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Review: JANE GOT A GUN - Natalie Portman nimmt die Zügel in die Hand

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Fakten:
Jane Got A Gun
USA. 2015. Regie: Gavin O’Connor. Buch: Brian Duffield, Joel Edgerton, Anthony Tambarkis. Mit: Natalie Portman, Joel Edgerton, Noah Emmerich, Ewan McGregor, Rodrigo Santoro, Boyd Holbrook, James Burnett, Sam Quinn, Alex Manette, Todd Stashwick, Nash Edgerton u.a. Länge: 98 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Der Traum von einem freien und sorglosen neuen Leben in New Mexico währt für Jane nur kurz. Sieben Jahre nachdem sie mit ihrem Mann Bill "Ham" Hammond aus den Fängen der ruchlosen Verbrecherbande der "Bishop Boys" floh und eine Familie fernab der Zivilisation gründete, holen die alten Dämonen sie wieder ein. Die gefürchtete Bande rund um ihren brutalen Anführer John Bishop hat das Paar aufgespürt und sinnt auf Vergeltung, denn Ham war einst selbst einer von ihnen. Doch Jane ist fest entschlossen, ihr neues Leben und ihre Tochter mit allen Mitteln zu verteidigen und mit den "Bishop Boys" abzurechnen. Nachdem Ham von der Bande gefasst wurde und mit acht Kugeln im Rücken schwerverletzt um sein Leben ringt, bleibt Jane nur eine Wahl: Sie ruft ihren einstigen Verlobten Dan Frost zu Hilfe - wohlwissend, dass ihre gemeinsame Vergangenheit zwischen ihnen steht. Zusammen wappnen sie sich auf der Ranch für den großen Showdown...





Meinung:
Frauen in Western dienen meist als Objekt der Begierde, oder als Symbol der Machtlosigkeit gegenüber den vom wilden Westen gestellten Anforderungen. Nur seltsam verirrten sich starke Frauen in einen Western und noch seltener, war es Frauen innerhalb des Western-Genres gestattet sich mit Colt, Revolver und Gewehr zu verteidigen. Es gab gewiss einige Ausnahmen, etwa „Bad Girls“ von Jonathan Kaplan, oder „Even Cowgirls Get the Blues“ von Gus Van Sant (beide 1994). Wirklich im Gedächtnis festgesetzt haben sich diese Werke allerdings nicht. Mit „Jane Got A Gun“ von „Warrior“-Regisseur Gavin O’Conno wird nun Superstar Natalie Portman als Heroin in einem Western positioniert. Ein feministischer Western?


Jane bekommt Unterricht
Nein, nicht wirklich. Portman darf zwar eine durchaus starke Frau spielen, einen Befreiungsschlag gegen die Dominanz des anderen Geschlechts vollführt der Western aber leider nicht. Heldin Jane ist in erster Linie als klassische Mutter und Ehefrau gezeichnet, die zu den Waffen greifen muss, um ihre Familie zu beschützen. Alleine will ihr das aber nicht wirklich gelingen. sie benötigt maskuline Hilfestellung in Form ihres früheren Geliebten und während dieser ihr zeigt, wie man Sprengfallen platziert und mit dem Revolver umgeht, liegt Janes Ehemann schwer verletzt im Ehebett und kämpft gegen seine Verwundungen. Im Prinzip ist „Jane Got A Gun“ also eine klassische Dreiecksgeschichte, aufgefüllt mit klassischen Western-Motiven. Rein visuell ist das auch sehr ansprechend umgesetzt. Die Bildsprache ist klar und verzichtet auf Mätzchen, die Actionsequenzen werden konsequent durchgezogen ohne sie zu sehr aufzubauschen und die Darsteller versuchen ihre Rollen so gut es geht auszufüllen. Doch das Drehbuch überhebt sich leider immer wieder. Die andauernden Rückblenden stören den Erzählfluss und die Tatsache, dass Jane laut Script nur zur Heldin werden kann, weil ihre Familie bedroht wird und ihr Gatte nicht mehr fähig ist, diese zu beschützen, wirkt zu simple und vor allem zu antiquiert, da es impliziert, dass Jane ohne solch eine Bedrohung gar nicht fähig gewesen wäre, in den Kampf zu ziehen.


