Fakten:
The Captive – Spurlos verschwunden (Queen of the Night)
USA, Kanada. 2014. Regie und Buch: Atom Egoyan. Mit: Ryan
Reynolds, Mireille Enos, Kevin Durand, Rosario Dawson, Scott Speedman, Alexia
Fast, Bruce Greenwood, Aaron Poole, Payton Kennedy, Ian Matthews, Christine
Horne, William MacDonald u.a. Länge: 112 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Ab 27. Januar
auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story: Er war nur kurz im Laden, doch als er wieder zu Auto kommt ist seine kleine
Tochter weg. Für Vater Matthew bricht eine Welt zusammen, genau wie für seine
Frau, die ihrem Mann die Schuld für das Verschwinden gibt. Die Polizei sucht
vergeblich nach dem Kind, glaubt sogar das Matthew etwas damit zu tun hat. Doch
die Wahrheit sieht anders aus und noch viel schlimmer als erwartet.
Meinung: Der kanadische Regisseur
Atom Egoyan hat Filme gemacht wie „Das süße Jenseits“, „Wahre Lügen“, „Felicia,
mein Engel“ oder „Exotica“. Die Behauptung, dass Egoyan ein durchaus
beachtliches Schaffenswerk vorzuweisen hat, ist also quasi unbestreitbar. Doch
was er nun mit dem Thriller „The Captive – Spurlos verschwunden“ abliefert,
lässt leider nicht darauf schließen, dass er einst gute Filme und kleine
Meisterwerke schuf. Der Thriller mit Ryan Reynolds („Safe House“) und Mireille
Enos („The Killing“) weckt sogar eher den Eindruck eines ziemlich verkorksten
Regiedebüts, denn hier will einfach nichts so richtig funktionieren.
Hat Matthew seine Tochter gefunden?
Zunächst einmal die größte Verfehlung von „The Captive – Spurlos verschwunden“:
das überaus düstere wie ernste Thema verfehlt jede Art von emotionalen
Berührungspunkten. Dass der dandyhafte Psychopath Mika (Kevin Durand, „Ich bin
Nummer Vier“) die Tochter von Matthew (Reynolds) gefangen hält, lässt
einen ähnliche kalt wie die verschneite Bergwelt, in der sich das
Thriller-Drama gemütlich und faul an der Thematik des Kindesentführung ergötzt
und dabei immer spastisch zwischen versteifter Seriosität und fast schon
epileptischem Genre-Überspitzungen umher irrt, ohne dabei aber jemals einen
Punkt zu finden, um eine feste inszenatorische Linie zu ziehen. Kurz: „The Captive
– Spurlos verschwunden“ springt zwischen zu vielen Stilen umher und keiner
davon weiß zu überzeugen. Als wäre das nicht schlimm genug dichtet Egoyan
seinem Film auch noch Figuren an, die aus dem Kuriositätenkabinett stammen
zumindest im Kontext mit der doch sehr ernsten wie tragisch-bitteren Thematik. Der
bereits erwähnte Mika wirkt eher wie die Parodie eines Pädophilen und wenn
Polizistin Nicole (Rosario Dawson, „Sin City“), eine Frau die ähnlich wie ihre
Darstellerin in ihren 30ern ist, als Lockvogel eine Teenagerin in einem Diner
spielen muss, ist das ertragbare Maß an Akzeptanz erreicht. Dass Atom Egoyan es
dazu nie wirklich gelingt, dass man mit der trauernden Mutter des entführten
Mädchens sowie dem verzweifelten Vater mitfühlt ist eine weitere Schwachstelle.
Allgemein ist der Film durchzogen mit einschläfernder Redundanz.
„The Captive – Spurlos verschwunden“ sieht hübsch aus. Überall die karge Welt
aus massiven Stein und Schnee und als Kontrastpunkt schick eingerichtete
Häuser, in dem entweder die Wahrheit verschwiegen oder versteckt wird. Doch
mehr als diese Fingerübung bringt Atom Egoyan mit seinem Thriller-Drama nicht
zu Stande. Trotz der emotional aufgeladenen Handlung wirkt alles viel zu weit
entfernt, weil die Figuren letztlich nicht mehr sind als verhunzte Charaktermodelle.
Es bleibt zu hoffen, dass „The Captive – Spurlos verschwunden“ irgendwann aus
Atom Egoyans Filmographie verschwindet, am besten spurlos.
