Fakten:
Tödliche Umarmung (Last Embrace)
USA, 1979. Regie: Jonathan Demme.
Buch: David Shaber, Murray Teigh Bloom (Vorlage). Mit: Roy Scheider, Janet
Margolin, John Glover, Sam Levene, Charles Napier, Christopher Walken,
Jacqueline Brookes, David Margulies, Andrew Duncan, Marcia Rodd u.a. Länge: 102
Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:
Geheimagent Harry Hannan verliert
bei einem Anschlag seine Frau Dorothy. Durch den schweren Verlust erleidet er
einen Nervenzusammenbruch und begibt sich in ein Sanatorium. Doch direkt nach
seiner Entlassung folgt ein weiterer Anschlag, denn jemand versucht, ihn vor
einen Zug zu stoßen. Und zuhause wartet bereits eine in Hebräisch verfasste
Morddrohung auf ihn. Gemeinsam mit der Studentin Ellie, die während Harrys
Abwesenheit in seine Wohnung einzog, nimmt er auf eigene Faust Ermittlungen
auf. Was steckt hinter den Vorfällen?
Meinung:
Mit seinem vierten Spielfilm legte
Jonathan Demme („Das Schweigen der Lämmer“, „Philadelphia“) seine endgültige
Reifeprüfung ab und nahm im Prinzip das vorweg, was sein Kollege Brian De Palma
in den Folgejahren mehrfach praktizieren sollte: Er zollt dem wenige Jahre
zuvor in den Ruhestand gegangenen Meisterregisseur Alfred Hitchcock seinen
Tribut, inszeniert mit „Tödliche Umarmung“ einen paranoiden
Verschwörungsthriller, an dem der Meister selbst wahrscheinlich seine helle Freude
gehabt und in vielen Punkten sicher kaum anders umgesetzt hätte. Unverkennbar
zitiert Demme viele große Klassiker seines Vorbildes, hält sich auch
handwerklich dicht an dessen Vorlagen und erschafft somit ein sehr spannendes
Verwirrspiel mit exzellenten Einzelmomenten, das selbst für 1979 fast etwas
altmodisch wirkt, im positiven Sinne.
Don´t fuck Dirty Harry! |
Das beginnt schon mit der Musik,
die eher an ein Werk der 50er oder 60er Jahre erinnert, weniger an das Kino der
späten 70er. Mit einem Hang zur Theatralik, was der Stimmung des Films nur zu
Gute kommt. „Tödliche Umarmung“ verplempert von Beginn an keine Sekunde und
schubst den Zuschauer ähnlich schnell in seine Handlung wie Protagonist Harry (Roy
Scheider) beinah vor einen einfahrenden Zug, doch da hat der bereits einen
Anschlag auf sein Leben hinter sich. Schon bei diesem, im Opener gezeigten
Attentat, zeigt sich die formelle Klasse, die sich wie ein roter Faden durch
den kompletten Film zieht. Die Kamera verbreitet durch hektische Bewegungen die
angestrebte Unruhe, ist dabei jedoch höchst präzise und keinesfalls
willkürlich, ein optischer Genuss. Generell ist es die Arbeit von Kameramann
Tak Fujimoto, die „Tödliche Umarmung“ zu einem stellenweise atemberaubenden
Erlebnis macht. Durchgehend elegant, mit einem Auge für Dynamik und Bewegung, wundervollen
Plansequenzen sowie fast schon träumerischen, stillen Momenten (die
untergehende Sonne auf dem Friedhof, ein Gemälde). Auch das kannte man von den
großen Filmen Hitchcocks, den Vergleich mit ihnen zieht Jonathan Demme deutlich
und bewusst heran, nicht nur technisch. Einen inszenatorischen Höhepunkt findet
der Film in der Mitte, bei einer sagenhaft gefilmten Verfolgungsjagd in einem
Glockenturm, „Vertigo – Aus dem Reich der Toten“ lässt grüßen, ebenso beim
Finale an den Niagarafällen, das neben dem bereits erwähnten Werk auch leicht „Der
unsichtbare Dritte“ und dessen Höhepunkt am Mount Rushmore erinnert.
Ihre letzte Umarmung? |
Roy Scheider trägt den Film
spielend und stellt einmal mehr unter Beweis, dass er in den 70ern einer der
ganz großen Charakterköpfe im Geschäft war. In der fachlichen Umsetzung ist „Tödliche
Umarmung“ somit nahezu unantastbar, kann nur inhaltlich nicht mit dem auf der anderen
Ebene dargebotenen Niveau gleichziehen. Hier fehlt es an Plot-Finesse- und
Entwicklung, die Hitchcocks beste Filme – die eben ausgiebig zitiert werden -
zu Meisterwerken machte. Die Geschichte wird zwar geschickt erzählt, entwickelt
zu keiner Zeit Längen und heizt das Interesse an der Auflösung wie den
Hintergründen des lange undurchsichtigen Geschehens ergiebig an, wenn die sich
dann offenbaren, hat das aber ehrlich gesagt was von einem Groschenroman. Schon etwas
pulpig. Eine überlegtere, cleverere Pointe würde „Tödliche Umarmung“ deutlich
besser stehen, der inszenatorischen Klasse eher gerecht werden. Der
durchgehenden Spannung, dem kribbeligen Suspense tut das auf den letzten Meter
natürlich keinen Abbruch mehr, man kann letztlich problemlos damit leben, die
durchaus geschürten Erwartungen an die Qualität kann die Story nur eben
nicht gänzlich erfüllen. Leichte Lücken und Ungereimtheiten inbegriffen, da
rumpelt es gelegentlich deutlich, was nicht auf die Dauer durch die schöne
Präsentation versteckt werden kann.
Das sind dann eben die kleinen,
feinen Unterschiede, die den Schüler vom Lehrer trennen. Jonathan Demme hat
dennoch ohne Frage einen Film geschaffen, der seinem und unser aller Meister
sicher auch sehr gefallen hätte. Nicht nur, weil ihm hier offensichtlich der
üppige Bauch gepinselt wird. In der Qualität (sogar besser) hat das nur der bereits erwähnte Brian
De Palma geschafft, hinter dem in seiner Hochphase knapp unterlegen zu sein ist
dabei alles andere als eine Schande. Ein spannendes, mitreißendes Stück Film,
dem heute selten der gebührende Respekt gegenüber gebracht wird. Das wäre
hiermit erledigt. Angucken!
7 von 10 hebräischen Todesdrohungen
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