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Review: DIE WAHRHEIT - Ein Lebensstil vor Gericht

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Fakten:
Die Wahrheit (La vérité)
FR, IT, 1960. Regie: Henri-Georges Clouzot. Buch: Henri-Georges Clouzot, Simone Drieu, Michèle Perrein, Jérome Géronimi, Christiane Rochefort, Véra Clouzot. Mit: Brigitte Bardot, Sami Frey, Paul Meurisse, Charles Vanel, Marie-José Nat, Jean-Loup Reynold, André Oumansky, Claude Berri, Jacques Perrin, Barbara Sommers, Louis Seigner u.a. Länge: 125 Minuten. FSK: Freigegeben ab 18 Jahren. Keine aktuelle DVD oder Blu-ray Auflage.


Story:
Der 21jährigen Dominique wird der Prozess gemacht. Sie soll ihren Liebhaber, einen vielversprechenden Musik-Studenten, erschossen haben und hat sich im Anschluss versucht das Leben zu nehmen. Der Staatsanwalt und der Anwalt der Nebenklage kennen kein Erbarmen mit der Jungen Frau, rücken ihre freizügige Lebensweise in den Fokus, um sie als gewissenlose Mörderin dastehen zu lassen. Ihr Anwalt kämpft verbissen dagegen an. Es geht ihm weniger um einen Freispruch, mehr darum, den Ruf seiner Mandantin zu retten.











Meinung:
In „Die Wahrheit“ geht es primär nicht um die Frage nach Schuld oder Unschuld, was man von einem Gerichtsthriller im ersten Moment erwarten könnte. Als reinrassigen Thriller lässt sich der Film ohnehin nicht bezeichnen, obwohl mit Herni-Georges Clouzot ein wahrer Meister dieses Fachs das Zepter schwinkt. Clouzot - der mit Hochspannungs-Filmen wie „Lohn der Angst“ oder „Die Teuflischen“ zeitlose Meisterwerke geschaffen hat, die auch heute den Puls noch in die Höhe treiben – inszeniert hier eine Trägödie, eine bittere Romanze ohne Happy End, gleichzeitig eine Sozial-Studie, alles vorgetragen im Gerichtssaal.


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Das flotte Mädel und der Spießer.
Die bildhübsche Dominique scheint schon verurteilt, bevor die Verhandlung begonnen hat. Der Mord an ihrem Liebhaber ist unbestritten, doch um die reine Tat scheint es gar nicht zu gehen. Das Gericht, in erster Linie der erzkonservative Staatsanwalt und der gerissene Vertreter der Nebenklage, prangern deutlich ihren Lebensstil an, der in ihren Augen mehr als lasterhaft und ohne Frage die Wurzel allen Übels ist. Statt sich – wie ihre jüngere Schwester – der elterlichen Authorität brav unterzuordnen, einem geregelten, gesellschaftlich konformen Leben wie einem Studium nachzugehen, lebt sie in den Tag hinein, pflegt lockere Männerbekanntschaften, entspricht nicht dem, was damals als „normal“ und tugendhaft angesehen wurde. Noch vor der 68’er Bewegung und der offenen Rebellion der Jugend gegen die Werte der alten Generationen. Sie wird als die Sünde und Gewissenlosigkeit auf zwei Beinen dargestellt, die eh ohne Perspektive ausgestattet nun folgerichtig einen Mord begangen hat. Ein hoffnungsloser Fall, von Anfang an.