Fakten: Nächster Halt: Fruitvale
Station (Fruitvale Station)
USA. 2013. Regie und Buch: Ryan Coogler. Mit: Michael B. Jordan, Octavia
Spencer, Kevin Durand, Melonie Diaz, Chad Michael Murray, Ahna O’Reilly, Laurel
Moglen, Darren Bridgett, Caroline Lesley u.a. Länge: 85 Minuten. FSK:
freigegeben ab 12 Jahren. Ab 2. Oktober 2014 auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story: Nach wahren Begebenheiten: Oscar Grant, 22 Jahre jung, will sein Leben
wieder ordnen. Keine illegalen Aktivitäten mehr, endlich mehr Zeit mit der
Tochter verbringen und ganz einfach ein besserer Mensch sein. Kein einfaches
Unterfangen, doch welcher Tag würde sich dafür besser eignen als Silvester.
Doch für Oscar wird dieser Tag tödlich enden.
Meinung souli: Welch Frevel ist es doch, „Nächster Halt: Fruitvale Station“ in einem
Atemzug mit dem sensationellen HBO-Format „The Wire“ zu nennen. Natürlich,
beide können sie mit Michael B. Jordon aufwarten, aber inhaltlich ist es schon
reichlich vermessen, Parallelen zwischen einem knapp 90-minütigen Spielfilm und
einer sich mit analytischer Akribie über fünf pointierte Staffeln erstreckenden
Serie aufstellen zu wollen. Aber lässt man diese obskuren Verbindungen einmal
außer Acht und betrachtet „Nächster Halt: Fruitvale Station“ ganz für sich
allein, rettet das Ryan Cooglers Debüt auch nicht im Ansatz. Coogler
rekonstruiert den letzten Tag im Leben des Oscar Grant, konzentriert sich streng
auf die Subjektive dieses am Neujahrsmorgen (2009) verstorbenen Mannes, um so
eine plastische Authentizität zu evozieren. „Nächster Halt: Fruitvale Station“
aber funktioniert nicht, weil er das Spiel auf dem Manipulations-Klaviatur
unentwegt ertönen lässt und die ambitiöse Relevanz seines soziopolitischen
Fundamentes dahingehend zerbricht, weil ihm überhaupt nichts Wesentliches zum
Thema einfällt. Coogler stellt – mit angeblicher Wut im Bauch – nach, traut
sich aber nicht, das Problem bei der Wurzel zu packen und berichtet
höchstgradig tendenziös von einem Fall, der hier schlussendlich auf den „Einer
von vielen“-Stand reduziert wird, bis auch das Narrativ seine Sicht verrät und
plötzlich (Überraschung!) mehrere Perspektive einnimmt. Und wenn wir es doch nochmal
in Vergleichen formulieren wollen: „Nächster Halt: Fruitvale Station“ ist
genauso weit von der kritisch-wahrhaftigen Durchschlagskraft eines „The Wire“
entfernt, wie Michael Haneke von einer „Missing in Action“-Neuauflage. Einzig
Octavia Spencer hält das Ding mit ihrer Natürlichkeit auf dem Boden.
4 von 10 überfahrenen Kötern
Noch scheint die Situation unter Kontrolle zu sein
Meinung Hueftgold: Der Fall des Oscar Grant´s ist bekannt und hat schon 2009 für mächtig
Furore gesorgt. Nun versucht Ryan Coogler den letzten Tag in Oscar´s Leben zu
rekonstruieren, was leider nur teilweise gelingt. Die Geschichte erzwingt fast
eine aufwühlende Inszenierung, was man auch durchaus solide geschafft hat. Zum
einen bietet Cooper einen großen Einblick in das Privatleben von Oscar und
schafft es, vor allem durch die Szenen zwischen ihm und seiner Tochter, einen
humanen Beigeschmack zu integrieren. Sein kriminelles Leben, seine Bindung zu
seiner Familie und sein Drang aus seinem Leben mehr zu machen stehen im
kompletten Kontrast zur Grundthematik, die eigentlich sehr tragisch ist und
schaffen es, dass man mit dem Protagonisten sympathisiert. Außerdem schafft es
Cooper aufgrund der einfachen Stilistik eine Menge Intensität zu erzeugen. Die
Atmosphäre während der Verhaftung und dem eigentlichen Akt ist bedrückend und
doch zielt die eigentliche Vorgeschichte nur darauf ab, den Zuschauer zur
Emotion zu zwingen. Fruitvale Station verschenkt eine Menge Potenzial, indem er
keine Lösung zeigt, sondern nur pure Wut erzeugen will. Viel zu sehr fokussiert
man sich auf die Druckausübung auf die Tränendrüsen. Das reduziert leider auch
die Aufnahmefähigkeit von Gefühlen trotz einiger unfassbar intensiven Momente.
