Fakten:
Ein Toter lacht als letzter – A Bell
From Hell (La campana del infierno)
ES, FR, 1973. Regie: Claudio Guerín.
Buch: Santiago Moncada. Mit: Renaud Verley, Viveca Lindfors, Alfredo Mayo,
Maribel Martin, Nuria Gimeno, Christina von Blanc, Saturno Cerra, Nicole
Vesperini, Erasmo Pascual u.a. Länge: 91 Minuten. FSK: Freigegeben ab 18
Jahren. Auf DVD (Import) erhältlich.
Story:
Juan, der das Erbe seiner
verstorbenen Mutter antreten soll, wird vom Rest seiner Familie in die
Nervenheilanstalt gebracht. Er wird kurz auf Probe entlassen, damit darüber
entschieden werden kann, wem das Erbe nun zufällt. Diese Entlassung nutzt der
junge Mann dazu, sich an seiner Tante Martha und ihren Töchtern zu rächen. Doch
auch die haben vorgesorgt: Zusammen mit einem der Ärzte, die Juan behandeln,
treiben sie ein teuflisches Spiel mit ihm.
Meinung:
-„Schon als Kind habe ich dir
prophezeit, dass du kein Glück haben wirst. Alle besseren Karten sind schon
verteilt.“
-„Aber ich bin ein guter Spieler.“
Zumindest ein ziemlich ausgebuffter
Spieler ist er, der Juan. Den Ausgang aus der Psychiatrie (den er nur erhalten
hat, da er „keinen gewaltsamen Fluchtversuch unternommen hat“. So was muss ja
auch mal entsprechend belohnt werden…) will er effektiv nutzen, schließlich
wurde ihm von seiner Verwandtschaft übel mitgespielt. Was hat man schon zu
verlieren, wenn man eh bald wieder einwandern wird? Er nicht viel, sie dagegen
alles. Und das will Juan ihnen nehmen, auf äußerst rücksichtlose Art und Weise.
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Armes Bauernopfer oder nicht mehr alle Latten am Zaun? |
Ein nicht großartig bekannter, so
gut wie vergessener Beitrag aus der europäischen B-Revenge-Thriller-Sparte, dessen
eigentlich handelsübliche Story über weite Strecken auf eine sehr eigene Art
vorgetragen wird. „Ein Toter lacht als letzter – A Bell From Hell (welch
schöner, internationaler Titel) wird verhältnismäßig langsam erzählt, gibt sich
relativ rätselhaft und mysteriös, obwohl die Intention seiner Hauptfigur
schnell klar ist. Vergeltung möchte er, doch wie genau die aussehen soll ist
lange unklar. Statt wie so oft gleich ungehobelt drauflos zu poltern und die
Figuren aus glasklar kategorisierten Schubladen hervorzuholen, lässt Regisseur Claudio
Guerín sich Zeit und den Zuschauer ungewöhnlich lange in der Schwebe, auf was
er sich genau einstellen kann. Bei Protagonist Juan handelt es sich um einen
eher exzentrischen, undurchschaubaren Kerl mit Hang zu makabren
Scherzen, der sich jedoch – wie ein guter Spieler – halt lange nicht direkt in
die Karten gucken lässt. Durchgehend stimmungsvoll bebildert und mit einem
Gefühl der schwelenden Bedrohung ausgestattet, dennoch mag die Exposition für
einen Film dieses Genres sehr ausgiebig und wenig reißerisch erscheinen, ist
dadurch auch nicht immer höchst mitreißend, verfolgt jedoch einen klaren Zweck,
der für das letzte Drittel von entscheidender Wichtigkeit ist und in der
Hinsicht voll aufgeht.
„Ich kann den Unterschied zwischen
Gut und Böse nicht erkennen. Und weißt du auch warum…? Weil es keinen
Unterschied gibt!“
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Ding-Dong: Die bucklige Verwandtschaft ist da. |
Genauso ist es, denn im letzten Akt
– nachdem Juan die liebe Verwandtschaft zu Kaffee und Bienenstich einlädt - verschwimmen
plötzlich die Grenzen zwischen Gut und Böse vollends, werden zu einem
exploitativen Brei, bei dem es teilweise extrem grob, zynisch und nihilistisch
zur Sache geht. Das für den Zuschauer bis dahin augenscheinlich klar definierte
Modell von „dem Guten“ und „den Bösen“ wird kräftig durcheinander geschüttelt,
das Opfer-Täter-Karussell dreht sich schwindelig in alle Richtungen. Durch die
einseitige Perspektive schien man sich seiner Sache sicher, nun beginnt man zu
zweifeln. War der junge Mann etwa nie Opfer einer Intrige, war die schon vorher
ambivalente Figur doch schon immer eine tickende Zeitbombe, zurecht weggesperrt?
Ganz eindeutig wird das hier nicht beantwortet, spielt letztlich auch keine
Rolle. „Weil es keinen Unterschied gibt.“ So sieht’s aus. An Boshaftigkeit und
konsequenter Unmenschlichkeit überbieten sich jetzt beide Parteien, Recht oder
Unrecht hat jetzt schon längt niemand mehr. „Ein Toter lacht als letzter – A Bell
From Hell“ legt im Schlussspurt ein äußerst hässliches, fieses Gesicht an den
Tag und diese Fratze steht ihm ausgezeichnet. Die finale Pointe wirkt
allerdings ziemlich merkwürdig, da sie offensichtlich von vornherein so geplant
war, obwohl das eigentlich unmöglich ist. Schmälert den positiven
Gesamteindruck schon etwas, wie auch das leicht verschleppte Tempo in der
ersten Stunden.
Unabhängig davon, wer was für Filme
dieser Art übrig hat und die Chance bekommt ihn sehen zu können (leider zurzeit
nicht als deutschsprachiger Silberling erhältlich), sollte diese nutzen. Ein
wenig Geduld und guter Wille muss investiert werden, auszahlen wird es sich.
6,5 von 10 selbst ausgerissenen
Augen
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