Liebe hat ihre Schattenseiten.
Das dies nur  plakative Vorwürfe sind, zeigt Clouzot im Laufe der zwei Stunden. Dominique ist sicherlich nicht das, was man sich seinerzeit unter einer sittenhaften, vorbildlichen Dame vorgestellt hat, jedoch steckt hinter ihrem Wesen kein schlechter, gewissenloser Mensch. Eher ein unsicheres, in ihrem Leben nie wirklich bestätigtes Mädchen. Sicher etwas naiv, nicht mit beiden Beinen im Leben, ohne Struktur, Ziele und dem ehrlichen Ehrgeiz, dies zu ändern. Sie scheint trotz ihrem selbstbewussten, lockerem Umgang sehr verletzlich, unsicher und viel zu blauäugig für eine Welt, die dies gnadenlos bestraft. Eine Rebellin, nicht weil sie es etwa darauf anlegt, sondern einfach aus dem Bauch heraus handelt, unfähig sich anzupassen. Dieses trotz ihrer unbestreitbaren Schuld aufgrund ihres Charakters so unschuldig wirkende Ding wird dargestellt von eine der schönsten Frauen ihrer Zeit, Brigette Bardot. Und wie.


Die Bardot galt nicht immer als begnadete Schauspielerin, war mehr aufgrund ihres Sexbomben-Image ein Star. Clouzot treibt sie zur Höchstform an, kitzelt alles an Talent aus ihr raus, was sich unter der wunderschönen Schale verbirgt. Die Rolle des Vamps, die eigentlich keiner sein will, wirkt wie für sie gemacht und sie bringt das großartig. Verletzlich, hilflos, überfordert. Die Bardot trägt die Film mühelos, ihre Kollegen werden da leicht ins zweite Glied gerrückt, müssen sich eigentlich jedoch nicht verstecken. Samy Frey in der Rolle ihres Loves Gilbert sowie Charles Vanel und Paul Meurisse als sich duellierende Anwälte liefern ebenfalls stark ab.


So eine Verhandlung hat auch Längen...
Die Szenen vor Gericht nehmen – aufgrund der zahlreichen, dominierenden Rückblenden – sogar nur den geringeren Teil der Spielzeit ein, sind dafür enorm intensiv und hervorragend geschrieben. Die hitzigen Wortgefechte zählen nehmen Bardot zu den Highlights des Films, der auf seine Stärken reduziert wieder ein ganz großer von Clouzot wäre. Im Ganzen ist ihm allerdings kein weiteres Meisterstück gelungen, berücksichtigt man diverse Längen, nicht durchgehend wichtige Momente und so manche Dialoge, die schon arg in die Jahre gekommen wirken. Natürliche Abnutzungserscheinungen, die nicht immer hunderprozentig kompensiert werden können. Das schwächst den Film aus heutige Sicht deutlich ab.


Insgesamt aber immer noch eine sehr gut inszenierte, großartig gespielte Mischung verschiedener Genres, nur nicht auf Augenhöhe mit Clouzots Meilensteinen. Das kann auch unmöglich Standard sein.

7 von 10 gescheiterten Suizid-Versuchen.

Review: RESTLESS - Abschied und Erlösung gehen Hand in Hand

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Fakten:
Restless
USA. 2011. Regie: Gus van Sant. Buch: Jason Lew. Mit: Mia Wasikowska, Henry Hooper, Ryyo Kase, Schuyler Fisk, Jane Adams, Jesse Henderson, Chin Han, Victor Morris, Lusie Strus u.a. Länge: 91 Minuten. FSK: freigegeben ab 6 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Annabel und Enoch haben eine morbide Gemeinsamkeit: ihr Interesse für den Tod. Doch während Enochs Interesse daher kommt, dass er auf Beerdigungen geht, ist Annabel durch ihre unheilbare Krebserkrankung an die Thematik des Sterbens gebunden. Auf einer Bestattung lernen die beiden Sonderlinge sich kennen und lieben.




Meinung:
Man könnte Gus van Sants »Restless« schnell in seine Einzelteile zerpflücken und mit der – in Bezug auf Van Sants vorherigen Inszenierungen – oft passenden „Wischi-Waschi“-Floskel stigmatisieren, zeigt sich der Film doch auf den ersten Blick technisch wie narrativ recht unambitioniert, ohne jedes Risiko, emotional wenig fordernd und dazu noch manipulativ in seiner liebenswürdigen Charakterisierung. Nur würde man »Restless« und Jason Lews' Intention mit dieser Einstellung mehr als Unrecht tun, selbst wenn die naiv-optimistische Ideologie innerhalb des Geschehens den kritischen Zuschauer geradewegs dazu einlädt. Betrachtet man den Film aus einem anderen, leicht eskapistischen Blickwinkel, erscheint der konzeptionelle Umgang mit der Thematik doch zu funktionieren. Es sind die märchenhaften wie nostalgischen Nuancen, die die Geschichte aus jedem Zeit und Raum-Verständnis entlocken und dadurch einen eigenständigen, vollkommen unaufgeregten und sanftmütigen Mikrokosmos formen, in dem der Kontakt und die Akzeptanz des Todes durch die Augen zweier Jugendlicher enthüllt wird.


