mit mehr oder weniger Splatter wäre der Film auch nur Terz. Terz, der
wegen seinen kurios-bescheuerten Geschichte etwas besonderes hat. Doch diese
Besonderheit hält keine 75 Minuten. Wie gesagt, als Kurzfilm hätte die Idee
Potenzial gehabt gut zu funktionieren.