Schade.
6 von 10 nicht den Streit schlichten wollende Punkte
Fakten: Resident Evil:
Retribution
USA. 2012. Regie und Buch: Paul W. S. Anderson. Mit: Milla Jovovich, Boris
Kodjoe, Michelle Rodriguez, Li Bingbing, Sienna Guilleroy, Kevin Durand, Johann
Urb, Shawn Roberts, Oded Fehr, Colin Salmon, Megan Carpenter, Robin Kasyanov, Mika
Nakashima, Ofilio Portillo u.a. Länge: 96 Minuten. FSK: ab 16 Jahren
freigegeben. Ab 11. März auf DVD, Blu-ray und 3D Blu-ray erhältlich.
Story: Nach dem großen Kampf im
vorherigen Teil erwacht Alice in der Zentrale der Umbrella Corporation.
Zusammen mit ihren Kameraden versucht sie sich durch die Zentrale zu kämpfen,
die für High-Tech-Simulationen genutzt wird. Das Ziel: Freiheit. Doch bis dorthin
ist es noch ein langer, gefährlicher Weg.
Meinung:
Mittlerweile ist das Gezeter, dass die Filmversion der japanischen Videospielreihe „Resident
Evil“ von Capcom mit den ursprünglichen Story nichts zu tun hat, am absoluten Stillstand
angekommen. Früher wurde noch gemäkelt, die Filme wären zu zahm, hätten lieber
von Zombie-Meister Romero inszeniert werden sollen und haben kein wirkliches Survival-Horror-Flair.
Auch meckern macht müde. Wobei, dass die neueren „Resident Evil“-Filme dieser
Kritik nicht mehr so drastisch ausgesetzt sind liegt vermutlich nicht daran,
dass die negativen Gründe über die Jahre nicht mehr zutreffend sind, sondern
ganz einfach daran, dass die Reihe mittlerweile ganz andere Verfehlungen inne
hat, bzw. über die Jahre andere Schwachpunkte so weiterentwickelt hat, dass die
Aufregung über die vertanen Chancen der Vergangenheit, zwischenzeitlich zur
marginalen Partder Qualitätsproblematik
der Reihe wurde.
Auf der Suche nach einem guten Drehbuch
Woran es hapert,
wird zu Beginn von „Retribution“, dem mittlerweile fünften Teil, deutlich.
Heldin Alice (Milla Jovovich) erzählt ihre Geschichte und damit auch die
gesamten Ereignisse der vier Vorgänger. Was Regisseur und Autor Paul W.S.
Anderson, der zu allen Teilen das Script lieferte und Teil eins sowie vier inszenierte, sich bei der Story gedacht hat bleibt ein Rätsel. Die Zusammenfassung
der vorherigen Ereignisse, die da ungehemmt auf einen niederprasseln löst ein
Gefühl des Fremdschämens aus. Guilty
Pleasure? Nein, nur Guilty. Die
gesamte Konzeption der Reihe ist ein einziger Trümmerhaufen. Ohne eine Art von
Homogenität wurde die letzten Jahre ein so verworrenes wie absolut
minderbemitteltes Franchise aufgebaut. Es fehlt der Reihe komplett an Bewusstsein.
Ein Bewusstsein für den eigenen Stellenwert. „Resident Evil“, egal ob der Erste
oder der Letzte, nimmt sich viel zu ernst. Der Reihe ist dabei alles ziemlich
egal. Von der Empathie, bis hin zu den Horrorwurzeln, alles wird
vernachlässigt. Im Zentrum stehen unterkühlte, statisch choreographierte
Actionszenen und Bilderfluten, die weitestgehend so oder so ähnlich schon in
den einen oder anderen Genre-Beitrag aus Hollywood zu sehen war. Es ist schon
erstaunlich wie hemmungslos „Retribution“ bei allem wildert, was irgendwie die
Aufmerksamkeit eines Publikums weckt, welches anscheinend an ADHS leidet.