Wirklich feministisch ist „Jane Got A Gun“ also nicht und erzählerisch hakt es über weite Strecken. Es ist die schroffe Western-Atmosphäre, die engagierten Darsteller sowie die Kompaktheit der eigentlichen Geschichte, die den Western vorm großen Absturz bewahren. In einer Zeit, in der der Western als so gut wie Tod gilt, ist es schön, dass Filme wie dieser noch ins Kino kommen. Das ändert aber freilich nichts daran, dass „Jane Got A Gun“ weder dazu beitragen wird Frauen im Western ernst zu nehmen, noch dabei das Genre wieder in den Sattel zu hieven. Aber das haben ja selbst erfolgreiche Produktionen wie „True Grit“ oder „Todeszug nach Yuma“ nicht geschafft. Sehr bedauerlich.


4 von 10 Einmachgläsern

Review: KNIGHT OF CUPS – Die unaufhörliche Sinnkrise im Sündenpfuhl Los Angeles

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Fakten:
Knight of Cups
US, 2015.
Regie & Buch: Terrence Malick. Mit: Christian Bale, Cate Blanchett, Natalie Portman, Wes Bentley, Brian Dennehy, Imogen Poots, Antonio Banderas, Armin Mueller-Stahl u.a. Länge: 118 Minuten. FSK: Freigegeben ab 6 Jahren. Ab 14. Januar 2016 auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Rick ist Drehbuchautor und führt das typische Hollywood-Leben zwischen prunkvollen Partys und wunderschönen Frauen. Trotzdem scheint er mit seinem Leben schwer zu hadern. Unentwegt versucht er, die Leere in sich zu ergründen und zu kompensieren, während langwierige Erinnerungen, flüchtige Bekanntschaften, tiefgehende Beziehungen, familiäre Auseinandersetzungen und selbstreflexive Beobachtungen an ihm vorbeischwirren.





Meinung:
Terrence Malick ist ohne Zweifel eines der größten Enigmen der Filmgeschichte. Der
zurückgezogen lebende, öffentlichkeitsscheue Regisseur hat in seiner über 40-jährigen Karriere gerade mal sieben Filme gedreht. Zwischen zwei Werken sind auch schon mal geschlagene 20 Jahre vergangen, während Malick selbst 1975 das letzte Mal ein Interview gegeben hat. Trotzdem stehen selbst die größten Star-Schauspieler Schlange, um eine Rolle in seinen Filmen zu ergattern, welche dann in der Postproduktion womöglich der Schere zum Opfer fällt oder auf wenige Minuten Screentime reduziert wird. Andererseits ist die allgemeine Faszination für den Stil des Regisseurs sehr wohl nachvollziehbar, denn Malick ist einer der sinnlichsten und radikalsten Filmpoeten, welcher eher Gedichte oder Sinfonien in filmischer Form kreiert und dabei meist Bilder findet, die es in derartiger Form nirgendwo anders zu bestaunen gibt.


Und immer schön in die Ferne schauen
Der siebte Spielfilm des Regisseurs ist wenig überraschend erneut gefundenes Fressen für Kritiker seines Schaffens und stellt dabei sogar treue Fans gewissermaßen auf die Probe. "Knight of Cups" ist nochmal radikaler, eigenwilliger und abstrakter in Form und Erzählart, als es dessen bisherige Werke ohnehin schon waren. Die schier unaufhörliche Suche von Hauptfigur Rick, einer offenbar erfolgreichen Persönlichkeit in Hollywood-Kreisen, nach dem Sinn in seinem Leben, einem Platz in der Welt und überhaupt nach dem eigenen Ich folgt erneut keiner nachvollziehbaren Struktur. Noch stärker als je zuvor verfolgt Malick eher Stimmungsbilder, lose Eindrücke sowie markante Stationen im Dasein seiner Hauptfigur, die er in äußerst fragmentarischen Handlungsplittern und visuell zutiefst experimentell montierterten Bilderfluten auf den Betrachter einströmen lässt. Auch auf klassische Dialoge verzichtet Malick überwiegend. Viel mehr erlebt man Abfolgen von bedeutungsschwangeren Voice-over-Monologen, die selbstgerichtet oder anderen Figuren gewidmet sind, unentwegt über den Bildern schweben und Gefühle beleuchten, Aussagen
treffen, Fragen stellen oder nach Erklärungen suchen.