Annabell und Enoch lassen sich gehen
Vor allem gelingt es „Restless“ seine zwei Protagonisten nicht zu bloßen Sklaven der tristen Hobbymorbidität zu modellieren. Annabel und Enoch handeln nicht aus fragwürdiger Faszination, sondern suchen die Berührung mit dem Ableben, um die seelischen Bewältigungsversuche auf gesundem Nährboden anzupflanzen. Es ist daher auch kein Kunststück, das zentrale Thema in Van Sants Karriere zu erkennen: Der Tod. Im Fall von „Restless“ erwartet den Zuschauer jedoch nicht die Konfrontation mit sozialer Ratlosigkeit, gesellschaftlicher Ohnmacht oder der bitteren Leere im Nirgendwo. „Restless“ verteilt seine glückliche Duftnote mit leichtfüßiger Wärme und steht trotz seiner ernsten Grundlage für die anschmiegsame Erlösung und die Annahme des Abschieds. Schließlich geht es hier nicht nur um das Ende des Seins, sondern auch um den Anfang einer zarten Liebesgeschichte zweier Randläufer.


Zwei Heranwachsende, die ihr gesamtes Leben eigentlich noch (miteinander) vor sich hatten, verlieren sich im gefühlvollen Lebewohl. Die Frage, die „Restless“ dem Zuschauer dadurch stellt, ist, ob der Mensch sich wirklich auf das Sterben vorbereiten und ihm mit einem Lächeln entgegentreten kann? Van Sant nickt mit wohlgesonnenem Grinsen auf den Lippen, denn letzten Endes ist „Restless“ auch ein Film über den Zusammenhalt, in der mehr mentale Befreiung steckt, als wir anfangs erkennen möchten. Natürlich schmerzt ein derartiger Abschied, doch wenn man dem geliebten Menschen bis zuletzt in die Augen blicken durfte und nicht mit einem abrupt Endpunkt in Kollision gerät, ist die zwischenmenschliche Gemeinsamkeit bis zur letzten Stunde genau der erträgliche Halt und sehnsüchtige Seelenfrieden, den beide Parteien – besonders Enoch – Zeit seines Lebens auf den Beerdigungen fremder Leute und den Streifzügen über die Friedhöfe gesucht haben - Aufatmende Zuversicht im eigentlichen Verlust. Van Sant weiß, wie man den Zuschauer um den Finger wickelt und trotzdem braucht er sich in diesem Fall nicht geblendet fühlen: „Restless“ ist einfach ein verdammt schöner Film.


7 von 10 unsichtbaren Kamikazefliegern


von souli

Review: DER SIEBENTE KONTINENT - Tödlicher Alltag

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Fakten:
Der siebente Kontinent
AT, 1989. Regie: Michael Haneke. Buch: Michael Haneke & Johanna Teicht. Mit: Birgit Doll, Dieter Berner, Udo Samel, Lenzi Tanzer, Silvia Fenz, Robert Dietl, Elisabeth Rath, Georges Kern, Georg Friedrich u.a. Länge: 105 Minuten. FSK: ab 16 Jahren freigegeben. Auf DVD erhältlich.


Story:
Drei Jahre aus dem Leben der Familie Schober, einer gut-situierten Ober-Mittelstands Familie aus Österreich. Tendenziell läuft alles prächtig, nur am Ende wird brutale Bilanz gezogen...