Anders kann ich mir die willkürliche Verwendung ikonischen Szenen und Motive
nicht erklären. Anderson bedient sich aber nicht nur bei Filmen (z.B. „Romeo
must die“ oder "Matrix"), nein, sogar das Promotionmaterial, genauer gesagt ein Postermotiv,
von Alexandre Ajas Spaß-Splatter „Piranha 3D“ findet, in einer abgewandelten und bewegten Form, seinen Gebrauch. Um diese Verwendungen als Hommage zu
deklarieren, fehlt es deren Ausführungen am richtigen Timing und am nötigen
Respekt. Das Gefühl, dass sich die Macher vor den Ideen und Ausführungen
anderen Filmschaffender verbeugen ist nicht existent. Dafür ist „Resident Evil“ zu starr, zu kalt und vor
allem viel zu berechnend.
So kühl und öde wie die Tapete ist auch der gesamte Film
Anderson, der einst mit seinem Debüt „Shopping“ Hoffnung entfachte und seitdem
einen rabiat enttäuschenden Film nach dem anderen inszenierte, bringt in Teil
fünf diverse Figuren zurück, die zuvor bereits das Zeitliche gesegnet haben,
bzw. als Zombie-Imbiss endeten. Endlich ein Wiedersehen mit alten Bekannten?
Nein. Wenn Figur X aus Teil Y wiederkehrt, dann ist das nicht mehr als ob man
einen Gegenstand wiedergefunden hat. Alle Charaktere sind nicht mehr als pure
Leblosigkeit. Standardisierte Schablone ohne Reiz. Ob sie sterben, überleben,
auf mysteriöse Weise verschwinden und wieder auftauchen ändert nichts an ihrem
Status als reines Objekt. Heldin Alice, die einzige charakterliche Konstante
der Reihe, ist derweil genau so blass wie in den Vorgängern. Unglaublich dass
ich das mal sage, aber rückblickend und im direkten Vergleich zu „Retribution“,
war die Alice aus der ersten Verfilmung (2001) ein echter und fesselnder
Charakter. Klar, niemand sollte bei solch einem Genre-Clash wie ihn Paul W.S.
Anderson uns präsentiert, handfeste und überzeugende Figuren erwarten, aber es
gibt einfach Grenzen und wenn die Darsteller und ihre Rollen nicht mehr vom
Hintergrund zu unterscheiden sind, sind diese Grenzen einfach durchbrochen.
Dazu passen sich die Kulissen, ob nun aus dem Hochleistungsrechner oder gebaut,
perfekt an die Figuren an: sie wirken zu künstlich.
„Resident Evil:
Retribution“ kommt, anders als seine Vorgängern, den Wurzeln der Filmreihe am
nächsten. Bereits bei „Afterlife“ hatte die Handlung etwas von einem
Videospiel, doch jetzt, im fünften Teil, hat sich anscheinend die Metamorphose
vom Film hin zum Game vervollständigt. Die Ereignisse die hier stattfinden
erinnern vom Aufbau an Level und an manchen Stellen wartet sogar ein Endgegner
auf Asskicker Alice. Die sind aber
wenig beeindruckend und fallen im massiven wie verschwenderischen Output von nervenden
und sich ständig wiederholenden Schauwerten nicht weiter auf.
Sie weiß, Zombies bekämpft man am besten im Abendkleid
Leider hat sich
die Videospielreihe „Resident Evil“ mittlerweile zur Aufgabe gemacht sich den
Filmen stilistisch anzunähern. Was früher ein virtueller Überlebenskampf mit
knappen Ressourcen, beängstigender Isolierung und knackigen Rätseln war, ist
nun auch nicht mehr als eine seelenlose Action-Orgie. Eine Weiterentwicklung,
die von den einstigen Fans anfangs schockiert aufgenommen wurde. Daraus wurde
mit der Zeit Ernüchterung, fanden sich doch immer noch genug Anhänger des neuen
„RE“-Stils. So hat die Spiele- wie auch die Filmversion von „Resident Evil“
doch mehr gemeinsam, als zu Beginn vermutet. Auch wenn sich diese Gemeinsamkeit
erst über die Jahre entwickelt haben und Atmosphäre sowie Unterhaltungswert
konstant mit Füßen getreten wurde. Bleibt zu hoffen, dass der sechste Film auch
der Letzte sein wird. Zumindest gibt es zu dieser Hoffnung einige Verweise in „Retribution“,
aber was der Reihe gut tun würde, das ist den Machern ja eh ziemlich schnuppe.
Das haben sie bereits fünf Mal bewiesen.