Bale als Karussel. Der Mann ist echt vielseitig
Wenn Rick, der von Hauptdarsteller Christian Bale so apathisch und desillusioniert wie nur möglich verkörpert wird und meist wie eine bloße Hülle wirkt, zum wiederholten Male durch irgendein Szenario läuft, eine Frau in sein Leben tritt, verschwindet, eine neue Frau folgt, wieder verschwindet, Aufnahmen von Wüstenlandschaften, Hunden in Swimmingpools oder Fahrten über den Highway dazwischen geschnitten werden, bewegt sich Malick in seinem ohnehin kaum definierbaren, aber diesmal etwas repetitiven Erzählrhythmus manchmal gefährlich nah am Rand zur Selbstparodie. Selbst wenn dieses Aneinanderreihen von befremdlicher Kälte, berührenden Momenten, überwältigenden Erlebnissen, oberflächlichen Posen oder auch mal belanglos wirkenden Situationen einen umso konsequenteren Ausdruck des unverwechselbaren Stils des Regisseurs darstellt. Neben dem unfassbar virtuosen Schnitt, an dem wieder gleich drei Leute gearbeitet haben, ist die Kameraarbeit von Emmanuel Lubezki mal wieder der eigentliche Star des Films. Mit seiner schwebenden Steadycam fängt Lubezki Bilder von unbeschreiblicher Schönheit ein, die selbst banale Alltags-Momente in surreal erscheinende Kunstwerke verwandeln und nicht selten ein ebenso faszinierendes wie verstörendes Gefühl entfachen. Unterstützt wird diese Atmosphäre noch durch den Einsatz viel klassischer Musik, welche die meist hochmoderne Architektur in ein ganz anderes Licht rückt, als man es gewohnt ist.


Während Anhänger des Regisseurs also auf der audiovisuellen Ebene wieder ins Schwärmen
geraten dürften, werden Malick-Gegner schon nach nicht mal der Hälfte der Laufzeit resigniert abschalten, wenn der gefühlt dutzendste Sprung in der Montage erfolgt oder unaufhörlich ein Voice-over nach dem anderen erklingt, wobei Malick selbst große Schauspieltalente für nur wenige Minuten oder gar Sekunden auftreten lässt. Die zahlreichen Fragen, die Malick aufwirft, sowie die Themengebiete, welche er umkreist und die oftmals autobiographische Bezüge aufweisen, lässt er bewusst unbeantwortet. Ob Rick am Ende einen Ausweg aus seiner Existenzkrise findet, den Suizid-Verlust seines Bruder verkraften kann, sich mit seinem Vater versöhnen wird, endlich die richtige Frau findet und das Leben als der Mann lebt, der er nach eigener Aussage nie war, darf sich der Zuschauer selbst beantworten. Malick ist und bleibt nichtsdestotrotz eine faszinierende Ausnahmeerscheinung in der Filmlandschaft und seine Werke sind ebenso anstrengend wie bereichernd, ebenso wunderschön wie abstoßend und lassen einen definitiv niemals kalt. Sie sind unbestreitbar Erlebnisse.


8 von 10 Sprünge in den Swimmingpool


von Pat

Review: HEAT - Es brodelt in L.A.

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Fakten:
Heat
USA, 1995. Regie & Buch: Michael Mann. Mit: Al Pacino, Robert De Niro, Val Kilmer, Tom Sizemore, Diane Venora, Amy Brenneman, Ashley Judd, Jon Voight, Wes Studi, Ted Levine, Natalie Portman, Mykelti Williamson, Dennis Haysbert, William Fichtner, Tom Noonan, Kevin Gage, Hank Azaria, Danny Trejo, Henry Rollins, Jeremy Piven, Miguel Ferrer u.a. Länge: 164 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Neil McCauly ist wohl der perfekte Kriminelle. Seit Jahren ordnet er alles seinem „Beruf“ unter. Emotionen sind nur sachlicher Natur, nur der nächste Coup hat Priorität, deshalb ist er nicht zu fassen. Jeder Überfall ist bis ins Detail geplant. Eine spontane Abweichung führt zu einem Schnitzer, der Lt. Vincent Hanna auf den Plan ruft. Wie McCauly ein Besessener, der vielleicht nicht bereit ist alles für seinen Job zu opfern, es aber dennoch triebgesteuert tut. Er kann nicht anders. Die Fährte wird aufgenommen, es wird sich beschnuppert, es kommt zum Kontakt. Beiden ist klar: Niemals wird einer aufgeben. Es wird keinen zweiten Sieger geben, nur Gewinner und Verlierer, mit allen Konsequenzen. 




Meinung:
„Ich tue das, was ich am besten kann, ich dreh´ Dinger. Sie tun das, was Sie am besten können, Leute wie mich davon abhalten.“

Vielleicht das gedrehte Ding der 90er. Die Konkurrenz ist nicht von schlechten Eltern. Scorsese knallte gleich zwei große Mafia-Epen raus, Paul Thomas Anderson ließ den Riesenpimmel von Dirk Diggler durchs Bild baumeln, Léon war der Profi, Tarantino schuf Sternstunden, es gab nur eine Regel im Fight Club, Danny Boyle sagte Ja und gleichzeitig Nein zu einer riesigen Liste, von den übermächtigen Coens ganz zu schweigen. Das will und muss man gar nicht gegeneinander in ein Ranking stellen, aber wenn…weit vorne.