 Meinung:
Die ultimative Abrechnung mit der Monotonie der Mittelschicht, dem leisen, schleichenden Albtraum, der in soliden Kontoauszügen, schick eingerichteten Wohnungen und schläfrigen Beziehungen lauert. Der Alltag hat Besitzt von einem ergriffen, hat ihn nicht nur erobert, sondern konsequent dominiert, das eigentliche Leben zerstört. Das Ende der Spirale der Langeweile und des ziellosen Leerlaufs ist unaussprechlich, schlußendlich aber die einzig wahre Lösung. Nicht zur Nachahmung empfohlen, doch auf eine gewisse Art nur logisch.


Um eins klar zu stellen: Das ist nicht meiner Ansicht, aber eigentlich traurig-glaubwürdig. Grundsätzlich ist alles erreicht, der Standard und die Rente sind jetzt schon in trockenen Tüchern, aber soll das alles sein? Nein, irgendwo dahinter schlummert die Lebensfreunde, selbst die sollte angesichts der Tatsachen sicher sein, doch irgendwas stimmt nicht.
Warten auf das bittere Ende
Haneke erzählt eine Tragödie in drei Akten:


1987: Alles läuft, die einzigen Probleme sind Alltagserscheinungen.

1988: Kurz und knapp: Oberflächlich alles gut, aber...

1989: Das pure Grauen.

Haneke zelebriert erstmals, aber nicht zuletzt, das Ende der Normalität. Was hier abgeht, fällt deutlich unter den Spoiler-Radar. Grob: Es ist schon lange klar, wie das enden wird, nur jetzt wird alles so schmerzhaft in Kleinarbeit seziert, schauderhaft!
'87 ist der ausführliche Prolog, '88 der knappe Mittelteil, '89 Bauchschmerzen. Schon lange vor dem eigentlichen Finale sind die Weichen gestellt, die Andeutungen nicht mal mehr ansatzweise subtil, Haneke geht direkt nach vorne und erspart überflüssiges Nachdenken, ersetzt das durch Erleben. "Der siebente Kontinent" funktioniert deshalb so gut, da er sein Ende so früh ankündigt, dass alle bis dahin vergehenden Minuten reiner Lockstoff sind. Das Hoffen ist gestattet, das Ende unausweichlich.


Der Mittelstand ersäuft und ertränkt sich in der müden Spirale aus Pflicht und Langeweile, statt sich wohl zu fühlen wird das Todesurteil unterschrieben. Alles gipfelt in einer typisch-eiskalten Haneke-Geisterbahn ohne manipulierendem Firelefanz, so trocken und erschreckend, grauenhaft.

" 'Cause I'm Your Lady..."

8 von 10 Abschiedsbriefen

Review: AUF DER ANDEREN SEITE - Endstation Istanbul

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Fakten:
Auf der anderen Seite
BRD, TR, 2007. Regie & Buch: Fatih Akin. Mit: Baki Davrak, Nurgül Yesilcay, Hanna Schygulla, Patrycia Ziolkowska, Tuncel Kurtiz, Nursel Koese, Erkan Can, Turgay Tanülkü, Elcim Eroglu, u.a. Länge: 116 Minuten. FSK: ab 12 Jahren freigegeben. Auf DVD erhältlich.


Story:
Bremen: Der verwitwerte Rentner Ali lernt die Prostituierte Yeter kennen. Der einsame Mann bietet ihr ein Geschäft an: Er zahlt ihr monatliches Einkommen, dafür zieht sie zu ihm und geht nur noch mit ihm ins Bett. Yeter nimmt an. Als es zum Streit zwischen dem betrunkenen Ali und ihr kommt, geschieht ein Unglück. Yeter ist tot, Ali kommt ins Gefängnis. Sein Sohn Nejat, Germanistikprofessor aus Hamburg, reißt nach Istanbul, um dort Yetes Tochter ausfindig zu machen. Er weiß nur, dass sie dort studieren soll. Er will die Schuld seines Vaters begleichen und sie finanziell unterstützen.
Istanbul: Ayten, Yeters Tochter, ist Mitglied einer radikalen Gruppierung, die sich gegen die Ungerechtigkeit in ihrem Land auflehnt. Von der Polizei in die Enge getrieben flüchtet sie mit falschen Papieren nach Deutschland. Dort landet sie auf der Straße. Zufällig begegnet sie der Studentin Charlotte, die sie bei sich aufnimmt. Bei einer Polizeikontrolle fliegt Ayten jedoch auf und wird in die Türkei abgeschoben, wo das Gefängnis auf sie wartet. Charlotte reißt ihr hinterher, um für ihre Freilassung zu kämpfen. Wieder geschieht ein Unglück...


