Fakten:
Paradies: Glaube
Österreich, Deutschland, Frankreich. 2012. Regie: Ulrich Seidl. Buch: Ulrich Seidl, Veronika Franz. Mit: Maria Hofstätter, Nabil Saleh, Natalya Baranova, René Ruprik, Trude Masur, Dieter Masur u.a. Länge: 114 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Paradies: Glaube
Österreich, Deutschland, Frankreich. 2012. Regie: Ulrich Seidl. Buch: Ulrich Seidl, Veronika Franz. Mit: Maria Hofstätter, Nabil Saleh, Natalya Baranova, René Ruprik, Trude Masur, Dieter Masur u.a. Länge: 114 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:
Anna Maria lebt für den Katholizismus. Sie versucht ihre Nachbarn zu missionieren, trifft sich mit Gleichgesinnten und mit einer Peitsche bestraft sie sich nicht nur für ihre Sünden, sondern auch für die ihrer Mitmenschen. Als plötzlich ihr Ehemann, der querschnittsgelähmte Ägypter Nabil, nach vielen Jahren zu ihr zurückkehrt, wirft dies Anna Maria vollkommen aus der Bahn.
Meinung:
Ulrich Seidl scheint mit seinen Filmen geradezu prädestiniert für den großen Eklat zu sein. Es ist unbestritten, dass der Österreicher polarisiert, jeder Regisseur, der geringfügig etwas von seinem Handwerk versteht, muss das zwangsläufig tun, aber – und das ist der ausschlaggebende Punkt – sie provozieren nie dahingehend, eine selektierte Zielgruppe durch plumpe Anmaßungen in die Ecke zu drängen und dadurch ohne jeden argumentativen Rückhalt zu beleidigen. Eine so simple Sprache würde nicht zu der Kontroverse, und Seidl beharrt auf diese Kontroverse mit Fug und Recht, führen, wie er sie mit seinen Outputs in aller Regelmäßigkeit heraufbeschwört. Das größte Problem, was der echauffierte Zuschauer mit dem Regisseur zu haben scheint, ist keines, welches durch eine fehlerhafte Handhabung bestimmter Thematiken aufkeimt. Vielmehr ist es das Gefühl der bitteren Selbsterkenntnis, in der Seidl sich einem Missstand – in welcher Nische auch immer angesiedelt – annimmt und diese dem Rezipienten dadurch mit analytischer Akkuratesse den Spiegel vor Augen hält: Sieht man sich also einen Film von Ulrich Seidl an, bedeutet das auch immer, in die eigene Seele zu blicken zu müssen.
Ulrich Seidl scheint mit seinen Filmen geradezu prädestiniert für den großen Eklat zu sein. Es ist unbestritten, dass der Österreicher polarisiert, jeder Regisseur, der geringfügig etwas von seinem Handwerk versteht, muss das zwangsläufig tun, aber – und das ist der ausschlaggebende Punkt – sie provozieren nie dahingehend, eine selektierte Zielgruppe durch plumpe Anmaßungen in die Ecke zu drängen und dadurch ohne jeden argumentativen Rückhalt zu beleidigen. Eine so simple Sprache würde nicht zu der Kontroverse, und Seidl beharrt auf diese Kontroverse mit Fug und Recht, führen, wie er sie mit seinen Outputs in aller Regelmäßigkeit heraufbeschwört. Das größte Problem, was der echauffierte Zuschauer mit dem Regisseur zu haben scheint, ist keines, welches durch eine fehlerhafte Handhabung bestimmter Thematiken aufkeimt. Vielmehr ist es das Gefühl der bitteren Selbsterkenntnis, in der Seidl sich einem Missstand – in welcher Nische auch immer angesiedelt – annimmt und diese dem Rezipienten dadurch mit analytischer Akkuratesse den Spiegel vor Augen hält: Sieht man sich also einen Film von Ulrich Seidl an, bedeutet das auch immer, in die eigene Seele zu blicken zu müssen.
Nabil will Anna Maria, sie will lieber Jesus |
Wo sich in „Paradies: Liebe“ noch eine Gruppe Damen – im Mittelpunkt die Mutter Teresa - nach Afrika aufgemacht haben, um die Liebe als Sextouristen für sich zu entdecken, natürlich aber genau das Gegenteil erfahren mussten, um sich letzten Endes mehr denn je als Opfer der gesellschaftlichen Norm zu erkennen, ist die Hauptfigur der Anna Maria in „Paradies: Glaube“ weit entfernt davon, eine wirklich gläubige Frau zu sein. Wir werden dabei vorerst in die alltäglichen Prozesse der Anna Maria eingeführt; ihr Job und alles, was nicht mit der Religion zu tun hat, läuft vollkommen mechanisch ab, längst ist alles der schlichten Monotonie gewichen. Geht es dann aber um ihre Beziehung zu Gott, ihre pathologische Zuneigung zu Jesus, dann zeigt Seidl, wie präzise und ohne zu moralisieren er einem Charakter auf den Zahn fühlen kann und ihr Innersten langsam an die Oberfläche krempelt. Anna Maria scheint eine religiöse Fanatikerin zu sein, zu Anfang besteht daran kein zweifel, wie sie sich den Rücken feuerrot peitscht und mit dem eng geschnallten Bußgürtel betend durch die Wohnung robbt.
Anna Maria will Jesus so nah wie möglich sein |
Schutz – und auch damit geht Seidl niemals reißerisch ins Gericht – kann der fanatische Glaube an Gott nicht gewähren, er kann ein Rückhalt sein, gegen die Gewalt des Ehemanns jedoch blockiert sie nicht. Natürlich war der Aufschrei der katholischen Kirche groß, Anzeigen gab es und Seidl sollte vor den Richter gezerrt werden, am Ende blieb es aber still und Seidl zeigte sich mit leichtem Augenzwinkern enttäuscht darüber, dass sich der Vatikan nicht eingeschaltet hat, doch „für die große Empörung fehle es der Hochburg des christlichen Glauben inzwischen schlichtweg an Kraft“, so Seidl. Was sicher ist: Seidl arbeitet nicht mit karikaturesken Banalitäten, er blickt unter die die Oberfläche, er macht aufmerksam, ohne belehren zu wollen. Und diese eindringliche, ungeschönte Ehrlichkeit schmerzt, so sehr, dass man sogar sein eigenes Lachen, und auch in „Paradies: Glaube“ darf gelacht werden, mehr als nur in Frage stellt. Ganz zu schweigen von der unfassbaren Performance der Maria Hofstätter, die so aufopferungsvoll für ihre Anna Maria an die eigenen Grenzen geht, dass sie – würde wir in einer gerechten Welt leben – mit Preisen überhäuft werden müsste.
7 von 10 Sextreffs im Park
von souli
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