Auf Puck und Bullen bestens vorbereitet.
Niemals, niemals wieder erreichte Michael Mann diesen Level, sein Opus Magnum, wobei er lange auf hohem Niveau agierte. „Heat“ – das Remake seines eigenen TV-Films „Showdown in L.A.“ -  ist der Hexenkessel Los Angeles in seiner massivsten Form, von kühl bis explosiv, jede Nuance ist vorhanden und bis ins Extrem ausgereizt. Welten prallen aufeinander, die eher Paralleluniversen sind. Die zwei Seiten der Medaille verschmelzen zu einer Münze, deren Wurf dennoch ein klares Ergebnis fordert. Kopf oder Zahl, Patt unmöglich. Der Jäger und der Gejagte, auf dem Papier. Wer jagt hier wen, jagen sie sich überhaupt gegenseitig oder doch nur sich selbst und sind sie sich bewusst, dass sie nur ihren Gegenüber theoretisch fangen können, aber nie sich und ihren Frieden? Die Hatz wird immer weiter gehen, bis zum letzten Atemzug. Dafür sind sie geboren, dafür sind sie bereit zu sterben und wenn sie den Sieg erreicht haben lauert da draußen nur die nächste Herausforderung, an der sie unweigerlich irgendwann scheitern werden oder sich selbst zugrunde richten. Raubtiere fressen Beutetiere, doch was wenn zwei Raubtiere sich plötzlich ein Revier teilen müssen? Einer muss zur Beute werden, auf dem Niveau nicht möglich. Dabei zerfleischen sie sich eh schon selbst, bieten gleichzeitig dem Angreifer keinen wunden Punkt. Bis kurz vor Schluss, und das wird der eine, der fatale Fehler sein, wenn der Mensch kurz die Maschine dominiert.


30 Sekunden...eine echte Prüfung.
Sie leben nicht, sie funktionieren. Ausgerichtet auf ihre Bestimmung, mit allen Konsequenzen. Neil McCauly (Robert De Niro, „Häng dich an nichts, was du nicht nach 30 Sekunden wieder vergessen kannst, wenn dir der Boden zu heiß wird“) und Frank Hanna (Al Pacino, „Du lebst nicht mit mir. Du lebst mit deinen Toten und all den Mördern“), die ihr Privatleben schon lange vorher aufgegeben haben. Vielleicht nicht einmal freiwillig, absichtlich, es ist einfach passiert und aus der Spirale werden sie sich nie wieder befreien können. McCauly könnte alles haben, lebt stattdessen immer auf Abruf, in einem nicht möblierten Luxusapartment, das er tatsächlich nach 30 Sekunden problemlos verlassen könnte, packen müsste er nicht. Hanna hat theoretisch alles, schon zum dritten Mal, denn Familie ist bei ihm ein gewolltes, aber nicht integriertes Anhängsel, das ihm immer wieder aus den Händen gleitet, ganz natürlich, verständlich, trotzdem kann er daran nichts ändern. Sie sind Gefangene. Absolute Profis, deren Wege sich nur kreuzen, weil sich in die eine akribische Arbeit das Minimum der Unberechenbarkeit eingeschlichen hat, das den anderen auf den Plan ruft. Schicksal, denn sie mussten in ihrem Gegenüber irgendwann sich selbst begegnen. Die Folgen sind unvermeidlich, der Weg bis dahin lang und von einem Perfektionismus geprägt, das dem seiner Figuren gerecht wird. Details – und die sind zahlreich – sind nicht banal, sie sind Bausteine zum großen Gesamtbild. Selbst wenn (sogar ausführlich) behandelte Einzelschicksale das Ganze nur marginal verändern würden, sie tragen alle einen Wert, besitzen Substanz und ihre Zugehörigkeit. Ohne sie wäre das sicher auch wahnsinnig super, mit ihnen ist das perfekt. Destruktive Charaktere prallen nicht nur aufeinander, wie es in ihren Genen liegt, verzehren sie sich ohnehin schon selbst und schleichend, nun beginnt das große Fressen auf Wettbewerbsbedingungen.