 
                                                                                   


Meinung:

- "Woher wussten sie eigentlich, dass ich es bin?"
- "Sie sind der traurigste Mensch hier."


Fatih Akin ist ein deutscher Film gelungen, wie es sie leider in der Flut von romantischen 08/15 Komödien, Blödelcomedy und Kinderbuchverfilmungen viel zu selten gibt. Unaufgeregt, gut beobachtend und jederzeit sehr menschlich erzählt, ohne dabei in Kitsch, übertriebene (da immer angemessene) Sentimentalität oder manipulative Tränendrüsensülze abzurutschen. Der Deutsch-Türke schildert das Leben in diesen beiden Ländern, geht (speziell auf türkischer Seite) auf aktuelle Zustände ein, ohne dabei wirklich zu werten. Da wird nichts dämonisiert oder verharmlost, was bei einem aussenstehenden Regisseur schnell passieren kann, selbst wenn es nur unbewusst geschieht.


 
Völkerverständigung im Asylantenheim
Die Geschichte, getragen von einem starken Ensemble, bewegt und ist jederzeit einfühlsam-ehrlich. Jede der Hauptfiguren ist glaubhaft charakterisiert, besitzt Tiefe und wird nicht in eine fertige Schablone gepresst. Akin erlaubt es ihnen, sich im Verlauf der Geschichte zu wandeln, lässt die Ereignisse auf sie wirken und sie daran reifen. Da hat sich wirklich jemand Gedanken gemacht, was in jedem Moment zu spüren ist. Selbst der Einsatz von Gevatter Zufall kann nicht als negativ ausgelegt werden. Das spielt alles in einem Rahmen, der im normalen Leben auch stattfindet. Zufälle gehören zum Alltag wie zum Schicksal, "Auf der anderen Seite" überstrapaziert diesen Faktor nicht, klammert ihn aber auch nicht gänzlich aus.


Ein schöner, warmherziger wie melancholischer Film, der mich zwar nicht umgehauen, aber sehr angenehm unterhalten und befriedigt zurückgelassen hat. Bitte mehr solche deutschen Kinofilme, wenn es denn schon nicht mit dem Genrekino klappt.

7,5 von 10 One-Way-Tickets

Review: HAUS AUS SAND UND NEBEL - Kampf der Existenzängste

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Fakten:
Haus aus Sand und Nebel (House of Sand and Fog)
USA, 2003. Regie: Vadim Perelman. Buch: Vadim Perelman, Shawn Lawrence Otto. Mit: Jennifer Connelly, Ben Kingsley, Ron Eldard, Shohreh Aghdashloo, Frances Fisher, Kim Dickens, Jonathan Ahdout, Navi Rawat, Carlos Gómez, Kia Jam u.a. Länge: 121 Minuten. FSK: ab 12 Jahren freigegeben. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Kathy wurde vor einigen Monaten von ihrem Mann verlassen und verliert nun auch das Letzte, was ihr geblieben ist: Ihr Haus. Wegen angeblichen Steuerschulden wird es versteigert, Kathy, die jede Mahnung ignoriert hat, landet von heute auf morgen auf der Straße. Der Exiliraner Behrani sieht seine große Chance. Vor Jahren musste der in seiner Heimat einst hochdekorierte Colonel mit seiner Familie flüchten, erhält seit dem die Fassade des Lebemanns aufrecht, obwohl er sich und seine Lieben nur durch schlechtbezahlte Jobs gerade so über Wasser hält. Mit den letzten Ersparnissen kauft er das Haus für den Bruchteil des eigentlichen Werts, ein Weiterverkauf soll seiner Familie die Existenz sichern. Doch die Behörde hat einen Fehler gemacht, Kathys Haus wurde ihr zu unrecht enteignet. Behrani muss einer Rückgabe jedoch zustimmen und verweigert sie, viel zu viel hängt an seiner Investition. Beide Partein kämpfen verbissen um das Haus, mit tragischen Folgen.


