Review: HALF NELSON – Zwei Außenseiter und eine ungewöhnliche Freundschaft



Fakten:
Half Nelson
USA. 2006. Regie: Ryan Fleck. Buch: Ryan Fleck, Anna Boden. Mit: Ryan Gosling, Shareeka Epps, Anthony Mackie, Tina Holmes, Monique Curnen, Jay O. Sanders u.a. Läge: 106 Minuten. FSK: ab 12 Jahren freigegeben. Auf DVD erhältlich.


Story:
Daniel Dunne ist ein junger, engagierter Geschichtslehrer in einem Problembezirk New Yorks, in dem vor allem schwarze Kinder zur Schule gehen. Er versucht, seine Schüler sinnvoll zu unterrichten und auf das Leben in der Welt da draußen vorzubereiten. Dabei ist er selbst nicht in der Gesellschaft angekommen und kompensiert dies mit Crack. Als er von seiner Schülerin Drey dabei erwischt wird, entwickelt sich eine merkwürdige Freundschaft zwischen den beiden Außenseitern, in der sie versuchen, sich gegenseitig zu unterstützen.





Meinung:
Wer schon einmal vor einer Klasse gestanden ist, der weiß wie schwer es ist, einen Unterricht zu gestalten, der allen Schülern Spaß macht, der ihnen etwas beibringt und der sie dabei als Subjekte ernst nimmt und nicht nur als Schwamm für Informationen missbraucht. In „Half Nelson“ spielt Ryan Gosling einen Lehrer. Einen Geschichtslehrer, der auf Vorgaben pfeift, um den Schülern Geschichte so näher zu bringen, wie sie es auch aufnehmen können und vor allem wollen. Der einen Unterricht hält, der den Schülern Spaß macht. Ein Lehrer, der ein Gespür für die Schüler hat, für ihre Interessen, ihre Probleme. Ein Lehrer, wie man ihn sich als Schüler nur wünschen kann. Bei ihm sieht es so spielerisch aus, so einfach. Und auch seine Kollegen sind beeindruckt vom Gespür des jungen Lehrers.


Geschichtsunterricht als Hilfe fürs Leben der Schüler?
Aber dieser Lehrer, er ist auch ein Mensch mit seinen eigenen Problemen. Er ist noch nicht in der Gesellschaft angekommen. Er lebt zwar darin, klar, aber er ist kein Teil von ihr. Kaum echte Beziehungen zu seinen Mitmenschen, ein immer schlimmer werdendes Drogenproblem – kurz: sein Leben geht den Bach hinunter. Und dabei versucht er gleichzeitig, das Leben seiner Schülerin Drey ein wenig besser zu machen. Er opfert sich auf und braucht doch selbst Hilfe. Und so entsteht eine Freundschaft zwischen Lehrer und Schüler. Zwischen zwei Außenseitern, die aufeinander angewiesen sind. Intensiv und eindringlich sind die Blicke, die Ryan Gosling seinem Mr. Dunne verleiht. Mal lustlos, mal voller Energie, voller Wut oder Freude. Es sind nur kleine Nuancen, die den Unterschied ausmachen, aber dennoch sind sie spürbar und beeindruckend. Gosling zeigt, dass man nicht unbedingt große Mimik und Gestik braucht, um nachhaltig zu beeindrucken. Es ist eben gerade nicht der immer selbe Gesichtsausdruck, es sind die kleinen, feinen Unterschiede, mit denen er sein Spiel variiert und jede Gefühlsregung perfekt auf den Bildschirm bringt.


Schülerin und Lehrer beim gemeinsamen Essen.
Sehr grobkörnig, relativ trist und in gedeckten Farben ist der Film gehalten. Viele Großaufnahmen, viel mit der Handkamera gefilmt. Natürlich, dadurch soll der Zuschauer noch mehr ins Geschehen hineingezogen werden, er soll die Intensität des Films noch heftiger miterleben. Aber das gelingt nicht so, wie es gelingen könnte, da einfach zu oft und zu viel gewackelt wird. Und besonders in ruhigen Szenen überschreitet die Wackelkamera oft die Grenzen des guten Geschmacks und reißt mich als Zuschauer wieder aus dem Geschehen heraus, einfach, weil man nur mehr auf das Wackeln achtet. Manchmal einfach ein bisschen weniger, dann wäre man noch mehr im Film drin. Aber das ist nur ein ganz kleiner, störender Faktor. Die Musik hingegen ist super und unterlegt den Film und seine Stimmung perfekt. Auch das Hineinschneiden verschiedener historischer Originalmedien ist sehr gut gelungen und trägt zu seiner enorm hohen Authentizität bei.


Auch die wenigen Dialoge der Figuren unterstützen dieses authentische Filmerlebnis. Sie wirken nicht gestelzt oder gekünstelt, sondern so, wie man sie wirklich in solchen Situationen erwarten kann. Dieser Realismus ist es auch, was den Film so klasse macht, denn neben dem intensiven Erlebnis und Goslings Leistung, der hierfür auch völlig zurecht eine Oscarnominierung erhielt, ist das die dritte große Stärke von „Half Nelson“. Denn nicht oft sind Filme so echt wie dieser hier. Er wirkt in Teilen schon dokumentarisch, ohne aber belehrend oder aufdringlich zu sein. Und in Kombination machen diese Elemente diesen kleinen Film aus, der in Wirklichkeit aber ein ganz großer ist.


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