Loyal für echte Freunde.
Ein irrsinnig brillantes Epos, in dem Michael Mann alles auffährt. Das Skript wurde über Jahre entwickelt und immer wieder bearbeitet, das Endergebnis ist kaum zu übertreffen. „Heat“ ist ein urbaner Sprengsatz, dessen Detonation nicht am Stück, sondern schleichend aufgebaut und durch partielle Entladungen daherkommt, die locker für sich einen einzelnen Film stemmen könnten. Der Auftakt ist schon eine Nummer, der Bankraub im Herzen der Stadt und des Plots der pure Wahnsinn. So einen knallenden, massiven Kugelhagel – ohne völlig absurde Explosionen oder andere Just-Another-Action-Movie-Momente – hat man selten erlebt. Mann entfesselt in den ausgewählten Situationen eine Dynamik, eine Druckwelle, die ihres Gleichen sucht und kaum finden wird. Doch auch dazwischen brodelt es, konstant und jederzeit mit dem Streichholz am Pulverfass. Die große Kunst von „Heat“ ist es, sich diese Stimmung über 2 ½ Stunden zu bewahren, nicht in reaktionären Mechanismen zu verfallen, sondern sehr bewusst auf deutliche Höhepunkte zuzuarbeiten, gleichzeitig aber „stille“ Highlights zu setzen, die die brachiale Wirkung der anderen noch locker überbieten


Besser spät als nie: Das Gipfeltreffen.
Einer der bedeutendsten Szenen ist natürlich das Zusammentreffen der Ikonen, auf das man gut 25 Jahre warten musste. Robert De Niro und Al Pacino begannen ihre Filmkarrieren Ende der 60er, schafften ihren Durchbruch Anfang der 70er, beide sogar sehr schnell mit prägenden Rollen in einem Film: „Der Pate 2“. Ihnen war aber nicht eine gemeinsame Szene gegönnt, den unterschiedlichen Zeitebenen geschuldet. Es sollte 21 Jahre (und 1 ½ Stunden) dauern, bis sie sich endlich Angesicht zu Angesicht gegenübersitzen durften. Nur für wenige Minuten, aber allein wie das eingeläutet wird. Nachdem sich die Alphamännchen schon aus dem Dunkel beschnuppert haben, kommt es zur legendären Tafelrunde, die die meisten Showdowns in die Tasche steckt. Zu einem treibendem Score verfolgt Pacino sein Alter Ego durch den nächtlichen Großstadtjungel, stellt ihn relativ unspektakulär und lädt auf einen Kaffee ein. Hier werden sich alle ungeschönten Tatsachen direkt ins Gesicht gesagt und anstatt sich selbst auf erschreckende Art gespiegelt zu sehen, vertreten sie nur ihre unerschütterlichen Standpunkte, jedoch mit Respekt vor dem Schaffen des Gegenüber vorgetragen. – „Wenn ich mich entscheiden muss zwischen Ihnen und irgend so einer armen Sau, dessen Frau Sie zur Witwe machen wollen…Bruder, dann hast du keine Chance!“ – „…denn egal was passiert, Du stellst dich mir nicht in den Weg!“


Und so verharren sie in ihren Drohgebärden, gehen auf menschlicher Ebene durchaus aufeinander zu, aber sobald das Geschäft auf den Tisch kommt, sind sie sich einig: Du oder ich, koste es, was es wolle. Das Interessante daran, dass die Karten trotzdem leicht neu gemischt werden. Einer hat schon lange alles für sich als Kredo beschlossen, hadert im letzten Moment kurz damit. Der Andere konnte oder wollte sich seine destruktive, aufzehrende Passion nie direkt eingestehen, zieht sie dennoch konsequent durch und am Ende entscheiden dennoch nur Fragmente. Bei der Konfrontation zweier Idealisten kommt es auf die kleinsten Abweichungen an, die werden das Urteil fällen. Erlösung und Befriedigung liegen nah beieinander, nur am Ende ist wohl keiner richtig glücklich. Denn dann ist es vorbei. Was nun? Einer hat es geschafft, der andere nicht. Aber was hat er damit gewonnen? Nur eine Etappe, nicht das Ziel, das ist eh nur noch eine weit entfernte Utopie. Realistisch waren beide schon lange angekommen, sie konnten es nur nicht genießen. Und werden es niemals können. Sie hinterlassen nur verbrannte Erde um sich herum, ein Dunstkreis der Zerstörung, obwohl sie beide sozial kompetent sein können, nur nicht auf sich selbst gemünzt und für die, die sie vorgeben zu lieben...und es "leider" wahrscheinlich sogar tun. Traurig für alle Seiten.


Ein Tsunami von einem Film, der einen in seiner Komplexität, Wucht und emotionalen Dichte radikal überrollt, vernichtet und zerstört wie gleichzeitig unendlich befriedigt zurücklässt. Bis zur nächsten Sichtung…und wieder, und wieder. Ein Hamsterrad, wie für seine Figuren, denn wir werden daran nicht zerbrechen, sie schon. 
 
10 von 10 Spiegelbildern eines Besessenen