 


Meinung: 
"Haus aus Sand und Nebel" lässt sich oberflächlich sicherlich ein Vorwurf machen: Was hier an dramatischen Höhepunkten entsteht ist, rein auf die Fakten reduziert, schon ziemlich überspitzt. Manche Filme würden sich daraus ihre Strick drehen, dass wäre der klassische Fall von zu dick aufgetragen. Allerdings wird das hier so nachvollziehbar als ein Worst-Case-Szenario geschildert, dass es nur auf dem Papier so wirkt. Die Stolperdrähte, in die etliche Filme dieser Gangart hilflos hineinlaufen, sind zahlreich gelegt, werden aber durch die Plausibilität übersprungen, die aus den Folgen der Handlungen entstehen. Dafür werden die Figuren und Motivationen zu nachvollziehbar dargestellt. Trotz seiner im absoluten Maximum endenden Dramatik scheint es niemals too much, denn alles ist schlüssig und letztendlich nur das Resultat einer Konstellation, wie sich unglücklicher nicht sein könnte. That's life, nur Gott sei Dank nicht alltäglich.


Verhärtete Fronten: Kathy und Behrani
Das kann in der Form nur gelingen, da die gegensätzlichen Partein nie zu schwarz/weiß gezeichnet werden, sie haben alle Licht und Schatten, handeln aus ihrer Perspektive verständlich, ziehen Sympathien wie Antipathien auf sich, sind nicht nur gut und böse. Es ist verständlich und menschlich, mit der armen Kathy mitzufühlen, die ihren letzten echten Halt im Leben, ihr Haus, aufgrund eines bürokratischen Fehlers verliert, doch ganz unschuldig ist sie an der Situation nicht. Es lässt sich in Behrani hineinversetzen, der seinen Stolz an schmutzigen Baustellen und hinter der Kasse einer Tankstelle verloren hat, nun alles auf eine Karte setzt und das nicht mehr hergeben will. Er hat ja keinen Fehler gemacht, warum das jetzt platzen lassen? So logisch alles aus dem jeweiligen Fokus ist, so unweigerlich sind auch die Entgleisungen, die sich alle Beteiligten erlauben. Jeder fühlt sich im Recht, jeder sieht seine Felle davonschwimmen und kämpft mit aller Macht um seine Existenz. Egal, wie sehr sich jeder moralisch beschmutzt, es ist menschlich. So menschlich wie dessen Konsequenz, wenn eben auch in dieser Größenordnung, die das bittere Finale bereithält.


In so einem Film hängt viel von den Darstellern ab, wenn die das nicht entsprechend bringen, droht das große Drama zu scheitern. Mit Jennifer Connelly und Ben Kingsley wurden Akteure gefunden, die ihre Rollen großartig ausfüllen. Unter den Tisch darf dabei nicht die Leistung von Shohreh Aghdashloo in der Rolle von Behranis/Kingsleys Ehefrau fallen, die das so authentisch rüberbringt, dass sie hinter den großen Stars eigentlich nur namentlich die zweite Geige spielt.


"Haus aus Sand und Nebel" mag leicht überspitzt wirken, letztendlich fließt aber alles so logisch und verständlich zusammen, dass dieses Attest nicht fair wäre. Filme dürfen und müssen einfach auch Extremsituationen zeigen dürfen, dafür sind sie da. Solange sie glaubwürdig aufgebaut sind, wurde alles richtig gemacht.

8 von 10 nebeligen Sandburgen